Harlekins Mond (Autoren: Brenda Cooper und Larry Niven)
 
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Harlekins Mond von Brenda Cooper und Larry Niven

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Selten hinterließ mich ein Buch mit derartig vielen ambivalenten Überlegungen zu Inhalt und Ausführung. Als großer Fan der Ringwelt ist es immer wieder spannend zu beobachten, wohin es Larry Niven sonst noch so verschlägt.

Seine Zusammenarbeit mit Jerry Pournelle bescherte uns eines der aufregendsten SF-Werke Der Splitter im Auge Gottes.

Brenda Cooper trat bei uns hingegen noch nicht in Erscheinung und das Vorwort lässt auch darauf schließen, dass der Großteil des Romans ihre Arbeit ist. Wenn wir also auch nicht genau festmachen können, worin die Autorenschaft Nivens besteht, ist doch zumindest ein Aspekte durchaus typisch für ihn.

 

Nämlich das große soziologische Experiment, von dem berichtet wird. Die Erschaffung einer Übergangskolonie, die, so sieht es der Plan vor, nur dazu dient, um das Raumschiff für die Weiterreise zum eigentlichen Ziel wieder fit zu machen. Da Brenda Cooper als Futurologin eher die generelle Entwicklung im Auge hat als die tatsächliche, gerät dieser Feldversuch aber zu wenig mehr, als einer Skizze.

 

Wie bei einem Experiment üblich werden diverse Bedingungen als Vorraussetzungen benötigt, ohne das ihre Herkunft oder Spezifikation für das eigentlich zu untersuchende relevant ist. Das Interessante ist ja das Ergebnis.

So wird der Sinn des Zwischenaufenthalts erst spät in Frage gestellt, obwohl es von Anfang an genug Hinweise auf das Scheitern der ursprünglichen Mission gibt. Enorme Mittel werden verwendet, um aus den Monden des Gasplaneten Harlekin den einen Mond zu formen, der groß genug ist, um eine halbwegs funktionierendes Terraform-Projekt durchzuführen.

Gelingen kann dies nur durch eine nicht näher spezifisierte Kälteschlaftechnik, bei der nebenbei auch die Körper regeneriert werden, sodass ihre Nutzer jung und munter bleiben. In diversen Wachschichten mit wechselndem Personal wird der Mond erschaffen und mit eigens gezeugten Kindern besiedelt.

Diese erste Generation wird von den Autoren übersprungen. Es scheint wie eine Flucht vor grundsätzlichen Problemen. Der Ursprung der kruden gesellschaftlichen Entwicklung wird einfach als lösbar vorausgesetzt. Die Besatzung der John Glenn gehorcht, keine Widerworte, keine Fragen.

Das Geschehen beginnt erst so richtig mit der mondgeborenen Rachel, Kind der zweiten Generation, Vater ebenfalls auf dem Mond geboren, die Mutter vom Schiff, auf das sie irgendwann zurückkehrte und eine fassungslose Familie zurückließ.

Bereits hier wundert sich der Leser über den Leidenswillen der Mondleute, über das selbstverständliche Kastensystem. Eine weitere Komponente, die man als Leser einfach schlucken muss, damit das Weitere geschehen kann.

Die Krise entwickelt sich mit der Erkenntnis, dass die Besatzung der John Glenn mit den Kolonisten Sklaven erschuf, ohne Rechte, nur dazu da, der John Glenn die Weiterfahrt zu ermöglichen. Von Anfang an ist klar, dass sie auf einem Mond zurückbleiben würden, der ohne die technische Unterstützung des Schiffes nur allzu bald instabil wird.

Warum die Verantwortlichen des Schiffes solch inhumanen Plan überhaupt auf den Weg brachten, gelingt den Autoren nicht zu erklären. Denkbare Alternativen, etwa eine Vergrößerung des Schiffes oder gar der Bau eines zweiten, fehlen. Wie man es auch wendet, die unsinnigste Lösung wurde gewählt.

 

Nimmt man als Leser die diversen Randbedingungen aber als gegeben und stimmig hin, entwickelt das Experiment seine eigene Spannung. Diese ergibt sich in erster Linie aus der Frage, wie die Mondgeborenen ihre Freiheit erreichen werden. Offene Gewalt oder Diplomatie im Sinne von Gandhi, was hier in erster Linie als Gewaltfreiheit und nicht im Sinne des verständlicheren zivilen Ungehorsams interpretiert wird. Dieser Punkt, die Frage, warum die Unterdrückten überhaupt kooperieren, schwebt die ganze Zeit unbeantwortet über der Handlung.

Ein weiterer Trick der Inszenierung ist die Konzentration von Schicksalsschlägen auf die Hauptfigur. Rachel muss jede Menge erleiden, damit eine Reifung der Figur erklärbar wird. Ihre Führungsfähigkeit wird allerdings auch wieder als gegeben vorausgesetzt, ohne dass wir Wesentliches davon sehen. Die wenigen Szenen, in denen Rachel tatsächlich als Anführerin agieren darf, sind stark aufgesetzt - eben auch künstlich definiert.

 

Ähnlich als notwendige Bestandteile angelegt erscheinen die weiteren Korrektive und ihre Widerparts. Da ist die halbverrückte Alte, die durch ihre Außenseiterposition die Fehlentwicklung wahrnimmt. Da ist die Künstliche Intelligenz, die man aus Paranoia einschränkt und unterdrückt, sodass sie solidarische "Gefühle" zu den Mondgeborenen entwickelt und im engen Rahmen ihrer Programmierung opponiert. Und da ist die sture Sicherheitsbeauftragte, die meint zum Wohle aller tätig zu sein und doch nur unmenschlich wird.

Es gibt noch einige Nebenfiguren, etwa Gabriel, der etwas unmotiviert das Ende des Geschehens verpennt und der eigentlich zu einer intensiven Figur hätte werden können, wenn es darum gegangen wäre, eine stringente Geschichte zu erzählen.

Aber so steht die soziologische Untersuchung im Mittelpunkt, deren Scheitern oder Gelingen jeder Leser für sich selbst entscheiden muss.

 

Der Autorin ist zu wünschen, dass sie in ihrem nächsten Roman mehr Wert auf eine wahrscheinliche Handlung legt und unabhängig von prominenter Unterstützung besser wird. Denn so spannend eine rein futurologische Betrachtung auch sein kann, wer einen Roman verspricht, sollte auch mit entsprechenden Mitteln aufwarten.

 

Zur Aufmachung ist leider zu sagen, dass das Titelbild gar nichts mit dem Inhalt zu tun hat und auch die unterschiedlichen Größen der Autorennamen sind für den Verlag beschämend, erst recht, wenn man die tatsächliche Verteilung der Autorenschaft bedenkt.

 

Fazit:

Harlekins Mond ist auf jede Fälle ein Roman, über den es sich trefflich diskutieren lässt, ohne dass er eine herausragende Leistung ist. Die einen werden ihn öde finden, oder arg überinszeniert, andere werden die gesellschaftliche Untersuchung schätzen. Aber unabhängig davon, wie das Urteil ausfällt: Ein Roman, der den Leser so nachhaltig zum Denken auffordert, ist eine Empfehlung wert besonders für Futurologen. Soziologen allerdings könnten mit der Lektüre einige Probleme haben.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240426215921b630ad28
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Buch:

Harlekins Mond

Autoren: Brenda Cooper und Larry Niven

Original: Building Harlequin’s Moon, 2005

Übersetzer: Armin Patzke

Lübbe, Januar 2008

Taschenbuch, 669 Seiten

Titelbild: Jim Burns

 

ISBN-10: 3404243668

ISBN-13: 978-3404243662

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 19.04.2008, zuletzt aktualisiert: 05.04.2024 13:00, 6306