Herr der Zeit (Autor: Joe Haldeman)
 
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Herr der Zeit von Joe Haldeman

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Hochschulabbrecher Matt Fuller schlägt sich als einfacher Forschungsassistent am Massachusetts Institute of Technology durch. Als er sich gerade mit den Quantenbeziehungen zwischen Gravitation und Licht beschäftigt, verschwindet plötzlich sein Kalibrator - und taucht eine Sekunde später wieder auf. Und jedes Mal, wenn Matt den Reset-Knopf drückt, verschwindet die Maschine zwölfmal länger.

Nachdem er mit dem Kalibrator herumexperimentiert hat, kommt Matt zu dem Schluss, dass er nun in Besitz einer Zeitmaschine ist, mit der er Dinge in die Zukunft schicken kann - einschließlich einer Schildkröte, welche die Reise unbeschadet übersteht.

Mit einem Job ohne Zukunft und einer Freundin, die in wegen eines anderen Mannes verlassen hat, scheint nichts dagegen zu sprechen, dass Matt selbst eine kleine Zeitreise unternimmt. Also leiht er sich ein altes Auto, stopft es mit Essen und Wasser voll und landet in der nahen Zukunft - wo er wegen Mordes am Besitzer des Autos verhaftet wird, welcher tot umgefallen ist, als Matt direkt vor seinen Augen verschwunden ist. Die einzige Möglichkeit, der Mordanklage zu entgehen, besteht darin, weiter in die Zukunft zu reisen, bis er einen Ort in der Zeit findet, an dem er sich in Ruhe niederlassen kann. Doch was ist, wenn solch ein Ort gar nicht existiert?

 

Rezension:

Der Mantikore Verlag erwarb sich seine Meriten bisher eher mit Spielbüchern zu Rollenspielen. Herr der Zeit von Joe Haldeman stellt nun den Beginn einer Programmerweiterung dar. Mindestens ein weiter Roman von Haldeman wird folgen (Camouflage) sowie die Majipoor-Chroniken von Robert Silverberg.

 

Der Klappentext umreißt im Wesentlichen den Handlungsbeginn des Romans. Haldeman legt seine Figur des Zeitreisenden aber deutlich lakonischer an. Zunächst erscheint Matt wie der Inbegriff des lebensunfähigen Wissenschaftlers. Über seiner Arbeit bekommt er weder mit, dass seine Freundin sich nach einem anderen umschaute, noch dass sein Posten als Assistent unsicher ist.

Doch die zufällige Entdeckung, dass ein an sich unspektakuläres Instrument in der Zeit reist, verhindert jegliche Depression. Vielmehr wird Matts wissenschaftliche Neugier angestachelt und mit wunderbar inszenierter Logik und akademischer Korrektheit erweitert er seine Experimente, bis er schließlich selbst in die Zukunft reist. Zunächst nur in kleineren Schritten, die mit jedem Drücken des Reset-Knopfes seines Gerätes größer werden bis hin zu mehreren Jahrtausenden.

Allerdings weist ein seltsames Ereignis nach seinem ersten Wiederauftauchen darauf hin, dass jemand aus der Zukunft zurückgereist war um ihm zu helfen. Sollte es ihm gelingen, diese Veränderung der Zeitmaschine zu bewirken?

Sein zweiter Aufenthalt in der Zukunft zeigt ihm eine deutlich veränderte Welt. Offensichtlich hat sich eine Art Gottesstaat auf den Trümmern der Zivilisation entwickelt. Der Fortschritt ist einer bibeltreuen Lebensweise gewichen, die nur ganz wenige Aspekte des ihm bekannten modernen Lebens beibehalten hat. Aber immerhin kann er am MIT eine Professorenstelle annehmen ...

 

Genau diese Epoche ist der spannendste des Zeitmaschinen-Romans von Haldeman. Der zunehmende Erfolg von Kreationisten in den USA gibt durchaus Anlass dazu, sich einen zukünftigen Staat nach deren Fasson vorzustellen. Haldeman vermeidet aber jede grobe Diffamierung. Vielmehr skizziert er eine Gesellschaft, die zwar streng reglementiert lebt, aber dennoch einer Ethik gehorcht, die Gewalt und Verbrechen zu verhindern scheint.

Für unseren Zeitreisenden sind viele Aspekte des täglichen Lebens seltsam, er ist trotzdem problemlos in der Lage, sich anzupassen, vielleicht auch, weil er als Wissenschaftlich nicht Recht haben muss.

Absehbar ist die Entwicklung des Liebesbeziehung. Haldeman gibt sich keine große Mühe die Figur der Martha tiefer auszuleuchten. Sie steht für ein Kind ihrer Zeit, bibeltreu erzogen, dennoch voller Wissbegierde und experimentierfreudig. Ohne irgendwelche Traumata übersteht sie ihren ersten Zeitsprung, sie hat ja Matt an ihrer Seite.

Dieser weitere Zeitsprung über 2000 Jahre in die Zukunft bringt die beiden in eine dekadente Gesellschaft. Die Entwicklung der Menschheit ist in Statik erstarrt. Wodurch es praktischerweise auch recht leicht fällt, sich mit Matt zu verständigen. Auch hier legt Haldemann keinen großen Wert auf eine nachvollziehbare Ausgestaltung des Hintergrundes, vielmehr dient dieser Zwischenstopp dazu, eine weitere Figur einzuführen: La, eine KI.

Immer noch ist Matts Zeitmaschine die einzig funktionierende und so beschließt man zusammen, weiter zu ziehen, denn Matt geht davon aus, irgendwann zurückspringen zu können.

Der letzte Teil wird dann auch zunehmend esoterisch. In Ermangelung einer wirklich neuen Idee für die ferne Zukunft, zitiert Haldeman ältere Konzepte und bastelt recht lasch die Heimkehrmöglichkeit aus Standardelementen zusammen.

Ähnlich wie in Zurück in die Zukunft bringt der Umweg ins 19. Jahrhundert Ordnung in die Zeitschienen, wenn auch anders als gedacht.

 

Das es trotz der dünnen Handlung zu keiner Langeweile kommt, liegt an Haldemans eingängigem Stil, der Spannung ohne Knalleffekte aufbaut und den Leser mit fröhlichem Geplauder durch die Geschichte zieht.

 

Ergänzt wird der Roman mit einen kurzen Nachwort von Haldeman, sowie einem Interview, das er dem Mantikore-Verlag gab, das zwar nicht in die Tiefe geht, uns aber den Autor näher bringt.

 

Das Titelbild von Maximilian Jasionowski ist unaufgeregt und vermeidet die gängigen SF-Symbole. Lediglich die Farbgestaltung des SciFi-Roman Schriftzuges stört den Eindruck.

 

Fazit:

Herr der Zeit von Joe Haldeman ist ein leicht lesbarer SF-Roman, der mit Witz und Spannung aufwartet, ohne zu einem Referenzwerk der Zeitreisethematik werden zu wollen.

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Buch:

Herr der Zeit

Original: Accidental time machine, 2007

Autor: Joe Haldeman

Übersetzer: Alexander Kühnert

Taschenbuch, 310 Seiten

Mantikore-Verlag, 4. Juli 2012

Titelbild: Maximilian Jasionowski

Mit einer Anmerkung des Autors und einem Interview

 

ISBN-10: 3939212180

ISBN-13: 978-3939212188

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 16.08.2012, zuletzt aktualisiert: 05.04.2024 13:00, 12666