Hexenmacher von Andre Wiesler
Reihe: Die Chroniken des Hagen von Stein, Bd. 1
Rezension von Christel Scheja
Den meisten Lesern dürfte Andre Wiesler durch seine DSA- und Shadowrun-Romane bekannt geworden sein. Mit den „Chroniken des Hagen von Stein“ präsentiert er nun seine erste eigenständige Saga zwischen Horror, Fantasy und Historie.
Im frühen fünfzehnten Jahrhundert ist das Heilige Römische Reich deutscher Nation kein befriedetes Land unter der Herrschaft starker Könige und Kaiser. Eher im Gegenteil. Die Fürsten achten sehr wohl darauf, dass ihre Rivalen nicht zu viel Macht gewinnen und kämpfen mit allen Mitteln - Intrigen und Krieg um die Kronen.
Auch die römisch-katholische Kirche hat es nicht leicht. Das Schisma und die Wahl und Aufstellung von Gegenpäpsten hat sie geschwächt zurückgelassen, eine Spaltung droht und hat sowohl Ketzern als auch den absonderlichsten Sekten Tür und Tor geöffnet, wie etwa dem Reformator Jan Hus.
Als einzige Waffe gegen das sich immer weiter ausbrechende Chaos sehen die Kirchenoberen die Heilige Inquisition. Diese braucht aber nicht nur weise Richter sondern auch Kämpfer, die bereits sind alles für Gott zu geben.
In dieser Zeit wächst auch der junge Hagen von Stein auf. Noch ist er ein Herz und eine Seele mit seinem Ziehbruder Albrecht, doch das soll sich schon bald ändern.
Denn Hagen wird in ein dunkles Geheimnis eingeweiht, über das er nicht einmal mit seinem besten Freund sprechen darf. Er erfährt, dass er in Wirklichkeit ein Wariwulf ist - eine relativ unsterbliche Kreatur der Magie - ein Mensch, der sich in einen Wolf verwandeln kann.
Während er lernt mit der dunklen Seite seines Ichs umzugehen entfremdet er sich seinem Ziehbruder, so dass die beiden nach dem Ritterschlag schließlich getrennte Wege gehen und nach und nach sogar zu Feinden werden.
Auch wenn Hagen immer tief in eine Welt eintaucht, die von dunkler Magie und Zauberei erfüllt ist, so bleibt er doch seinem Glauben treu und weiß die christlichen Grundsätze mit seinem Wesen zu vereinen. Er kommt viel herum und dient verschiedenen Herren, neben einem König aber auch der heiligen Inquisition. Dabei hinterlässt er nicht selten eine blutige Spur, denn mehr als einmal wird er dazu getrieben, das Tier in sich zu erwecken...
Immer mehr zeigt sich dabei, das in nicht wenigen der Vorfälle Albrecht beteiligt ist - sein Bruder, der inzwischen ein heiliges und hochmagisches Relikt an sich gebracht hat, das ihn fast genau so mächtig und unsterblich wie Hagen macht: ein goldenes Kreuz.
Und genau dieses scheint fast fünfhundert Jahre später im Krieg einer geheimen kirchlichen Organisation gegen die Mächte des Bösen eine wichtige Rolle zu spielen. Es liegt in den Händen des jungen Gregor mit den Chroniken des Hagen von Stein die Geheimnisse des Artefaktes rechtzeitig zu erkennen ...
„Hexenmacher“ hinterlässt leider einen zwiespältigen Eindruck. Zwar spart Andre Wiesler nicht mit grusligen Schockeffekten, wenn der Werwolf in Hagen wieder einmal erwacht oder er selbst mit den dunklen Abgründen in den Seelen seiner Mitmenschen konfrontiert wird, und der Roman bietet eine atmosphärische Schilderung der spätmittelalterlichen Kulisse, die Handlung ist routiniert aufgebaut, actionreich und spannend bis zum Ende erzählt, aber es bleiben viele Dinge kryptisch und werden nicht erklärt.
Man erfährt weder, welche Ziele die Wariwulf und Hexen im Spätmittelalter haben, und warum sie mit der Inquisition gemeinsame Sache machen, noch wie die Geschehnisse im 15. Jahrhundert Einfluss auf die sehr fragmentarisch bleibende Rahmenhandlung der Jetztzeit haben.
So wirkt die Handlung des Romans in großen Teilen eher wie eine Familienfehde, wie ein tödlicher Bruderzwist aus der Zeit der niedergehenden Ritterkultur, der mit ein paar phantastischen Elementen versehen wurde, mehr aber nicht.
Ansonsten ist nicht viel an dem Buch auszusetzen. Es ist solide konzipiert, sauber recherchiert und die Figuren sind lebendig dargestellt, wenngleich die meisten auch nur auf wenige Charaktereigenschaften reduziert wurden und er hin und wieder auf klassiche Klischees zurück greift.
Andre Wiesler versteht es auf jeden Fall ein actionreiches Abenteuer zu schildern. Er begeht nur den Fehler, den umfassenden Kontext zu kryptisch anzudeuten und nicht so weit auszuarbeiten, dass man neugierig auf die kommenden Bände wird. Der Roman funktioniert auf der historischen Ebene, ihm fehlen aber entscheidende Elemente im phantastischen Überbau.