Rezension von Björn Backes
Inhalt:
Im Juni 1989 werden im Auditorium des Manybury-Colleges sechs zum Teil furchtbar entstellte Leichen entdeckt. Während der Sommerferien hat ein Serienkiller hier sein Unwesen getrieben, ist dabei jedoch derart auffällig vorgegangen, dass er bereits Tage später als Terry Burgos entlarvt, angeklagt und zum Tode verurteilt wird. Er selbst gibt zu, die Frauen auf dem Gewissen und rituell nach den Vorgaben eines Songtextes ermordet zu haben.
Bei der Urteilsvollstreckung acht Jahre später wird Paul Riley als der große Held jener Zeit gefeiert; der Anwalt ermittelte damals stellenweise auf eigene Faust und deckte den Fall in Windeseile auf. Doch in einem letzten Gespräch mit dem Angeklagten offenbart dieser ihm eine schreckliche Wahrheit mit den Worten Ich bin nicht der Einzige!
Im Sommer 2005 sollen sich Riley düstere Vorahnungen bestätigen: Eine weitere Mordserie erschüttert die Stadt und richtet sich nach der zweiten Strophe des alten Songs. Riley ermittelt erneut Undercover, muss sich dieses Mal jedoch den konservativen Cops unterordnen, die den Fall leiten. Dennoch ist es der Staranwalt, der mittlerweile in Diensten von Harland Bentley, dem Vater eines der 89er-Mordopfer, steht, der wieder direkt mit der Story konfrontiert wird. Und tatsächlich kristallisieren sich einige deutliche Zusammenhänge heraus, die jedoch auch für Riley erschreckend sind. Hat er damals den richtigen Mann an den Pranger gestellt, oder ist tatsächlich jemand völlig anderes, trotz der erdrückenden Beweislast, für die Morde an den Studentinnen und Prostituierten damals verantwortlich. Paul forscht immer intensiver im näheren Umkreis der Bentley-Familie und entdeckt in den Wirren der ersten Mordserie ein wachsend bruchstückhafteres Konstrukt aus Verrat, Lügen und Intrigen – und Wahrheiten, die sogar den selbstsicheren Riley vollends aus der Fassung bringen.
Rezension:
„In Gottes Namen“ – welcher interessierte Leser verbindet mit einem solchen Titel nicht gleich Verschwörungstheorien oder zumindest Thriller-Kost mit religiösen Motiven? Doch die Übersetzung des amerikanischen Originaltitels „Eye Of The Beholder“ ist an dieser Stelle völlig irreführend, da lediglich der besagte Song in der Geschichte einige Bibelzitate aufweist, die mit dem Verlauf der Story aber herzlich wenig zu tun haben. Daher vor der Erörterung des Inhalts schon mal deutliche Kritik an en Herausgeber. Schließlich könnte eine solche Verfehlung dazu führen, dass die eigentliche Zielgruppe an einem ziemlich genialen Roman vorbeizieht…
David Ellis, der auf dem Genre-Markt noch ein echter Neuling ist, hat nämlich mit seinem aktuellen Schriftwerk sein erstes echtes Meisterstück zusammengetragen, welches zwar grundsätzlich auf typischen Aspekten eines Psycho-Thrillers basiert, durch die intelligenten Story-Arrangements aber noch ein ganzes Stück weiter geht als die Standard-Geschichten im Serienkiller-Metier. Hierzu holt der Autor allerdings auch weit aus – manchmal gar zu weit – und versucht gerade zu Beginn, unheimlich viele Elemente in die Handlung einzubringen. Da wäre zum einen der Songtext, der im späteren Verlauf aber blitzschnell an Relevanz verliert, dazu die mysteriösen Verbindungen zwischen den Prostituierten und Studentinnen, die sich aus den ersten Attentaten ergeben, zahlreiche Flashbacks, in denen die Geschichte stellenweise parallel auf drei Ebenen weitererzählt wird, und nicht zuletzt die teils wirklich enorm gravierenden Wendungen, mit denen Ellis den Plot mehr als nur einmal völlig auf den Kopf stellt und ihm folgerichtig auch eine gänzlich unerwartete Richtung vorgibt.
Inhaltlich ist das Ganze echt massiv verschachtelt, trotzdem aber auch immens temporeich erzählt. Zwar verschwendet der Autor vergleichsweise viel Zeit für die Aufklärungsarbeit der ersten Mordserie, die de facto ja nur der Aufhänger für die aktuelle Story ist, liefert dabei aber so viele versteckte Informationen, die bei en späteren Ermittlungsarbeiten von Belang sind. Von der ersten Seite an kommt es direkt faustdick, was sich in den folgenden Kapiteln in steter Regelmäßigkeit fortsetzt, da die Entwicklungen der Handlung regelrecht überfallartig vorangehen, aber immer wieder auch genügend Freiräume zaubern, in denen Ellis bereits die nächste große Überraschung ausarbeiten kann. Insbesondere im letzten Drittel geht es dann Schlag auf Schlag; jeder ist verdächtig, in irgendeiner Weise in die Morde verstrickt zu sein, obschon die ausführenden Kräfte von Anfang an bekannt sind. Doch bei der Erarbeitung der Hintergründe tappt der Leser bis zuletzt im Dunkeln, muss sich ständig auf neue unglaubliche Fakten einstellen und wird sich schließlich doch immer wundern, wie plausibel und logisch alles scheint. Doch dank der Verschleierungstaktiken, die Ellis hier gekonnt und raffiniert einsetzt, um Story und Charaktere auch immer nur so große Entwicklungen zuzugestehen, dass die aktuelle Situation geklärt scheint, bleibt die Spannung bis zuletzt am Siedepunkt und zeichnet einen der wohl besten, anspruchsvollsten, mitunter aber auch heftigsten Psycho-Thriller der vergangenen Jahre.
Fazit:
Rasant, riskant und kunstfertig inszeniert: „In Gottes Namen“ ist ein kleines Meisterwerk im überlaufenen Psycho-Thriller-Genre und sollte den noch relativ unbekannten Autoren alsbald in der Spitzenriege des Metiers etablieren.