Reihe: Inferno
Rezension von Christel Scheja
Romane im Grenzgebiet zwischen Fantasy und Horror sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Dunkel, grausam, zuweilen auch pervers und brutal geht es in den Geschichten zu, in denen Wesen der Nacht oder Dämonen ihr Unwesen treiben und die irdische – zumeist die abendländische oder jüdische - Mythologie fröhlich auseinander genommen und neu zusammen gestellt wird.
Gefallene Engel und Dämonen vollbringen ihre düsteren Taten und die Menschen hänge als Opfer und Gefolgsleute irgendwo dazwischen.
Edward Lee ist einer der in Amerika beliebtesten und bekanntesten Autoren dieser Gattung, die man hier auch Dark oder Gothic Fantasy nennen wird.
Cassie Heydon muss miterleben, wie ihre Schwester Lissa zurst den untreuen Geliebten und dann sich selbst vor ihren Augen umbringt. Gequält von schweren Schuldgefühlen verbringt das Mädchen nach einem Selbstmordversuch mehrere Monate in einer Klinik, bis es zu seinem Vater zurückkehren kann.
Der ist inzwischen in ein abgelegenes Hinterwäldlerkaff gezogen, um alles zu vergessen. Cassie weiß nicht, was sie davon halten soll. Sie vermisst das Stadtleben, denn als Goth wird sie in der Provinz schief angesehen und ausgelacht.
Doch dann verändert sich ihr Leben. Via, Xeke und Hush, drei Punks treten in ihr Leben und erzählen ihr verrückte Dinge. Das Haus in dem sie lebt hat einmal einem Satanisten gehört, der junge Frauen entführte um sie fortwährend zu schwängern und die Neugeborenen dann Luzifer zu opfern. Zwar konnte man ihm auf der Erde Einhalt gebieten – aber in der Hölle ist er inzwischen ein Fürst. Das kann Cassie ihnen noch glauben, aber nicht, dass die drei eigentlich tot sind, und aus der Hölle flüchteten.
Doch üble Träume und handfeste Beweise belehren sie bald eines Besseren. Cassie ist nun bereit alles zu glauben und begleitet die drei neugewonnenen Freunde sogar auf einen Trip nach Mephistopheles, die Hauptstadt der Hölle. Denn sie möchte Lissa noch einmal wieder sehen und diese um Verzeihung bitten. Sie ahnt nicht, dass sie sich selbst damit in große Gefahr bringt, denn sie ist mehr als ein Mensch – ein Ätherkind, das die Ordnung der Hölle erschüttern kann.
Die Heimat der Dämonen und Teufel ist so wie man sie sich vorstellt: brutal, pervers, ekelhaft und gemein. Hier zählt nur wer sich am rücksichtslosesten durchsetzen kann, die meisten Menschenseelen haben einiges zu leiden und sind zu Spielbällen der Gelüste der Mächtigeren verkommen. Gute Karten hat nur, wer schon in seinem Vorleben alle Todsünden genüsslich auslebt. Aber auch die Menschen kommen nicht besser weg. In der Provinz leben Hinterwäldler, die alles Fremde verabscheuen, Muttersöhnchen, Spanner und Kriegsveteranen mit einem leichten Sachschaden. Sympathisch sind vor allem Cassie und ihre untoten Außenseiterfreunde Xeke, Via und Huff.
Edward Lee arbeitet in seinem Roman extrem mit Klischees und reiht sie genüsslich in einer Tour de Force aneinander, der satirische Unterton ist nicht zu überlesen. Der Autor möchte normale Leser ein wenig schocken, seine dem Goth zugeneigte Zielgruppe dürfte sich hingegen köstlich über alles amüsieren.
„Inferno“ ist anders als die Masse der Dark Fantasy Romane und sicherlich einen Blick wert, wendet sich aber vor allem an diejenigen, die der Schwarzen Szene nahe stehen. Der Roman weiß zu unterhalten und kurzweiliges Lesevergnügen zu verbreiten, nur die Tatsache, dass nicht alle Fragen am Ende geklärt werden, trübt es ein wenig. Der Autor schließt die Handlung zwar weitestgehend ab, macht aber auch neugierig auf die Fortsetzung, denn das soll nicht Cassies einziger Besuch in der Hölle bleiben.
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