Inner Chains (PC; USK 18)
 
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Inner Chains

Rezension von Cronn

 

Ich stehe in einer Höhle, deren Gewölbekonstruktion mich an zersetzendes Fleisch erinnert, das von mechanischen Kolben gehalten wird. Um mich herum liegen menschliche Schädel, daneben leuchten Kerzen. Etwas voraus sehe ich zwei Steintafeln.

Ich habe keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin und bemühe mich Orientierung zu finden. Langsam nähere ich mich den Steintafeln. Auf ihnen ist eine Hand als Symbol zu sehen. Ob ich wohl?

Ja, ich tue es.

Als ich meine Hand auf das Symbol lege, fühlt sich der Stein warm an und beginnt zu glühen. Auf der rechten Tafel erkenne ich ein »M«. Ich sehe hoch, erkenne eine Inschrift mit unbekannten Zeichen. Nur das »M« kann ich nun entziffern. Aha, denke ich mir, auf diese Weise lerne ich also Buchstaben in dieser fremden Welt.

Nebenan erblüht eine merkwürdige Blume. Sie scheint aus glühenden Fasern zu bestehen. Als ich sie berühre, sondert sie Blütenstaub ab, den der Wind in eine Richtung weht. Ob das etwas zu bedeuten hat?

Ich folge dem Staub eine Treppe hinauf zu einem Ausgang aus dem Höhlensystem. Plötzlich wächst eine Art Riesenkäfer aus der Wand. Er hat ein Gehirn im Bauch und eine gepanzerte Schädeldecke. Panisch schlage ich auf ihn ein, aber er ist unverwundbar und will mir auch gar nichts zuleide tun. Doch was ist seine Funktion? Ich habe keine Ahnung.

Also trete ich an ihm vorbei nach draußen und werde vom Anblick geradezu erschlagen. Vor mir breitet sich eine bizarre Welt aus. Felsformationen wie riesige Knochen, dazu seltsame Blumen, die Organen ähneln. Nebel wabert darüber. Weit im Hintergrund ist ein metallischer Turm zu sehen, der Rauch absondert. Ist das mein Ziel?

Ich laufe los, wandere an Sektenjüngern vorbei, die einem bizarren Kult zu folgen scheinen. Niemand spricht ein Wort. Ich laufe weiter.

Plötzlich stolpere ich über eine Waffe, nehme sie auf. Sie sieht aus wie ein lebendes Wesen und verschießt Blitze. Endlich bin ich nicht mehr wehrlos. Es fühlt sich gut an, obgleich mir bislang niemand ein Leid angetan hat. Aber ich bin nicht mehr so ohnmächtig.

Da versperrt eine Sensenpflanze mir den Weg, will mich attackieren. Ich schieße mit der Blitzwaffe darauf, die Pflanze erzittert und ich kann passieren.

Interessant, denke ich mir. Mal sehen, was noch so alles auf mich wartet.

 

Inner Chains heißt der Titel des Entwicklerstudios Telepaths Tree, der nun veröffentlich wurde. Als Kickstarter-Kampagne wurde das Spiel losgetreten und hat mit Eurovideo demnächst auch einen Offline-Release-Partner gefunden. Die Entwickler aus Warschau sind keine unbekannten in der Branche, haben z. T. schon für People Can Fly gearbeitet. Doch worum geht es eigentlich in »Inner Chains«?

 

Hintergrund:

Der Anfang verwirrt mehr, als er erhellt. Eine cinematische Anfangssequenz bombardiert den Spieler mit apokalyptischen und mittelalterlichen Bildern, spricht vom Kampf gegen ein mysteriöses »Es« und eine »Hydra«. Konkreter wird es allerdings nicht, sondern verbleibt im Nebulösen.

Auch die ersten Spielstunden wirken merkwürdig offen, ohne Storyhappen. Der Spieler muss sich seine eigene Story erspielen und mittels der Spielwelt mit Inhalt füllen.

Das ist ziemlich verworren und unbefriedigend. Der Kampf gegen die Gegner fühlt sich daher perspektivlos an. Auch das Entziffern von mehr und mehr Buchstaben sorgt für wenig Klarheit beim Lesen der Steintafeln, da man lange im Spielverlauf braucht, um alle notwendigen Buchstaben zu finden.

 

Gameplay:

»Inner Chains« verläuft nach einem gleichen Muster: Der Spieler durchstreift die Level und sucht die durch Energiewände versperrten Räume und Gänge zu öffnen, indem er Schalter betätigt. Dabei stehen ihm Gegner im Weg, die er entweder umgeht oder mittels einer der biomechanischen Waffen erledigt.

Die Maps sind recht linear angelegt. Es gibt nur wenige Verzweigungen, die aber wieder auf den Hauptweg zurückführen.

Das Gegnerdesign reicht von bizarr bis einigermaßen gewöhnlich. Letzteres sind die Standardgegner im Spiel, die dem Spieler recht langsam wie Zombies entgegentorkeln. Es gibt noch eine schnellere Variante, die mit ihrem schwankenden Hüpfen fast schon lustig wirkt. Sektenanführer sind Mini-Bosse, sehen aber unspektakulär aus. Gefallen können die Sichelpflanzen, die beim Triggern eines bestimmten Radius zuschlagen. Auch die Pflanzen, die an der Decke hängen und den Spieler nach oben ziehen, können gefallen – sie erinnern an die Hängefresser aus Half Life.

 

Grafik und Sound:

Die beste Seite von »Inner Chains« ist sicherlich die Grafik. Unter Verwendung der Unreal-4-Engine haben die Macher von Telepaths Tree sich von H. R. Giger inspirieren lassen. Die Umgebung ist als Mischung von mechanischen und biologischen Elementen dargestellt. Zusammen mit einer stimmigen Ausleuchtung wirken die Maps in ihren besten Momenten tatsächlich so, als seien sie einem Set von Alien entsprungen. Auch die Schalter, die als menschliche lebende Schädel designt sind, passen in das Setting. Und die merkwürdigen fleischlichen Aufladestationen und Kameras ebenso. Das schafft viel Atmosphäre.

 

Im Soundbereich haben sich einige Design-Schnitzer ergeben. So hört sich das Schlagen mit der Faust manchmal an wie ein Ricochet-Sound einer abprallenden Kugel. Auch haben die NPCs teilweise keine eigenen Sounds, wirken dadurch in der Spielwelt nicht verortet. Der Rest aber ist passend mit Sound unterlegt.

Bei der Musik ist anzumerken, dass das atmosphärische Grundrauschen sehr schnell langweilig wird. Auch die bei Kämpfen einsetzende Musik wiederholt sich permanent und erkennt auch nicht sofort, dass der Kampf vorbei ist, sondern dudelt munter weiter. Das stört die eigentlich stimmige Atmosphäre.

 

Fazit:

»Inner Chains« hat genug Potential, um den Spieler zu locken, der sich mit Horrorgames beschäftigt. Das Design der Umgebung mit all den Anleihen bei H. R. Giger vermag ebenso dazu beizutragen, wie das adventuremäßige Absuchen der Level.

Aber zuviele Macken trüben den Spielspaß. Die nur ansatzweise vorhandene Story ist da nur ein Aspekt unter mehreren. Bugs und Glitches gibt es immer wieder. Das Gameplay ist redundant, wiederholt sich. Schade, dass unter der ansprechenden Oberfläche von »Inner Chains« zu wenig innovatives Spieldesign steckt.

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PC-Game:

Inner Chains

Telepaths Tree / Eurovideo, 21. Juni 2017

FSK: 18

 

ASIN: B072J5G4Y6

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 01.06.2017, zuletzt aktualisiert: 14.04.2024 08:35, 15709