Interview: 7 Fragen - 7 Antworten : Boris Koch - alltägliche Horrorsatiren
 
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7 Fragen - 7 Antworten : Boris Koch - die alltägliche Horrorsatire

Redakteur: Michael Schmidt

 

Fantasyguide: Hallo Boris. Stell dich doch unseren Lesern mal vor!

 

Boris Koch: : Einfach so? So wie auf einer dieser hektischen Partys, wo der Gastgeber einen zur Tür herein zerrt, sich die Jacke grabscht, einen zu einer herumstehenden Gruppe mit Weingläsern in der Hand zerrt und dann sagt: „Boris, schau, das sind die Leser. Und, Leser, das ist ...“ Und dann klingelt es wieder an der Tür, und er rennt weg und sagt: „Ich muss, ich muss, macht euch einfach selbst bekannt!“ Man steht da und sagt: „Hallo, ich bin der Boris.“ Alle schauen einen an und nicken, bis schließlich einer fragt: „Und? Was machst du so?“ Und weil man Durst hat, sagt man nur kurz: „Ich such den Ort, wo es den leckeren Wein gibt.“ Man geht in die Küche, findet glücklicherweise auch Bier, sogar gekühltes, und ist froh, um die Vorstellung herumgekommen zu sein, weil man nie weiß, wie man sich selbst in drei Sätzen zusammen fassen soll. Und dann geht man wieder raus und stellt sich den weiteren Fragen ...

 

Fantasyguide: Die meisten Leser kennen dich vermutlich durch deine Kurzgeschichten. „Dionysos tanzt“ und „Der Tote im Maisfeld“ erschienen neben Sammlungen zusammen mit Christian von Aster in der Edition Medusenblut. Wie würdest du deine Geschichten dort charakterisieren?

 

Boris Koch: : Als hoffentlich abwechslungsreich; ich finde es schwer, sie alle auf einen Nenner zu bringen: Es gibt Texte wie die fiktive Kindheitserinnerung „Der Tote im Maisfeld“, die eine bestimmte Sommerstimmung heraufbeschwören und mit der Möglichkeit des Übernatürlichen spielen, eine längere Zombie-Geschichte im Studentenmilieu, dann die nicht einmal zwei Seiten kurze Groteske „Monoleben“ oder bizarres Alptraumhaftes oder Surreales wie „Lesen bildet“ oder „Die Knochenfrau“. Vielleicht am ehesten gemein ist den Erzählungen die Verankerung in der Realität, auch wenn diese teils durch phantastische und groteske Elemente verfremdet und verzerrt ist. Zumindest die meisten Geschichten beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten unseres Lebens, vor allem des Zusammenlebens Einzelner, mit Freundschaft, Liebe, Begehren, Besessenheit, ... Aber auch gesellschaftspolitische Themen wie z.B. Privatsphäre und staatliche Überwachung spielen eine Rolle, Krieg, Religion, Suche nach Freiheit, alles, was mir real, in der Zeitung oder sonstwo begegnet. Doch in den Büchern gibt es auch einfach nur absurde Texte wie die „Posträuber vom Mars“, von dem her ... Wie gesagt, ich hoffe, sie sind abwechslungsreich.

 

Fantasyguide: Im Festa Verlag erschien „Der Mann ohne Gesicht“, bei Eloy „Der adressierte Junge". Was erwartet den Leser bei diesen Sammlungen?

 

Boris Koch: : „Der Mann ohne Gesicht“ versammelt 100 moderne Sagen – urban legends -, die von mir ausgewählt und nacherzählt wurden. Und zwar die eher weniger netten, die BILD-Zeitungs-tauglichen mit der (meist) bösen Pointe. Während „Der adressierte Junge“ wieder Erzählungen enthält, die ich mir selbst ausgedacht habe. Prinzipiell trifft auf sie das zu den anderen Sammlungen Gesagte zu, im speziellen handeln die fünf Erzählungen von einem Okkultisten, der den Tod mittels Magie überlisten will, einem Jungen, der von seinem Vater die Adresse eines kanadischen Piraten in die Stirn geritzt bekommt, einer Liebeserklärung an das Meer in Form einer Griechenlandreise, einer Insel, auf der jeder am Boden festgenagelt ist, und der längeren Erzählung „Die Mutter der Tränen“, wo es um den Verlust eines geliebten Menschen geht.

 

Fantasyguide: Deine Geschichten erschienen einmal in Sammlungen deines eigenen Verlages, dann aber auch bei Festa und Eloy. Wie kam es zu diesem Wechsel?

 

Boris Koch: : Ganz einfach: Weil die beiden Verlage mich gefragt haben, ob ich Lust hätte, das jeweilige Buch zu machen, und ich hatte Lust ...

 

Fantasyguide: Deine Kurzgeschichten in „Dionysos tanzt“ sind ziemlich freche Horrorgeschichten, die - lässt man den phantastischen Teil weg - auch als Alltagssatire bestehen können. Dein neuestes Werk ist aber ein Shadowrun-Roman bei Fanpro. Wie vereinen sich diese doch recht unterschiedlichen Arten von Geschichten? Was macht den Boris Koch-Faktor aus?

 

Boris Koch: : So unterschiedlich finde ich die beiden Ansätze gar nicht. Ein Kinderbuch ohne phantastische Elemente oder ein Theaterstück, das im siebzehnten Jahrhundert spielt, das wäre ein weiter Schritt von „Dionysos tanzt“ gewesen. Aber auch ein solcher Schritt hätte zum „Boris-Koch-Faktor“ gepasst, wie du es so schön nennst. Ich möchte unterschiedliche Genres und Medien nutzen, um meine Geschichten zu erzählen, ich möchte alles mögliche ausprobieren. Einfach, weil es interessant ist, weil sonst zu schnell die Gefahr besteht, mich zu wiederholen, und weil mir alles mögliche durch den Kopf geht, die Ideen halten sich nicht an Genregrenzen. Auch wenn ich mich bei dem Shadowrun-Roman natürlich an gewissen Vorgaben zur bestehenden Gesellschaft und der in dieser Welt existierenden Technologie und Magie halten musste, und auch nicht nebenbei einen Atomkrieg anzetteln konnte, durfte ich mich doch sehr frei entfalten: Es geht um einen Jungen, der in der klinischen Welt seiner Eltern – brave Angestellte eines großen Konzerns – nicht zurecht kommt. Der von einer romantischen Freiheit auf der Straße träumt, bis er feststellen muss, dass es im Untergrund nicht so nett zugeht wie seine Lieblingsserien ihm erzählt haben. Hier – oder in der Welt von Shadowrun überhaupt, wie Christian Riesslegger gerade erst großartig gezeigt hat – bietet sich viel Raum für die von dir genannten „Alltagssatiren“ oder Grotesken wie einer Wolpertingerjagd in den Alpen.

 

Fantasyguide: Erzähl uns doch mal von dem Buch „Der Schattenlehrling“. Worum geht es da und was bietest du dem Shadowrunleser neues? Warum darf er sich auf deinen Einstieg freuen?

 

Boris Koch:: Wie gerade angerissen, geht es um einen dreizehnjährigen Ausreißer, der sich ein freies Leben im Untergrund erträumt. Er will sich mit dem Geld, das er Papa geklaut hat, bei erfahrenen Shadowrunnern – Kriminellen, die sich für diverse Aufträge anheuern lassen – eine „Lehre“ erkaufen, und trifft bald auf drei Runner, die ihn auszubilden versprechen. Dummerweise hat er bei seiner Flucht nicht nur Papas Geld mitgenommen sondern auch einen Credstick, hinter dem ein mächtiger und skrupelloser Mann ganz dringend her ist ...

Was ich dem Shadowrun-Leser Neues biete? Ganz banal gesagt: Einfach eine neue Geschichte in der vertrauten Welt, zudem ist es der erste Roman, der vor dem neuen Hintergrund der 4. Edition spielt und damit in den 2070er Jahren. Der Roman enthält auch eine mehrseitige Nacherzählung der antiken Theseus-Sage aus dem Mund eines Runners, das dürfte einigermaßen „neu“ sein. Ansonsten biete ich, was jeder neue Autor bietet: Einfach eine neue, eigene Art zu erzählen. Von der ich hoffe, dass sie den Lesern gefällt. Oder zumindest einigen, allen kann man bekanntlich eh nicht gefallen.

 

Fantasyguide: Letzte Frage. Was macht der Autor Boris Koch, wenn er keine bösen kleinen Geschichten schreibt?

 

Boris Koch: : Böse große Geschichten schreiben, zum Beispiel, oder Fragen beantworten ... Ansonsten Fußball spielen oder in einer Kneipe Fußball gucken, ins Kino gehen oder Freunde treffen. Viel lesen, die Verlagsarbeit für Medusenblut und Redaktionsarbeit für Mephisto erledigen, neue Projekte planen und in der Berliner Otherland-Buchhandlung Bücher verkaufen. Quer durch Deutschland fahren für Lesungen, Messen und Cons. Zudem bin ich manchmal - jedoch viel zu selten - im Stadion, auf Konzerten und in Museen. Und verbringe – nicht zuletzt – Zeit mit meiner Freundin.

 

Fantasyguide: Wir bedanken uns für das interessante Gespräch und wünschen dir für die Zukunft alles Gute.

 

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Erstellt: 25.07.2006, zuletzt aktualisiert: 14.03.2019 17:45, 2592