Redakteur: Michael Schmidt
Guido Latz - Verleger des Atlantis-Verlag. Der Atlantis-Verlag begeistert die Leser aus dem Bereich Fantasy und ScienceFiction immer wieder mit neuen sehr guten Romanen. Mit Titeln wie z.B. Genotype, MacLachlan und Ikarus weiß Guido Latz sehr gut den Geschmack der Leser zu treffen. Wir haben Guido Latz einige Fragen zu seiner Person und zu den Zielen des Atlantis-Verlag gestellt.
Hier nun ein paar Antworten von Gudio Latz auf unsere Fragen:
Michael Schmidt: Hallo Guido, es würde uns freuen, wenn Du dich unseren Lesern einmal kurz vorstellen würdest.
Guido Latz: Ich bin Jahrgang 1970, von Beruf Konditor, derzeit aber nach einem Crash-Kurs als Bäcker in einer regionalen Vollkorn-Bäckerei angestellt. Ich denke, das war kurz genug. Zu den wichtigen Fragen ;-)
Michael Schmidt: Als Nachfolger von Stefan Bayerl übernahm ein gewisser Guido Latz die Herausgabe des Professor Zamorra Fanzine „Merlins Stern“. War das dein Einstieg und Beginn als Herausgeber? Gerade in Bezug auf „Merlins Stern“, wie haben sich die Zeiten im Fandom verändert? Siehst du dich eher als Amateur oder Profi?
Guido Latz: Den Posten habe ich ja zusammen mit Timothy Stahl und Peter Roegner übernommen; komischerweise ging es dann erst wirklich weiter, als Robert Hiller und Andreas Huber hinzustießen.
Unsere erste Ausgabe war MERLINS STERN 6. Keine Ahnung, wann dieser Band erschien, aber da Werbung für JOHN WEST 7 drin ist, war ich zu dem Zeitpunkt schon definitiv als Verleger aktiv.
Das muss 1990 gewesen sein. Ins Fandom kam ich im April 1985. Schon 1988 leitete ich den ersten Club und für kurze Zeit leitete ich den „Weird Fiction Club Lovecrafts Erben“.
Das Fandom gibt es heute nicht mehr in der Form, wie es damals existierte. In den frühen, aber auch noch in den späten 80ern gab es „tausende“ von Horror-Clubs. Meist viermal im Jahr erschien ein Clubmagazin, hergestellt im Kopierverfahren, mit all dem was man heute im Internet findet: News, Stories, Zeichnungen.
Das hat sich quasi alles ins Internet verlagert. Was früher z.B. die „fantasticreaderNews“ von Olaf Menke waren ist heute phantastik.de, frühere „Ego-Zines“ sind heute halt Websiten im Netz. Publiziert werden heute eigentlich nur noch Romane, Anthologien und Serien wobei man sich moderner Techniken bedient.
Was hat sich noch geändert? Die Leser, die Konsumenten sind vielleicht heute andere. Viele haben sich im Laufe der Zeit naturgemäß anderen Interessengebieten zugewandt.
Aber bei den Aktiven stößt man doch heute überwiegend auf die gleichen, wie in den 80ern. Natürlich kamen neue hinzu, aber ein Großteil der heute Aktiven tummelt sich ja schon länger in der Szene.
Amateur oder Profi? Wenn ich nur die beiden Alternativen zur Auswahl habe, nehme ich den „Profi“. Lass es mich mal so formulieren. Ich versuche mit meinen bescheidenen Möglichkeiten, möglichst gute Bücher anzubieten um den Fans eine Ergänzung oder gar Alternative zu den Programm der großen Verlage zu bieten.
Michael Schmidt: Man hört, der Atlantis-Verlag ist eine One-Man-Show. Wie schaffst du das? Lohnt sich das Engagement finanziell oder ist es eher ein arbeitsintensives Hobby? Wirst du dir irgendwann Verstärkung ins Boot holen?
Guido Latz: In dem Sinne, dass hier vor Ort nur ein Mann sitzt: ja, Atlantis ist eine One-Man-Show.
Aber ein Verlag ist nur so gut, wie seine Autoren und Zeichner. Ein solches Unternehmen funktioniert nur, wenn man sich auf Team-Arbeit einzulassen bereit ist.
Wie wir das schaffen? Wir haben ein Ziel, und reißen uns dafür den Arsch auf...
Die Ansicht, mit wenig Aufwand den Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen hat der Wilbert Verlag vertreten. Das war der Verlag, der erst 10.000 Hefte und später 5000 Paperback drucken und verkaufen wollte.
Das, was wir machen ist sicher arbeitsintensiv und davon Leben ist natürlich auch nicht drin, da der Verlag ja nur einem begrenzten Kundenkreis bekannt ist. Ich bin aber stolz darauf sagen zu können, dass wir kein Geld verpulvern, nicht kurz vor dem Bankrott stehen und wir kein Lager mit zigtausend von Titeln im Hinterhof lagern.
Es gibt verschiedene Wege, um ans Ziel zu kommen. Ob unser Weg der richtige ist, wird die Zeit zeigen. Die, die den anderen Weg gegangen sind (viel Geld investieren um am Ende mit vollen Lagern und tiefroten Zahlen heulend in der Ecke zu sitzen) sind aber wieder so schnell vom Erdboden verschwunden, wie sie aufgetaucht sind.
Michael Schmidt: Dämonenjäger MacLachlan ist eigentlich ein Online – Fanprojekt. Wie kamst du zu der Idee, diese Serie zu verlegen? Was dürfen wir von der Serie noch erwarten?
Guido Latz: Die Erklärung ist einfach: ich habe unter Ferry van Eyk selbst Stories für die Online-Serie geschrieben, bin also quasi von Anfang an dabei gewesen.
Von da war es nur ein kurzer Schritt zur Printversion. Im Moment läuft die Serie im Paperback-Format.
Mit dem neuen Titelbildzeichner (Emmanuel Henné) sind wir einen gehörigen Schritt voran gekommen, wie ich denke. Die Romane werden zukünftig ein Stück länger, wir wollen noch mehr von den doch eher als Kurzgeschichten zu bezeichnenden Werke, die früher online standen, auf „richtige“ Romanlänge kommen. Die Homepage (www.maclachlan.de) soll im Laufe der nächsten Wochen aufgepeppt werden, so dass wir spätestens Ende dieses Jahres auch hier mit dem Stand der Dinge erst mal zufrieden sein dürften.
Michael Schmidt: Rettungskreuzer Ikarus ist eine von vielen SF-Serien in der Kleinverlagsszene. Worin würdest du das besondere bei dieser Serie sehen? Welche Inhalte behandelt sie und wo sind die Unterschiede zu Ren Dhark und Raumschiff Promet?
Guido Latz: Die Verlage, die TITAN bzw. REN DHARK verlegen sind schon eine Nummer größer, man sollte hier also zumindest diese drei Serien nicht in einen Topf werfen.
REN DHARK lese ich seit Beginn des letzten Zyklus nicht mehr, die neuen TITAN-Abenteuer kenne ich nicht (wohl aber die alten„Promet“-Hefte).
Mein Anspruch, den ich 1999 für eine SF-Serie stellte, die ich ins Programm nehmen würde, wurde erfüllt. Dazu gehört sicher auch Action. Raumschlachten sind was Geiles, es muss krachen. Aber SF ist mehr, als das was es in den 60er und 70ern in den Heftserien gab. Humor und zwischenmenschliche Beziehungen (ja, es gibt Frauen in der Serie!) gehören auch dazu. Ein weiterer Trumpf, den Ikarus bietet: das unschlagbare Autoren-Team. Hier fahren die Autoren ihren PC nicht hoch, weil sie die Dollar schon vor ihrem geistigen Auge sehen, sondern weil ihnen das Konzept gefällt und sie eigene Ideen einbringen können. Irene Salzmann, Sylke Brandt, Martin Kay und Dirk van den Boom haben ein Feuer in sich brennen, dass sich beim Schreiben entlädt und das man beim Lesen spürt.
Michael Schmidt: Neue Serien werden meistens von einem gemischten Autorenteam geschrieben, in denen mindestens ein gestandener Autor vertreten ist. Genotype ist da eine Ausnahme. Ist das ein Risiko? Was dürfen wir von Genotype erwarten? Und wie sind die Reaktionen der Leser?
Guido Latz: Die Reaktionen sind durchweg gut. Keine Startausgabe aus dem Hause Atlantis kam bei Kritikern und Lesern so gut weg, wie „Die Herde“.
„Gestandener Autor“? Was ist das? Nein, ich unterscheide nur zwischen „gut“ und „schlecht“ und die Entscheidung wer gut und wer schlecht, wer „brauchbar“ ist und wer nicht – die treffe ich. Wenn man einen „gestandenen Autor“ im Team hat, sagt das nichts über die abgelieferte Arbeit aus. Was nutzt ein Name auf dem Papier, wenn mir das, was Martin Hoyer zu Papier bringt, besser gefällt?
Michael Schmidt: Du hast Harry Holt von Earl Warren im Programm. Wo liegt der Unterschied, wenn man mit einem gestandenen Autor zusammenarbeitet? Ist Harry Holt auf Grund seines Bekanntheitsgrades ein Zugpferd? Und ist Earl Warrens Erfahrung hilfreich für dich?
Guido Latz: Da gibt es eigentlich keinen Unterschied.
Natürlich hat Earl Warren mit über 770 veröffentlichten Romanen und seinen aktuellen Arbeiten für „Jerry Cotton“ oder „Professor Zamorra“ mehr Erfahrung, als die anderen Atlantis-Autoren vermutlich zusammen.
Das ist aber eher zweitrangig bei einer Zusammenarbeit. Es kommt auf die Chemie zwischen Verleger und Autor an.
Natürlich war und bin ich ein Fan von Walters Romanen, egal ob wir jetzt von Romanen z.B. für den „Gespenster-Krimi“ oder seinen „Dämonenkiller“-Romanen reden. Seine „Dämonenkiller“ 174 und 175 finde ich heute noch Weltklasse.
Als es mit der Fortsetzung von „Harry Holt“ nicht so recht voranging weil Schreiben UND Verlegen halt eine Menge Zeit in Anspruch nimmt, ergab es sich nach einem „Testlauf“ mit seinem Verseschmiede-Projekt, dass der Harry bei Atlantis fortgeführt wurde.
„Harry Holt“ ist natürlich eine ungewohnt „wilde“ Mischung. Grusel und Fantasy gemischt mit einer Prise Humor, die sich so leicht in keine Schublade stecken lässt und wie es scheint in erster Linie die wohl älteren Sammler erreicht.
Michael Schmidt: Die meisten Verlage haben Kurzgeschichtensammlungen im Programm. Du nicht. Warum?
Guido Latz: Weil ich nur das verlege, was ich als Leser auch kaufen und lesen würde. Und dazu gehören Anthologien nun mal nicht. Ich bin ich der Meinung, dass Anthologien nicht gefragt sind, sich nicht verkaufen lassen. Natürlich kenne ich die einschlägigen Foren, wo besonders Nachwuchsautoren anderer Ansicht sind und Ausschreibungen fordern. Und es ist sicher so, dass diese Autoren bereit sind, von einer Anthologie in der sie vertreten sind, ein paar Bücher selbst zu kaufen um sie z.B. zu verschenken. Nimm zehn Autoren, jeder nimmt zehn Stück ab und schon hast Du 100 verkaufte Exemplare.
Kann man machen. Muss man aber nicht.
Man sollte aber nie nie sagen, vielleicht kommt doch eines Tages mal eine Anthologie. Aber dann muss mich auch das Thema reizen und die Auswahl der Autoren überzeugen.
Michael Schmidt: Du hast ausschließlich deutsche Autoren im Programm. Wird das so bleiben? Werden neue Autoren dazu stoßen?
Guido Latz: Die Schweiz ist noch eigenständig, soweit ich weiß ;-)
Aber ich weiß, was Du meinst. Übersetzungen kosten aber Lizenzrechte, die Übersetzungen natürlich auch. Da ich keine englischsprachigen Bücher lese, habe ich natürlich auch keinen Überblick, was gerade in England oder den Staaten für Furore sorgt.
Wenn, dann würde ich auch eher dahin tendieren vergriffene Titel neu auf zu legen. Hier hat man natürlich immer eine Liste vor seinem geistigen Auge, auf die man hin zu arbeiten versucht.
Als Verleger hält man natürlich immer Kontakt zu vielen Autoren, und auf bestimmte Romane ist man natürlich schon „scharf“, will sie unbedingt verlegen.
Spruchreif ist aber im Moment noch nichts.
Michael Schmidt: Die meisten Verleger sind selbst Autoren. Wie sieht es bei dir aus?
Guido Latz: Ich habe die ein oder andere Story zu MacLachlan beigesteuert. Dazu vielleicht zwei Kurzgeschichten, die sogar veröffentlicht wurden in Fanzines in den frühen 90ern. Mir fehlt es aber an Inspiration und erst Recht an Willenskraft, die Ideen niederzuschreiben.
Michael Schmidt: Was dürfen wir in Zukunft vom Atlantis-Verlag erwarten? Wirst du dich auf das jetzige Programm konzentrieren oder werden neue Serien dazu kommen? Steht eine Serie auf der Kippe?
Guido Latz: Das Ziel muss es wirklich erst mal sein, dass die vier laufenden Serien regelmäßig und in einer guten Qualität erscheinen. Das ist Arbeit genug.
Darüber hinaus sind höchstens noch Einzelromane möglich, ähnlich wie Martin Kays „Tag der Offenbarung“ oder Stefan T. Pinternagels „Fragmente“. Christian Daber arbeitet im Moment am „Larry Brent Lexikon“.
Eine weitere Serie kann ich mir nicht vorstellen im Augenblick.
Auf der Kippe steht keine Serie. Einfach deshalb, weil Atlantis das Print-on-demand-Verfahren nutzt und keine hohen Auflagen fahren muss.
Michael Schmidt: Wie würdest du die Stellung des Atlantis-Verlages in der Kleinverlagsszene beurteilen?
Guido Latz: Das kann ich natürlich nur bedingt beurteilen. Vor allem möchte ich nicht unbedingt an dieser Stelle dazu Stellung nehmen. Man hat natürlich eine Meinung von seinen Titeln und vergleicht sie mit denen aus anderen Verlagen.
Mir geht es weniger darum, welche „Stellung“ der Verlag einnimmt Mir kommt es darauf an, dass die Veröffentlichungen gut ankommen. Dass ein Leser beispielsweise einen „Harry Holt“ kauft, liest – und am Ende denkt: „Mist, jetzt muss ich warten, bis der nächste Band erscheint, damit ich weiß, wie es weitergeht!“. Darauf kommt es mir an.
Michael Schmidt: Du bist ja schon lange in der Szene aktiv. Autoren und Fandomler kommen und verschwinden. Gibt es Leute, die du vermisst? Haben sich durch deine Aktivität richtige Freundschaften ergeben?
Guido Latz: Spontan fallen mir keiner ein, der früher dabei war, und der heute als „verschollen“ gilt. Die meisten kommen eh immer wieder. Andreas Huber z.B. feierte 2002 seine Auferstehung.
Freundschaften entstehen in der Szene, wie im richtigen Leben. Die Szene, das Fandom, ist keine Welt für sich, sondern ein Teil des Alltags.
Michael Schmidt: Wenn du mal träumen dürftest, was würdest du dir für die verlegerische Zukunft wünschen?
Guido Latz: Natürlich hat man bestimmte Vorstellungen, wie die Zukunft von Atlantis aussehen könnte.
Meiner Meinung nach ergibt sich vieles, wenn man nur hartnäckig und gut dafür arbeitet. Wenn ich die Titel, die jetzt erscheinen mit denen vergleiche, die noch vor zwei Jahren erschienen sind, sind wir einen Schritt weitergekommen. Von der Verarbeitung und der Aufmachung her sind sie durch die Bank topp, über den Inhalt kann man wegen unterschiedlicher Geschmacksrichtungen immer diskutieren.
Ich würde mir wünschen, dass Leser sich erst ein Urteil über das Programm eines kleinen Verlages bilden würden, ehe sie urteilen, dass sie nicht alle in einen Topf werfen würden.
Michael Schmidt: Hast du neben deinem Engagement beim Atlantis-Verlag noch weitere Aktivitäten in der Szene?
Guido Latz: Ich bin Redakteur bei phantastik.de, und betreue die Seiten der John Sinclair Fanzentrale, außerdem bin ich Redakteur beim „Geister-Schocker“. Ich hoffe, ich habe jetzt nichts vergessen...
Michael Schmidt: Gibt es in der Kleinverlegerszene eine Zusammenarbeit oder kocht jeder sein eigenes Süppchen?
Guido Latz: Man steht immer dem einen Kollegen näher als dem anderen.
Das ist nicht anders, wie bei einer Zusammenarbeit mit den Autoren. Man muss halt irgendwo auf einer Wellenlänge liegen.
Einen zum Teil regen Austausch gibt es mit Joachim Otto, Udo Mörsch und Patrick Grieser um mal drei zu nennen. Mit anderen steht man locker in Kontakt, und zu wieder anderen wahrt man durchaus Distanz. Ich habe halt bestimmte Vorstellungen, was die Qualität meiner Titel betrifft, die Pünktlichkeit und das Auftreten in der Szene.
Michael Schmidt: Eine letzte Frage. Sind private Freundschaften und Kontakte für Ideen und neue Projekte in der Szene wichtig oder gar Vorraussetzung? Oder spielt das nur eine untergeordnete Rolle?
Guido Latz: Wenn man gemeinsam etwas umsetzen kann, ist es auch hier wichtig, dass man neben dem gleichen Ziel auch im Allgemeinen eine ähnliche Einstellung hat. Mit Leuten, die z.T. anderer Ansicht sind lässt sich natürlich nur schwer zusammen arbeiten. Als Beispiel lässt sich vielleicht hier der „Geister-Schocker“ anführen, ein Projekt das Joachim Otto und ich schon seit vielen Jahren gerne gemacht hätten, das sich aber erst vor ein paar Wochen ergeben hat. Wir sind beide Fans von klassischen Gruselromanen, also mache ich quasi die Redaktionsarbeit, und die Reihe erscheint bei der Romantruhe. Was soll man da gegeneinander arbeiten.
Michael Schmidt: Guido, ich danke dir sehr für dieses Interview und für den guten und sehr netten Kontakt mit dir. Ich wünsche dir für Zukunft alles Gute für dich und deine Romane.
Guido Latz: Ich habe zu danken