Interview: Peter Schwindt
 
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Interview mit Peter Schwindt

geführt von Carina Schöning

 

„Schwarzfall“ ist der neueste Roman des deutschen Autors Peter Schwindt, den man vor allem aus dem Jugendroman-Sektor kennt. Mit den Romanen um „Justin Time“, „Gwydion“ oder auch die „Libri Mortis“ Trilogie hat er nicht nur die angepeilte Zielgruppe erreicht, sondern auch so manchen erwachsenen Leser begeistert.

 

 

Fantasyguide: Hallo Herr Schwindt, erstmal vielen Dank, dass Sie sich wieder die Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Bitte stellen Sie sich vorab für unsere Leser kurz selbst vor?

 

Peter Schwindt: Peter Schwindt, geboren 1964 in Bonn. Ich bin seit vier Jahren Wahlhesse und dabei eigentlich ganz glücklich. Zu meiner Arbeit gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Autor zu sein ist sehr unglamourös. Ich sitze seit dreizehn Jahren fast jeden Tag acht Stunden oder auch mehr vor meinem Rechner, laboriere an einem Mausarm (die schriftstellerische Version eines Tennisarms) und sollte eigentlich mehr Sport treiben. Jedenfalls bringt meine Frau das nötige Mitleid für mich und meinen Beruf auf. Das hilft.

 

 

Fantasyguide: Sie haben unter anderem schon als Übersetzer, Lektor, Redakteur, Journalist und natürlich als Autor gearbeitet. Welche Arbeit ist denn die angenehmste bzw. spannendste?

 

Peter Schwindt: Definitiv die als Autor. Die Freiräume, die man da hat, sind mir sehr wichtig. Außerdem musste ich nach einigen Festanstellungen feststellen, dass ich wohl kein Teamspieler bin. Und so kam ich auf die Idee, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Ist manchmal spannend, meistens mühsam und immer befriedigend.

 

 

Fantasyguide: In erster Linie kennt man Sie von Ihren Jugendroman-Reihen wie „Justin Time“, „Gwydion“ oder auch die Trilogien zu „Morland“ oder „Libri Mortis“ Wie ist es zu dem Wechsel in die Erwachsenen-Literatur gekommen? Was sind, abgesehen von den Themen, die größten Unterschiede zu dem All Age-Sektor?

 

Peter Schwindt: Es gibt eigentlich keine. Wie Sie schon sagten: Der Unterschied liegt in den Themen, und das war auch ein Grund, weshalb ich versuche, in ein anderes Genre vorzustoßen. Der „Erwachsenen“-Bereich (ich setze das Mal absichtlich in Anführungszeichen, weil das eine seltsame Kategorie ist - ähnlich wie der Unterschied zwischen U- und E-Musik) ist für mich noch ein unentdecktes Land. Man muss in Bewegung bleiben. Stillstand ist der Tod.

Der andere Grund ist in der radikalen Veränderung des Jugendbuchs zu suchen. Im Moment herrscht da eine ziemliche Monokultur. Romantasy ist angesagt, besonders die der blutsaugenden Art. Und das ist in der Regel Literatur von Frauen für Mädchen. Unter den zwanzig meistverkauften Autoren befinden sich nur zwei Männer, Paolini und Colfer. Ohne vordergründigen Herzschmerz geht da fast gar nichts mehr. Bei Harry Potter wurden wenigstens noch die Jungs mitgenommen, aber die fallen bei dem, was sich jetzt so auf dem Markt tummelt, hintenüber. Außerdem haben einige wenige Titel addiert einen Marktanteil von gut siebzig Prozent. Der Rest publiziert unter ferner liefen. Einigen Kollegen geht es da wirklich an die Existenz. Ich weiche also auch ein Stück weit aus und warte, wie sich das Ganze entwickelt. Aber ich befürchte, dass das Jugendbuch nach der Vampirwelle einen gehörigen Einbruch erleben wird. Zwar sind etliche erwachsene Leser dazugekommen, viele Jungs (die ohnehin weniger lesen) aber wurden vergrault, weil die keinen Nachschub mehr bekamen. Die werden auch dann nicht zurückkommen, wenn die Twilight-Welle abgeebbt ist.

 

 

Fantasyguide: Mit dem neuen Roman stand auch ein Verlagswechsel bevor. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Piper Verlag abgelaufen?

 

Peter Schwindt: Es war ja kein Wechsel, sondern eine Erweiterung des Geschäftsbereiches - um es mal so auszudrücken. Ich persönlich habe mit dem Verlag nicht so viel zu tun. Alles Vertragliche regelt meine Agentin. Mein wichtigster Kontakt ist meine Lektorin, und Eva-Marie von Hippel ist einfach grandios! Da wurden keine Claims abgesteckt, wer jetzt nun die geschmackliche Deutungshoheit hat. Das Buch stand im Mittelpunkt. Wir schwimmen auf einer Wellenlänge und das kommt einem Sechser im Lotto gleich.

 

 

Fantasyguide: Was bedeute der ungewöhnliche Titel „Schwarzfall“ genau? Ist es als Anspielung auf den umstrittenen Stromkonzern Vattenfall gedacht?

 

Peter Schwindt: Schwarzfall ist die deutsche Bezeichnung für einen Blackout. Dieser Titel war jedoch bereits vergeben, also haben wir uns für die offizielle Eindeutschung entschieden. Die Idee kam von Julia Eisele, der Leiterin des Taschenbuchlektorats, und ich fand sie großartig. Und nein, es ist keine Anspielung auf Vattenfall, EnBW, Eon oder RWE. Wenn ich die Vier in den Mittelpunkt hätte stellen wollen, hätte ich ein Sachbuch schreiben müssen. Mir ging es einfach darum zu zeigen, wie bestimmte Menschen auf eine besondere Ausnahmesituation reagieren. Der Begriff Thriller ist da vielleicht ein wenig irreführend. Es ist eigentlich fast ein Kammerspiel, bei dem ich ganz bewusst jede Ordnungskraft außen vor gelassen habe. Ohnehin wäre bei einem Blackout dieser Größenordnung jede Polizei vollkommen überfordert.

 

 

Fantasyguide: Im Roman kommt es aufgrund einer drei-monatigen Dürreperiode und dem Ausfall mehrere Kraftwerke zu einem deutschlandweiten Stromausfall. Wie realistisch ist dies Szenario?

 

Peter Schwindt: Wenn es wirklich zu einer dreimonatigen Hitzewelle kommt: sehr realistisch. Niemand ist darauf vorbereitet. Wir sind vom Strom in einem Maße abhängig, wie es sich nur die wenigsten vorstellen können. Die komplette Infrastruktur wird innerhalb von drei oder vier Tagen zusammenbrechen. Vor allen Dingen der Kommunikationsbereich ist davon betroffen. Telefon- und Funknetze brechen sehr schnell zusammen. Einzig Satellitentelefone werden noch funktionieren, doch mit denen sind weder die Polizei noch die Feuerwehr oder die Rettungskräfte ausgestattet. Es wird zwar vielleicht Krisenstäbe geben, doch auf welcher Informationsgrundlage sollen sie Entscheidungen treffen? Und wie sollen diese Entscheidungen an die BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) weitergegeben werden, wenn erst einmal der letzte Treibstoff für die Generatoren aufgebraucht ist?

 

 

Fantasyguide: Wie aufwendig waren die Recherchen für den Roman? In der Danksagung schreiben Sie, dass Sie mit dem Leiter des Kompetenzzentrums Risikomanagement am Allianz Zentrum für Technik zusammengearbeitet haben.

 

Peter Schwindt: Sie waren vor allen Dingen anfangs recht frustrierend. Nach dem Stromausfall im Münsterland war es sehr schwierig, an entsprechende Informationen zu kommen, da jeder Angst hatte, sich die Finger zu verbrennen. Wir sollten nicht vergessen, dass wir in Deutschland ein wirtschaftlich und politisch sehr mächtiges Stromoligopol haben. Durch den Tipp eines Freundes bin ich auf die Allianz Risikomanagement gestoßen. Die hat ein Interesse daran, das so ein Blackout gar nicht erst geschieht. Da kämen nämlich eine Reihe ziemlich heftiger Versicherungsfälle zusammen, für die die Allianz aufkommen müsste. Zudem wollte ich bewusst ein Szenario entwickeln, das auf natürlichen Ursachen basiert. Ansonsten wäre aus Schwarzfall ein Handbuch für Terroristen geworden. Schwachstellen im System gibt es genug. Aber man muss ja nicht auch noch interessierte Seiten mit der Nase darauf stoßen.

 

 

Fantasyguide: Auffällig an dem Roman fand ich die durchaus realistisch, aber auch sehr pessimistische Sicht auf unsere heutige Gesellschaft. Angefangen bei der Kindererziehung über Arbeit und Hartz IV bis hin zur häuslichen Gewalt. Ist dies eher ein politisches oder doch soziales Problem, dass die Gesellschaft immer mehr verroht und abstumpft?

 

Peter Schwindt: Sowohl als auch. Bei uns läuft zurzeit ziemlich viel ziemlich schief und zuweilen habe ich das Gefühl, dass manchmal nicht unbedingt die Kompetentesten in den diversen Entscheidungsgremien sitzen. Auf der anderen Seite ist es immer leicht, die Politik zu kritisieren, während sich das eigene Engagement darauf beschränkt, nicht wählen zu gehen. Wir leben in einer Demokratie, die davon lebt, dass möglichst viele in ihr partizipieren - egal wie. Stattdessen geben wir aus Enttäuschung, Faulheit und Desinteresse Stück für Stück Freiheiten auf, die alles andere als selbstverständlich sind. Dann entsteht ein Vakuum, das von Leuten gefüllt wird, die ich in Schwarzfall beschreibe. Und das sollten wir nicht zulassen.

 

 

Fantasyguide: In dem Zusammenhang ist auch das Zitat „Ehrliche Arbeit lohnt sich nicht“ interessant, das ein Drogendealer seinem arbeitenden Freund als Ratschlag gibt. Ist diese polarisierende Aussage absichtlich so gewollt?

 

Peter Schwindt: Natürlich. Und ich glaube, dass diesen Satz jede Kassiererin in einem Discounter ohne zu Zögern unterschreiben würde.

 

 

Fantasyguide: Gab es für die Figuren vielleicht bestimmte Vorbilder? Wie viel ist hier Fiktion, oder auch bittere Realität?

 

Peter Schwindt: Jede Figur in diesem Buch hat tatsächlich ein Vorbild, zumindest was die Charaktereigenschaften angehen. Und egal, wie klischeehaft sie sich in dem Buch auch verhalten und ausdrücken mögen, in der Realität sind sie noch viel schlimmer. Ich musste mich da wirklich bremsen, weil das sonst keiner geglaubt hätte.

 

 

Fantasyguide: Im Laufe der dramatischen Handlung machen die Figuren etliche Veränderungen durch. Welche Szenen waren für Sie beim Schreiben besonders schwer?

 

Peter Schwindt: Es hat eher technische Probleme beim Schreiben gegeben, was den Rhythmus oder die Sprache angeht. Wie gesagt: Ein Problem waren die Klischees. Patrick konnte ich keine ontologischen Diskurse führen lassen. Auf der anderen Seite mussten seine Sätze zumindest grammatisch einwandfrei sein, sonst wäre er noch unsympathischer geworden, als er ohnehin schon ist.

 

 

Fantasyguide: Gerade die Szene mit der Grillparty in der Nachbarschaft lässt einen beim Lesen unwillkürlich Schmunzeln, da dies so typisch deutsch wirkt. Wie wichtig ist Ihnen Humor?

 

Peter Schwindt: Eigentlich sehr, doch da muss ich mich manchmal bremsen. Ich verliere mich gerne in Betriebswitzen. Das ist in trauter Runde ganz lustig, hat aber in einem Buch nichts verloren. Schwarzfall ist ansonsten ziemlich spaßfrei. Da gibt es noch nicht einmal einen kleinen Comic Relief.

 

 

Fantasyguide: Woran arbeiten Sie zurzeit? Bleiben Sie nun der erwachsenen Literatur treu, oder kommt bald wieder ein spannender Jugendroman von Ihnen?

 

Peter Schwindt: Ich arbeite zurzeit an mehreren Dingen gleichzeitig. Mein zweites Buch im Piper-Verlag existiert bereits als Exposé und auch Ravensburger wird eine neue Reihe von mir herausbringen. So schnell gebe ich das Jugendbuch nicht auf.

 

 

Fantasyguide: Noch einmal vielen Dank für Ihre Zeit und die Beantwortung dieser Fragen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit „Schwarzfall“ und den nächsten Romanen…

 

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Erstellt: 03.05.2010, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 10390