Interview mit Wolfgang Hohlbein
Redakteure: Christian Endres und Inga Pokora
Wolfgang Hohlbein schuf mit dem Hexer und Enwor zwei Heftroman-Serien, die auch heute, da diese Veröffentlichungsform ihren Zenit längst überschritten hat, noch eine große Anhängerschaft haben und sich großer Beliebtheit erfreuen. Enwor wird aktuell sogar mit neuen Romanen von Dieter Winkler in Taschenbuchform bei Piper fortgesetzt, während sowohl Enwor, als auch der Hexer in diversen Neuausgaben erhältlich sind ...
Die Geschichte ist allgemein bekannt: Ein Essen mit den drei Michaels. Ein Schreibtisch. Ein Bild. Ein Mann mit einer weißen, gezackten Haarsträhne, einem Stockdegen und der Kleidung eines Gentleman des ausklingenden viktorianischen Zeitalters. Ein düsterer, bedrohlich wirkender Hintergrund. Dazu Wolfgang Hohlbeins Background als Autor phantastischer Bücher und Heftromane, ein ordentlicher Schuss Bewunderung, Vorliebe und Kenntnis von H. P. Lovecrafts Kosmos der Großen Alten – und fertig war der Hexer.
Dieser nun hat seit seinem ersten Run Bastei-Heftroman einige Neuauflagen erfahren, bekam jedoch erst vor zwei Jahren durch die Hexer-Sammlerausgabe bei Weltbild eine wirklich adäquate, 24-bändige Ausgabe im Hardcover spendiert, die unter anderem mit exklusiven Vorworten vom Autor selbst sowie einer tollen Aufmachung und stimmungsvollen Titelbildern der Artillerie aufwarten konnte.
Ähnlich ergeht es seit kurzem nun auch Enwor, also den Abenteuern von Skar und Co. in der sagenhaften Fantasy-Welt gleichen Namens, die Wolfgang Hohlbein gemeinsam mit Dieter Winkler geschaffen hat. Auch hier bringt Weltbild aktuell eine gebundene Werkausgabe in schöner Aufmachung und zu fairem Preis heraus und sorgt somit dafür, dass auch die alten Bände in einheitlicher Gestaltung vorliegen, während bei Piper Dieter Winklers neueste Ausflüge nach Enwor im Taschenbuch veröffentlicht werden.
Doch damit nicht genug. Auch die Heftromanserie um Geisterjäger Raven gibt es seit September nun in drei Hardcover-Sammelbänden bei Weltbild. Grund genug, uns mit Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler zu unterhalten und nachzuhorchen, wie es sich denn anfühlt, wenn die ganz persönlichen »Klassiker« zwanzig Jahre später noch einmal die Buchregale im schicken Hardcover stürmen. Dabei unternahmen wir natürlich auch Ausflüge in Vergangenheit, Zukunft und selbstverständlich auch das Universum von Enwor und dem Hexer und erkundigten uns ferner auch nach den neuesten Werken und Projekten der beiden befreundeten Autoren ...
Fantasyguide: Hallo Herr Hohlbein. Am besten stürzen wir uns direkt ins Getümmel und die Gefühlswelt zweier Phantastik-Autoren: Wie fühlt es sich an, wenn man Serien wie den Hexer, Enwor oder Raven, die Sie und Herr Dieter Winkler als Schriftsteller über die Jahre hinweg in vielerlei Form begleitet haben, nun noch einmal in so wunderbar aufgemachten Hardcover-Edition wie aktuell bei Weltbild veröffentlicht werden?
Wolfgang Hohlbein: Die Weltbild-Edition besticht durch sorgfältige Aufmachung und professionelle Umsetzung. Das schmeichelt des Autors Eitelkeit. Besonders erfreulich ist dabei das nach wie vor große Interesse an diesen Reihen, das sich im großen Erfolg der Weltbildausgaben widerspiegelt.
Fantasyguide: Als Schriftsteller entwickelt man sich bekanntermaßen ständig, eigentlich mit jedem verfassten Text ein Stückchen weiter. Hält die Neuveröffentlichung älterer Werke nicht auch immer die Gefahr bereit, voller Unzufriedenheit auf »Jugendsünden« und deren kleinen Kanten und Macken zu blicken? Oder anders ausgedrückt: Wie groß ist bei solchen Neuveröffentlichungen der Drang, hie und da noch einmal Hand anzulegen, die ein oder andere dramaturgische Woge zu glätten und mit all seiner dazu gewonnenen Erfahrung noch einmal die Politur auszupacken und ein bisschen Glanz hinzuzufügen?
Wolfgang Hohlbein: Warum sollten es mir hier anders ergehen als Aldous Huxley, der mit seinem Superseller 'Brave New World - Schöne neue Welt' aus dem Abstand von zwanzig Jahren den einen oder anderen handwerklichen Mangel erkennen wollte? Huxley war immer wieder versucht, seine "Schöne neue Welt" zu überarbeiten, hat es dann aber - gottlob - gelassen. Ich sehe das relativ gelassen, versuche mich sowohl handwerklich wie auch dramaturgisch immer weiterzuentwickeln. Nicht immer zur Freude vieler Leser, die - vollkommen zu recht - meinem jüngsten Märchenmondroman (Die Zauberin von Märchenmond) absprechen, den Geist der ersten drei Bände zu atmen. Von anderer Seite aus höre ich immer wieder, dass dieser Märchenmondband der beste sei. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte - und das es immer von viel mehr Faktoren abhängt, ob ein Buch ein Bestseller abhängt, als seine handwerkliche und dramaturgische Qualität.
Fantasyguide: Ich habe mich ein wenig gewundert, als Weltbild und Blanvalet fast zeitgleich eine Neuausgabe von Enwor starteten – Zufall, Absicht oder übersehe ich einfach nur einen vertriebstechnischen Zusammenhang bzw. Mechanismus?
Wolfgang Hohlbein: Die Wege der Verlage sind oft wunderlich - auf die Entscheidung von Blanvalet hatte ich keinen Einfluss, im Gegensatz zur Weltbildausgabe. Die zeitgleiche Neuausgabe konnte ich also nur Kenntnis nehmen.
Fantasyguide: Kommen wir zunächst zum Hexer. Der Reiz der Geschichte ist sicherlich die Verschmelzung von Elementen des Lovecraft’schen Kosmos, aber eben auch einer »fiktionalen Historie«. Dabei hat es mir vor allem stets zu gefallen gewusst, wenn Kapitän Nemo und die Nautilus, Sherlock Holmes oder gar Buffalo Bill einen Auftritt in den Heften/Büchern hatten. Gab es jemals Schwierigkeiten wegen Lizenzen, übereifrigen Nachlassverwaltern oder dergleichen, wenn Sie eine dieser literarischen Ikonen in die Abenteuer Robert Cravens einfließen ließen?
Wolfgang Hohlbein: Die Rechtslage lässt dem Autor viel Freiheit, wenn eine zeitgeschichtliche Person nur schon lange genug verblichen ist. Das war bei allen genannten Personen - ob real oder nur Romanfiguren - der Fall.
Fantasyguide: H. P. Lovecraft ist in mehrerlei Hinsicht von großer Bedeutung für die Serie. Doch wie groß ist die Gefahr, wenn man sich in seinem Kosmos bewegt, dass man sich zu nahe an die originalen Werke des Altmeisters anlehnt und dabei seine eigenen Visionen und Vorstellungen vergisst? War es ein schwieriges Spagat, ihre Vorstellungen und Lovecrafts »Denkmal« unter einem Hut zu vereinen?
Wolfgang Hohlbein: Lovecraft hat ja schon zu Lebzeiten Kollegen aufgefordert, sich seines Universums zu bedienen. Ich konnte mich hier vollkommen frei bewegen und ebenso frei eigene oder anderweitig verfügbare Mythen und Versatzstücke mit einbauen. Was daraus entstanden ist, ist also ein eignes Lovecraft-Hohlbein-Universum.
Fantasyguide: Haben Sie vor dem "Hexer von Salem" - Regelwerk schon Erfahrung mit Rollenspielen ( als Autor o.ä.) gemacht? Wenn ja, wie waren diese?
Wolfgang Hohlbein:
In den 90er Jahren habe ich mich zum Teil sehr intensiv mit Rollenspielen beschäftigt. In dieser Zeit ist in der Zusammenarbeit mit Karl-Ulrich Burgdorf "Das große Enwor Rollenspielbuch" entstanden, das noch heute lieferbar ist. Mit meinem Freund und Kollegen Bernhard Hennen ("Elfen") habe ich viele Arten von Rollenspielen erprobt, wobei - wie sollte es bei Fantasy-Autoren auch anders sein - wir zum Schluss auf unsere eigenen Spiele kamen. Die Modelle, etwa Wehranlagen und Schiffe, habe ich selbst gebaut; was daraus geworden ist kann unter www.hohlbein.net/de/hb/_main/index.htm nachlesen. Zusammen mit Bernhard Hennen war ich auch an einigen Ausgaben von "Das schwarze Auge" beteiligt. Besonders gefreut habe ich mich über die damit verbundene Ehrung durch die "Deutsche Abenteuer Spiele Auszeichnung".
Fantasyguide: Was haben Sie zu Beginn von der Idee gehalten, das "Hexer" - Universum zum Rollenspiel zu machen? Auf wessen Initiative hin kam es überhaupt zu diesem Projekt? Inwieweit waren Sie an der Entwicklung beteiligt?
Wolfgang Hohlbein: Die Idee zu einem Hexer-Rollenspiel kam mir schon sehr früh. Es haperte aber an der Umsetzung. Um so erfreuter war ich, als der Pegasus Verlag sich dieses Themas annahm - und es auch sehr eigenständig umsetzte. Außer der Abstimmung der groben Linie habe ich mich hier nicht beteiligt.
Fantasyguide: Dürfen wir in Zukunft mit Publikationen aus Ihrer Feder zum Thema "Hexer" - Rollenspiel rechnen?
Wolfgang Hohlbein: In Sachen Hexer-Rollenspiel steuere ich zusammen mit Dieter Winkler ein paar Kurzgeschichten bei. Inwieweit wir beide das fortführen können hängt alleine von der Terminlage ab.
Fantasyguide: Ich erinnere mich, dass viele Fans den neuen Enwor-Bänden – dazu mit halbwegs neuen Helden! – mit Skepsis entgegengeblickt haben und sich nicht sicher waren, was sie davon halten sollen. Wie erging es Ihnen beiden selbst, als Sie sich dazu entschieden, nach so langer Zeit noch einmal nach Enwor zurückzukehren und der Geschichte dieser Welt neue Kapitel hinzuzufügen?
Wolfgang Hohlbein: Ende der Neunziger schien das recht einfach. Der Weitbrecht Verlag – bei dessen Ableger Thienemann Dieter einen großen Erfolg im Jugendbuch hatte - wollte Enwor fortführen. Insofern waren wir beide Feuer und Flamme. Vereinbart war eine Trilogie, deren Bände rasch hintereinander erscheinen sollten; aber Band 12 sollte Dieter - Mitverfasser von DAS ELFTE BUCH – die Serie als Autor übernehmen. Doch der Weitbrecht Verlag wurde an Piper verkauft, und dort wollte man komplett neue Abenteuer - wogegen wir uns zunächst gesträubt hatte, weil der elfte Band damit inhaltlich ziemlich in der Luft hing. Wie auch immer: Mittlerweile haben sich die Neuen Abenteuer etabliert.
Fantasyguide: Enwor, das war schon immer Fantasy, die ein wenig anders war als der Mainstream – Fantasy, in denen auch Fauna und Flora und das generelle Setting der Welt eine große Rolle spielten und in mir immer den Eindruck erweckten, dass die Weltenschöpfer vorhatten, etwas eigenes zu schaffen, das mit minimalistischen Anleihen auskommt. Wie groß war Ihr Streben nach Individualismus damals, als viele ihre eigenen Rollenspielenwelten kreierten und Tolkien in aller Munde war?
Wolfgang Hohlbein: Die Entwicklung von ENWOR war ein echtes Teamwork zwischen Dieter und mir. Wir haben beide eigene Welten entwickelt, und die dann Anfang der 80er zusammengeschmissen. Der Ansatz war, eine Dark Fantasy Welt zu entwickeln, die eigenständiges literarischen Potenzial hat und sich gegen die damalige aus dem englischen Sprachraum dominierte Fantasy durchsetzen kann. An Rollenspielwelten und Tolkien haben wir uns damals nicht orientiert.
Fantasyguide: Auch wenn ich später noch einmal allgemein fragen werde, was uns die Zukunft bringen wird: Was erwartet den Besucher von Enwor in absehbarer Zeit?
Wolfgang Hohlbein: Der jetzige Zyklus - die neuen Abenteuer - gehören abgeschlossen. Der nächste Band wird jedoch aus Termingründen nicht 2007 erscheinen, wie ursprünglich geplant, sondern später.
Fantasyguide: Sie beide treiben Sich nun ja schon einige Jährchen in der deutschen Phantastik-Szene herum, haben gewissermaßen den Aufstieg, aber eben auch den Fall des Heftromans live miterlebt. Wie bewerten Sie generell die Chancen des Heftromans in Deutschland? Wird er abseits von Perry Rhodan jemals wieder Fuß fassen können? Oder braucht es in Zeiten von PoD und einer regen Kleinverlagsszene vielleicht gar keine Fantasy/Horror-Heftromanserien abseits von Rhodan oder Sinclair mehr, um neue Talente zu fördern oder ein gewisses nostalgisches Klientel zu bedienen?
Wolfgang Hohlbein: Heftromane befinden sich leider im freien Fall. Leider deswegen, weil sie Nachwuchstalenten die Möglichkeit gaben, ihr Handwerk in relativ knapper Erzähltechnik zu vervollkommnen. PoD und Kleinverlage werden diese Funktion in Zukunft wohl noch stärker übernehmen, wobei sich die Honorarlage für Autoren dabei wahrscheinlich nicht gerade verbessern wird.
Fantasyguide: Mit der Chronik der Unsterblichen wurde nun auch ein Vorstoß in das Comic-Genre gewagt. Wieder ist die Artillerie mit von der Partie, genau genommen Thomas von Kummant, der sich ja auch für viele der Weltbild-Titelbilder beim Hexer und bei Enwor verantwortlich zeigt. Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm, wenn es z. B. um ein Cover geht – bzw. um die Adaption eines ganzen Romans aus Ihrer Feder?
Wolfgang Hohlbein: Thomas von Kummant ist ein großartiger Künstler. Menschlich wie fachlich passt hier einfach alles. Die Auszeichnung mit dem Sondermann Preis als bester Comic in deutscher Eigenpublikation 2005 und der Riesenerfolg in Frankreich sprechen für sich. Der einzige Nachteil: Die Comic-Adaption ist so aufwendig, dass hier keine regelmäßige Publikation in Gang kommt.
Fantasyguide: Die fruchtbare Zusammenarbeit Hohlbein-Winkler hat durch die Umstellung der Homepage eine weitere Facette dazu gewonnen. Wie kam es zu dieser Umstellung – und der damit einhergehenden »Trennung« von der alten Plattform samt Forum?
Wolfgang Hohlbein: Ganz zu Beginn unserer Karriere haben wir gemeinsam Kurzgeschichten geschrieben und Autoren wie Isaac Asimov und Greg Bear übersetzt. Schon damals hat Dieter die Schnittstelle zu Verlagen gespielt. Nach seiner Zeit als Chefredakteur bei CHIP - und dem dort erfolgten Aufbau der ersten namhaften journalistischen Internet-Präsenz in Deutschland - hat sich die für ein Jahrzehnt nur flüchtige Zusammenarbeit zwischen uns beiden schrittweise wieder intensiviert. Jetzt ist er wieder die Schnittstelle zu den Verlagen, und das schließt auch die Internet-Präsenz mit ein.
Fantasyguide: Apropos Zusammenarbeit: Was werden wir in punkto Zusammenarbeit demnächst von Ihnen beiden erwarten können – und was sprechen Ihre jeweiligen Terminkalender und Veröffentlichungsplaner für die nächste Zeit, 2007 oder gar darüber hinaus?
Wolfgang Hohlbein: Im Februar 2007 wird bei Droemer der Mystery-Thriller STURM erscheinen. Bei Recherche und Dramaturgie hat Dieter kräftig mit angepackt. Mitte des Jahres folgt bei Lübbe HORUS, ein historischer Roman mit HEXER-Feeling, ein in jeder Beziehung sehr eigenständiges Hohlbein-Werk. Zwischendurch und zum nächsten Jahreswechsel hin wird DIE CHRONIK DER UNSTERBLICHEN fortgesetzt, zunächst mit einer Kurzgeschichtensammlung und dann mit dem nächsten Einzelroman.
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