Kakerlaken ist der zweite Kriminalroman, den der Schriftstellers Jo Nesbø im Rahmen der Harry-Hole-Reihe geschrieben hat und der im Jahr 2007 erstmalig in Deutschland veröffentlicht wurde.
Nachdem Harry Hole in seinem ersten Fall in Australien tätig war, schickt ihn diesmal Bjarne Møller, der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen, nach Thailand, in dessen Hauptstadt Bangkok der norwegische Botschafter Atle Molnes erstochen wurde. Atle Molnes, ein guter Freund des Ministerpräsidenten, weilte zur Zeit seines Ablebens unglücklicherweise in einem Bordell und gerade aus diesem Grund ist es wichtig, Diskretion zu wahren und das Ansehen Norwegens zu retten. Der passende Fall also für einen eigenbrötlerischen Kommissar, der wenig Muße für Smalltalk aufweist und genug mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat. Gemeinsam mit den thailändischen Behörden muss Harry Licht in einen Fall bringen, der vor Eigenarten nur so strotzt. Und so dauert es nicht lange, bis Harry Hole und die ihm zur Seite stehende Liz Crumley, Hauptkommissarin beim Morddezernat in Bangkok, in dem Koffer des Botschafters einen Stapel pädophiler Fotos finden.
Doch wer war der Botschafter Atle Molnes wirklich? Im Zuge seiner Ermittlungen lernt Harry Hole eine Menge Menschen kennen, die vieles über ihn zu berichten haben. Informationen über Pferdewetten, Spielschulden und sexuelle Vorlieben zum eigenen Geschlecht, die wahrlich nicht zu seinem langjährigen Eheglück passen, finden ihren Weg in seine Ermittlungen. Wen wundert es da noch, dass vor allem der amtierende Premierminister Norwegens Diskretion verlangt. Hat er doch zu seinen Studienzeiten eine Wohnung mit dem Toten geteilt. Smog, Hitze, Lärm und Gestank. Das alles macht Harry sehr zu schaffen, der außerdem nach wie vor mit einem Alkohlproblem und dessen auftretenden Entzugserscheinungen zu kämpfen hat. Und so quält er sich durch die Ermittlungen und stößt nach und nach auf Spuren, die in eine ganz andere Richtung weisen und nicht nur ihn in tödliche Gefahr bringen.
Mit einem gewohnt spannenden und vielschichtigen Plot präsentiert sich der Autor Jo Nesbø im zweiten Fall des eigensinnigen, aber auch liebenswerten Kommissars. Dabei ist dieses Buch zunächst nicht auf den deutschen Markt gelangt. Zu schlecht waren die Kritiken seines Debüts Der Fledermausmann und erst als Rotkehlchen, Holes dritter Fall, entsprechende Erfolge zu verzeichnen hatte und auch dessen Nachfolger immer mehr die deutschen Krimifans für sich gewinnen konnten, fand dieses Buch den Weg in die deutschen Läden. Und es lohnt sich allemal, diesem eine Chance zu geben. Mit der vollen Bandbreite steigt der Autor in seinem, recht prekären anmutenden, Fall tief in die Metropole Bangkoks ein. Kinderschänder, Zuhälter, Mafiosis, Devisenschmuggler, Wirtschaftsbosse und nicht zuletzt Politiker, keinen lässt er aus. Im Gegenteil. Unter Einbeziehung all dieser spinnt er ein Netz an Intrigen, das verworrener nicht sein kann und leider ein ebensolches Ende findet. Denn die Lösung des Falls ist so verzwickt, dass dem Leser auch nach nochmaligem Lesen nicht so richtig klar wird, was da bei Harry wirklich geschehen ist.
Aber bis es soweit ist, begegnen dem Leser eine Unmenge an interessanten Figuren, die nicht zuletzt durch das, doch recht exotische, Umfeld geprägt sind. Aber wollen wir mal ehrlich sein. Dieses Buch lebt, genauso wie alle anderen dieser Reihe, von seinem Protagonisten Harry Hole, welchen Jo Nesbø überaus komplex und menschlich in Erscheinung treten lässt. Zum einen als hervorragenden Ermittler mit einer hohen Aufklärungsrate und einer starken Persönlichkeit, zum anderen aber als schwächelnder Mensch, der dem Alkohol verfallen ist. Und so schwank der Leser hin und her und kann gar nicht fassen, warum so ein guter Polizist, wie Harry Hole, im normalen Alltagsleben kläglich versagt. Insgesamt also eine sehr unterhaltsame und reizvolle Lektüre, die nicht zuletzt auch von seiner imposant und fremdartig erscheinenden Kulisse lebt. Ein gut zu lesender, flüssiger Schreibstil, ein perfekt gegliederter Aufbau und mehrere interessante Handlungsstränge sorgen dafür, dass das Gesamtkonzept stimmt und auf keiner der 416 Seiten Langeweile aufkommt.