Rezension von Carina Schöning
Mit „Kinder des Judas“ veröffentlichte Markus Heitz 2007 seinen ersten Vampirroman. Seinen Durchbruch schaffte der deutsche Autor aus dem Saarland mit der „Zwerge“ -Tetralogie sowie den beiden „Ulldart“- Zyklen. Mittlerweile wird der mehrfache Gewinner des „Deutschen Phantastik Preises“ als neuer Star des Fantasy-Genres gefeiert und sowohl die vielen positiven Leserreaktionen als auch die hohen Verkaufszahlen sprechen klar für ihn. Nun ist sein Vampirroman „Kinder des Judas“ als preisgünstige Taschenbuchausgabe neu erschienen und lockt den Leser sogar mit zusätzlichem Bonusmaterial. Die Fortsetzung dazu, „Judassohn“ ist auch schon in Arbeit.
Eine junge Frau sitzt im Krankenhaus am Bett eines Mädchens und begleitet sie beim Sterben. Was niemand weiß, ist, dass Sia aufgrund ihrer eigenen tragischen Vergangenheit den herannahenden Tod praktisch fühlen kann, denn sie selbst ist einer der wenigen unsterblichen Vampire, ein so genanntes Judaskind. Die toughe Kämpferin hat in ihrem Leben schon einiges erlebt, aber der Tod der elfjährigen Thea geht ihr ungewöhnlich nahe. Sie denkt über ihr eigenes Leben nach und beschließt eine Biografie zu schreiben. 1670 war sie ein ganz normales Mädchen in einem kleinen Dorf in Osteuropa. Ihr Vater war früh verstorben und Jitka, wie sie früher hieß, wuchs bei ihrer Mutter auf. Durch ein seltsames Mal auf ihren Arm war sie schon immer Außenseiter und Mittelpunkt von Gespött und Angst, denn Serbien war zu dieser Zeit fest in der Hand der Türken und der Aberglaube breitete sich zunehmend aus. Dann geschieht es, nachdem ihre Mutter von den Janitscharen des Sultans festgenommen und getötet wird, bleibt das Mädchen alleine zurück. Wenige Tage später taucht ein reicher Fremder auf, der anscheinend der wahre Vater von Jitka ist. Baron Karol Illicz nimmt sie mit zu sich und bildet sie in einer alten umgebauten Mühle aus. Nicht aus reiner Zuneigung oder Nächstenliebe, sondern weil der geheimnisvolle Gelehrte eine fähige Nachfolgerin haben will. Während Karol sich fortan seinen Forschungen im düsteren Keller widmet, entdeckt Scylla, wie sie sich zu dieser Zeit nennt, ihre Leidenschaft für Sprache, Kultur und Wissenschaft. Nach und nach kommt sie auch hinter das Geheimnis des Laboratoriums und assistiert immer wieder ihrem stolzen Vater. Die ganze Wahrheit über ihr schreckliches Erbe, das seltsame Mal auf ihrem Arm und den ehrgeizigen Plänen, die er für Scyllas Zukunft hat, erfährt sie erst viel, viel später.
Während Sia nun in der Gegenwart ihre Lebensgeschichte erzählt, kehrt ein todgeglaubter Feind zurück. Marek, ihr früherer Verbündeter und Halbbruder mischt sich wieder in ihr Leben ein und beordert sie letztendlich zurück nach Serbien. Dort, wo alles seinen Anfang nahm.
Mit „Kinder des Judas“ legt der deutsche Autor Markus Heitz eine interessante Mischung aus Vampir- und historischen Roman vor. Die zwei Zeit- und Erzählebenen sorgen dabei für Abwechslung und man verfolgt gebannt Jitkas Entwicklung zur Vampirin. Besonders interessant ist, dass es hierbei mehrere Varianten von Vampirismus gibt und die Arten im Laufe der Zeit auch verschiedene Fähigkeiten entwickelt haben. Sehr ausführlich und detailliert erzählt der Autor die verschiedenen Legenden und Geschichten über Entstehung und Bekämpfung der Vampire nach. Dabei lässt er seinen Helden Viktor, ein gebildeter deutscher Kaufmann im Mittelteil des Romans selbst nach Serbien reisen und ihm von dem Zigeuner und Dhampir Libor die hohe Kunst der Vampir-Vernichtung zeigen. Dies nimmt im Roman sehr viel Platz ein und sorgt zudem leider auch für einige Längen und Wiederholungen. Generell ist der Roman mit rund 700 Seiten sehr ausführlich, komplex und fast schon ein wenig langatmig geworden. Zudem konzentriert sich der Autor stark auf die Vergangenheit und Entwicklung von Jitka und vernachlässigt dabei ein wenig den Erzählstrang in der Gegenwart, der sehr schön auch die persönlichen Vorlieben des Autors für dunkle Gothic-Musik und Lebensart zeigt. Die Handlung in der Gegenwart endet dann recht abrupt und gerade die bösen Charaktere bleiben im Vergleich zu Sia leider zu blass und oberflächlich. Abgesehen davon bietet der Roman jedoch die von Herrn Heitz gewohnte Mischung aus rasanter Action und spannender Dramatik und ist zudem auch flüssig und flott geschrieben.
Als kleines Schmankerl gibt es in dieser Taschenbuchausgabe zusätzlich ein kurzes Interview mit dem Autor sowie „geschnittene Szenen“, bei denen es sich um kurze Tagebucheinträge von Scylla handelt, die Markus Heitz in der Endfassung dann doch weggelassen hat.
Insgesamt ist „Kinder des Judas“ ein spannender und abwechslungsreicher Vampirroman, der geschickt moderne Aspekte der Gegenwart mit den alten Vampirmythen aus dem osteuropäischen Raum verbindet. Abgesehen von kleineren Schwächen und Längen bietet der Roman actionreiche Unterhaltung mit ein wenig Romantik und Humor.