Kolumne: Die Sache mit … den Kurzgeschichten!
Autor: Holger M. Pohl
- Kurzgeschichten braucht kein Mensch.
- Kurzgeschichten sind für die Katz.
- Kurzgeschichten sind brotlose Kunst.
- Kurzgeschichten lese ich nicht.
- Kurzgeschichten interessieren niemanden.
- Kurzgeschichten sind überflüssig.
- Kurzgeschichten schreibe ich nicht.
- Kurzgeschichten will niemand lesen.
- Kurzgeschichten sind allenfalls Fingerübungen für richtige Autoren.
- Kurzgeschichten-Anthologien verkaufen sich nur an Autoren und deren Verwandte.
Von obiger Auflistung stimmen genau zwei Dinge: Ich lese keine und ich schreibe keine Kurzgeschichten. Ich gehöre nicht zur Zielleserschaft und ich bin kein Kurzgeschichten-Autor. Alles andere ist Unsinn. Ich, der ich sie weder lese noch schreibe, weiß das. Manche, die Kurzgeschichten schreiben und verlegen, scheinen aber der Meinung zu sein, dass der große Rest der lesenden Öffentlichkeit doch diese Meinungen vertritt. Wie sonst soll ich mir das Gejammere diverser Kurzgeschichten-Autoren und Anthologie-Verleger erklären, die sich beklagen, dass keiner ihre Geschichten liest und entsprechend honoriert, keiner sie kauft und Interesse bekundet? Doch wie so mancher Unsinn, ist auch der nicht tot zu bekommen.
Natürlich ist die Leserschaft von Kurzgeschichten überschaubarer als die von längeren Werken. Aber es gibt ja im Vergleich auch sehr viel weniger Menschen, die der Kunstform des Kurzfilms etwas abgewinnen können, als Menschen, die sich Serien oder Spielfilme reinziehen. Nicht jeder ist eben Kurz-affin. Anthologien oder Kurzgeschichtensammlungen werden weder für jemanden wie mich gemacht noch gehöre ich zur Zielkäuferschaft. Von daher sollte niemand darüber jammern, wenn jemand wie ich Kurzgeschichten mehr oder weniger links liegen lässt.
Allerdings liegt sehr falsch, wer daraus schließen möchte, dass ich (oder jemand wie ich) Kurzgeschichten für überflüssig halte: Ich lese sie nicht, also braucht man sie nicht. Weg mit ihnen! Überflüssig sind in dem Fall nur die, die so denken. Weg mit Euch!
Amüsant und völlig unsinnig finde ich auch, wenn Autorinnen oder Autoren (und vor allem jene, die sich dafür halten), der Meinung sind, dass Kurzgeschichten Fingerübungen für das Schreiben eines richtigen Romans sind. Das Vorspiel quasi. Warm machen für den großen Wurf.
Lieber Dickerwälzerschreiber, schon mal an einer Kurzgeschichte versucht? An einer richtigen meine ich, nicht an dem, was man landläufig so dafür hält. Ja, probiert? Und, Erfolg gehabt? Nein, gescheitert? Schade aber auch! Denken wir heute anders? Nein, immer noch nicht? Also noch mal versuchen! Zurück auf Anfang … und vielleicht verstehst Du dann irgendwann, dass Kurzgeschichten nicht einfach mal so kurz nebenher geschrieben werden (können), nur weil das Wort „kurz“ darin vorkommt!
Kurzgeschichten sind nämlich etwas sehr eigenes. Kurz eben, aber das ist ja nicht das einzige Kriterium. Bei einem Roman hat man hunderte von Seiten Zeit, alles zu entwickeln; die Charaktere einzuführen und aufzubauen; Konflikte vorzubereiten; die Suche nach Lösungen ins unerträgliche auszubauen.
In einer Kurzgeschichte geht das nicht. Sie ist eben … kurz. Und das liegt nun mal nicht jedem. Mir etwa liegt es nicht. Darum schreibe ich auch keine Kurzgeschichten. Meine sind Müll. Weiß ich aus berufenem Mund und habe auch Null Problem damit. Kurzgeschichten sind für das Schreiben eben so wenig meine Textform wie für das Lesen.
Es ist allerdings ebenfalls ein Irrtum, dass jemand, der hervorragende Kurzgeschichten schreibt, automatisch auch etwas Langes schreiben könnte. Eine laaaaange Geschichte braucht nun mal etwas mehr als einen Handlungsstrang, etwas mehr als stereotype Nebenfiguren, etwas mehr als nur einen Konflikt. Und noch ein paar andere Zutaten mehr. Das aber nur so nebenbei für die Kurzgeschichtenschreiber, die zum Dickwälzerschreiber mutieren wollen. Mehr als eine(r) ist daran gescheitert.
Warum aber haben Kurzgeschichtenanthologien so wenig Erfolg, wie manche Verleger oder Autoren glauben (wollen). Nun, solange sie in ihrem Elfenbeinturm sitzen, mag das auch so aussehen. Sie warten … und warten … und warten … und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie heute noch auf Käufer. Im Elfenbeinturm werden allenfalls die üblichen Elfenbeinturmbewohner ihre Anthos kaufen. Oft genug sind das auch welche, die etwas zu der Antho beigesteuert haben. Außerhalb des Elfenbeinturms weiß aber so gut wie niemand etwas von der Antho, kennt weder Verlag noch Autor, sollte also weshalb was kaufen? Niemand kann etwas kaufen, was er nicht kennt!
Diejenigen, die mal mehr, mal weniger, aber regelmäßig erfolgreich Anthos verkaufen, ob Verleger oder Autoren, tun auch etwas dafür. Und zwar etwas mehr als nur zu jammern. Sie zeigen Präsenz - sehr viel mehr Präsenz als nur in irgendwelchen Internet-Foren mit pseudoschlauen Sprüchen zu versuchen, ihre Unfähigkeit (oder den Unwillen etwas zu tun) zu kaschieren. Erfolgreiche Verleger und Autoren von Kurzgeschichten veranstalten Lesungen auf Cons oder auch einfach nur mal so, bei denen das Publikum eben auch etwas davon hat. Und sei es nur, dass die Leser und zukünftigen Käufer die Anthos kennenlernen. Diese Verleger und Autoren sind sich nicht zu schade, sich unter das Volk zu mischen, das ihre Anthos kaufen soll. Und sie verkaufen diese dann oft genug auch an Leser, die eben weder Autor in der Antho sind noch zu dessen näherem Dunstkreis gehören. Einfach weil die Käufer so im Vorbeigehen darauf stoßen (im Sinne des Wortes) oder vom Verlag oder den Autoren darauf gestoßen werden (manchmal auch im Sinne des Wortes). Es ist ja nun nicht so, dass ausschließlich die üblichen Verdächtigen eine Antho kaufen. Das Zauberwort heißt, glaube ich, Werbung. Schon mal was davon gehört?
Von nichts kommt selten etwas und sich auf irgendwelchen berechtigten oder unberechtigten früheren Lorbeeren auszuruhen, führt zu Trägheit. Wer Anthos verkaufen will, sollte das auch tun. Und nicht nur abwarten, bis jemand sie kauft. Denn … siehe oben: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie heute noch darauf, dass jemand ihre Anthos kauft. Eher aber jammern sie bis in alle Ewigkeit, dass niemand sie kauft. Ich liebe meine Jammerlappen aus Jammertal …
Kurzgeschichten gehören zur Literaturlandschaft wie Romane, Novellen, Gedichte und was weiß ich noch alles. Nicht jeder liest sie, manche aber doch. Ich lese sie nicht, aber ich bin nur einer. Der neben mir liest sie. Verkauft sie ihm! Wartet nicht darauf, dass er sie kauft!
Es soll sogar vorkommen, dass die Leser dabei ein gutes Buch kaufen. Denn es soll Verleger geben, deren Kriterien für ein gutes Buch sehr … sagen wir sehr überschaubar sind. Aber das ist eine andere Kolumne …
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