Rezension von Christine Schlicht

Zwei erfolgreiche Sachbuchautoren, ein Mann („Ehrlich“) und eine Frau („Gnadenlos“) führen über einen längeren Zeitraum einen E-mail-Briefkontakt über das Thema Liebe und Sex und alles was dazugehört. Sie verbergen sich dabei hinter diesen anonymen Namen und kennen einander nicht. Das soll dafür sorgen, dass sie sich so richtig unbefangen über die wirklich wichtigen Themen der Menschheit auseinandersetzen können.

Sie kommen dabei von Hölzchen zu Stöckchen und von einem Thema nahtlos zum nächsten. Angefangen wird mit dem brisanten Thema, wie viel Alltag eine Beziehung verträgt, ohne dass die Liebe abkühlt und man sich nach was anderem umschaut. Natürlich wird die Frage aufgeworfen, ob Männer und Frauen verschiedene Sprachen sprechen und geht dann nahtlos über zum Thema Sex.

Erst im Groben, dann geht’s ins Detail: Eifersucht – muss sie sein, oder kann man auch nach einem Seitensprung noch ohne Spaßbremsen miteinander in einer engen Beziehung leben? Wo liegen die Stolpersteine in einer Beziehung? Auf was kommt es bei der Partnerwahl wirklich an – auf Größe (besonders die Größe eines bestimmten – männlichen- Körperteiles), Aussehen und Reinlichkeit? Oder ist das Nebensache, wenn der Charakter passt? Welche kleinen Desaster stören – oder sind es nur die großen Desaster wie die Schwiegereltern? Warum können Mann und Frau nicht ohne einander, oft aber auch nicht mit einander?

Was passiert mit Liebe und Attraktivität, wenn man heiratet oder gar – Gott bewahre – Kinder bekommt? So geht es hin und her und man landet zum Schluss sogar beim ältesten Gewerbe der Welt, bevor man sich aus dem Mailverkehr für dieses Buch verabschiedet.

Der Klappentext verspricht Folgendes: „Schonungslos offen und ohne Tabus – die Antworten auf alle Fragen, die wir uns nie zu stellen trauten“. Nun, vielleicht wäre es besser, die Beantwortung dieser Fragen auch den jeweiligen Partnerschaftswilligen zu überlassen, als das mit Wildfremden auszudiskutieren. Denn so richtig tief wird keine einzige Frage beantwortet und mehr als einmal steht man als Leser da und fragt sich „Das war’s jetzt? Wirklich?“

Die Frage wird gestellt, ob Männer und Frauen verschiedene Sprachen sprechen. Nach der Lektüre des Buches kann man eigentlich nur sagen: Nein. Es wird nur beim jeweils anderen viel hineininterpretiert. „Gandenlos“, die weibliche Autorin spricht eine sehr klare und unmissverständliche Sprache, aber „Ehrlich“, der männliche Briefpartner, scheint sie dennoch nicht zu verstehen. Oder verstehen zu wollen? Jedenfalls ist er alles andere als ehrlich, oder besser: Es fällt einem bei seinen verquasten, langatmigen Erklärungen schwer, die Quintessenz aus seinen Aussagen zu ziehen. In seinem Fall kann man die Frage, ob es immer die Frauen sind, die zu viel reden, ebenfalls klar mit Nein beantworten.

Es wird auch nicht ganz klar, ob es jetzt als Aufklärung gedacht ist, oder als Satire. Für die Aufklärung hatten wir schon Oswald Kolle und Dr. Sommer. Für eine gute Satire sollte man lieber noch mal zur DVD von „Was sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“ greifen.

Am Ende ist eigentlich nur eines wirklich Fakt: Das man alles, was zu einer guten Beziehung oder überhaupt zwischenmenschlichen Beziehungen gehört, nicht über einen Kamm scheren kann und doch jeder für sich selbst austesten muss, was für ihn passend und das richtige ist. Und das Reden manchmal doch eine gute Sache ist – bevor man sich auf eine vernichtende Beziehung einlässt. Aber das wissen die meisten wohl auch vorher schon.