Marie Laveau: Eine schaurige Geschichte und jene andere
 
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Marie Laveau: Eine schaurige Geschichte und jene andere

Artikel von Karin Reddemann

 

So begab es sich vor einiger Zeit im fernen New Orleans, dass die große Voodoo-Königin Marie Laveau die Bestie Delphine Lalaurie köpfte, deren Unsterblichkeit es ihr auf gar unselige Art ermöglichte, als Kopf weiterzuleben. Als kläglicher, körperloser, wimmernder Kopf, der nach seinen Händen, Füßen, Brüsten und den feinen Kleidern schrie.

In diese missliche Lage geriet Delphine Lalaurie gegen Ende des 20. Jahrhunderts, und folgerichtig waren gut 150 Jahre seit ihrer Verdammnis zur ewigen Untoten vergangen. Vergiftet, verflucht und lebendig begraben wurde LaLaurie, die eine wirklich furchtbare, grausame, böse Frau gewesen ist, von Marie Laveau. Das geschah 1834, nachdem die sadistische Sklavenhalterin Delphine LaLaurie den farbigen Beau Bastien, Liebhaber der Voodoo-Hexe und Vater ihres ungeborenen Babys, brutalst gefoltert, verstümmelt und umgebracht hatte. Im Tode noch höhnisch verspottet, indem sie ihm ein Minotaurus-Haupt aufsetzte.

 

Bestie Delphine Lalaurie

Marie Laveau, aufgepuscht von Gram und Wut und ihrer schwarzen Magie, rächte sich, indem sie Delphine LaLaurie, bevor deren hölzerner Sarg zugenagelt und mit altersloser schwarzer Erde bedeckt wurde, noch die Galgen sehen ließ, an denen ihre Töchter und der Ehemann hingen. Der zweite entsetzte Blick, den Laveau der verhassten Menschenschlächterin Lalaurie gewährte, war der auf ihre freigelassenen Sklaven, Menschen, die sie Zeit ihres Daseins als Spielzeug für ihre Launen betrachtet hatte, zum Schänden und Quälen geschaffen, stets zerstör- und austauschbar von ihrer Herrin.

 

Lalaurie jaulte empört, gar verzweifelt, vermutlich auch panisch auf und heulte seitdem tief da unten mit Dämonen und vielleicht, bei aller Gnade, auch mit den Wölfen. 150 verdiente lange Jahre. Dann wurde sie von den »weißen Hexen« befreit … und Marie Laveau, die mächtige dunkelhäutige Voodoo-Priesterin, tobte vor Zorn.

 

Verdammnis der Untoten

Jene Laveau … eine Schönheit wie damals, als das noble Herrenhaus der LaLaurie-Familie in New Orleans noch mit Leben, Tanzmusik, Salon-Gesprächen und den Schreien der aus Lust gequälten Sklaven gefüllt war, als es dort nach frisch gepflückten Blumen, teurem Parfum, Angstschweiß und Blut, so verdammt viel Blut gerochen und auch sie selbst ihre Seele verkauft hatte. Ihr eigener Pakt mit dem unheilvollen Voodoo-Geist Papa Legba verhalf ihr zu weiter bestehender Jugend, viel Macht und Einfluss, verlangte gleichzeitig Furchtbares von ihr. Alljährlich musste sie Papa Legba ein Neugeborenes bringen, dessen Seele er für sich haben wollte, und das erste Geschenk, das er in den vielen Jahrzehnten, die verstrichen waren, geordert hatte, war ihr eigenes Baby gewesen. Bastiens Sohn.

 

Laveau heulte, wimmerte, wollte das Bündnis wieder lösen. Aber der teuflische Pakt galt, nichts half. Und die Verzweifelte überließ den Säugling seinem düsteren Schicksal und dann immer wieder einen, wurde zur Verbitterten und gleichsam zur vernichtenden Verführerin und lebte und wirkte weiter in New Orleans, wo sie in den 1980ern ein Friseurgeschäft betrieb. Ihre Künste zur Verschönerung der weiblichen Kundschaft waren schnöder Schein, hinter deren Kulisse sich der Vorhang für Voodoo in Vollendung hob.

 

Sie war Meisterin ihres Fachs. Und als solche verstand sie es, die Toten aus ihren Gräbern zu holen, – auch die aus längst vergangener Zeit –, um ein zweites Mal für ihren geliebten Bastien Rache zu nehmen. Den hatte Laveau wiedererweckt und mit dem Minotauros-Schädel auf dem Kopf zum »weißen Hexenzirkel« geschickt, um die zurückgekehrte Delphine zu töten, die dort versteckt gehalten wurde. Freilich misslang der Plan, Bastien wurde überwältigt und enthauptet. Seinen Kopf erhielt Marie Laveau zu Halloween in einem Geschenkkarton. Die gebärdete sich wie wild vor grenzenloser Qual und Enttäuschung und rief die Zombies, um ein Blutbad unter ihren Rivalinnen anzurichten. Und völlig fassungslos entdeckte Delphine Lalaurie auch ihre damals gehängten Töchter in der Schar der Untoten, die immer näher kamen, bis … aber ihr Los war ein anderes: Marie Laveau konnte sie nicht mehr entkommen. Die Voodoo-Königin marterte und köpfte Delphine, die hilflos wehklagend ohne ihren Körper nichts mehr ausrichten konnte und gefangen war.

 

Jährliches Opferbaby

Freilich blieb Marie Laveau trotz dieser Genugtuung unglücklich zurück. Denn es war nunmehr an der Zeit, Papa Legba sein jährliches Opferbaby zu bringen. Und jenes, das Marie in den Armen trug für ihn, erinnerte sie in tiefster Traurigkeit an ihr eigenes, das sie ihm vor 150 Jahren hatte geben müssen. Um die kleine Seele zu retten benötigte sie adäquaten Ersatz. Und den bescherte ihr ausgerechnet die weiße Oberhexe Fiona mit einer ihrer Schülerinnen, die sie ihr aus Mitleid überließ. So ganz zufrieden war der große Voodoo-Geist zwar nicht mit diesem Deal, lenkte aber letztendlich ein, nahm das Mädchen, das zu naiv war, um zu begreifen, was da jetzt Düsteres mit ihm geschah, und ließ das unschuldige Baby leben.

 

Und Ende … zumindest an dieser freundlichen Stelle. Diese schaurige Geschichte über die mächtige Voodoo-Königin Marie Laveau ist bildgewaltig nachzuschlagen in der dritten Staffel der American Horror Story, – Coven –, und insofern ist sie durchaus echt, weil des Künstlers Freiheit nicht nur gewaltig, sondern auch ungelogen ist. Zumal guter Horror Bekanntes noch besser erzählt.

 

Marie Laveau existierte, wie auch Delphine Lalaurie, in Wirklichkeit. Und gibt es auch keine Belege über etwaige Unsterblichkeitsflüche oder Ewigkeitspakte, so kann man doch in Erwägung ziehen, dass so etwas Mögliches nicht unmöglich ist oder umgekehrt. Unbestreitbar ist ihr legendärer Ruhm und Ruf, umweht und durchzogen vom Geheimnisvollen, fremdartig Mysteriösen, das Menschen immer wieder gefesselt hat. Und zweifellos weiterhin packt. Die Voodoo-Priesterin Marie Laveau (ca. 1794–1881) aus dem French Quarter in New Orleans, Tochter eines weißen Farmers und einer Farbigen, galt schon zu Lebzeiten als magische Kultfigur mit Prominentenstatus, die teils ängstlich, skeptisch, teils empört, erwartungsvoll, aber stets fasziniert vom Phantastischen, das von ihr ausging, betrachtet wurde.

 

Tratsch für Hokuspokus

Im Zivilen ging Marie Laveau einem recht unspektakulären Beruf nach, der ihr freilich für ihre tatsächliche Berufung durchaus hilfreich war: Als Frisörin suchte sie ihre Kundinnen in deren vornehmen Privathäusern auf; erfuhr dabei so allerlei Klatsch und Tratsch von den Damen selbst und deren Dienerschaft. Das waren oft wertvolle Informationen für sie, wenn sie als Wahrsagerin auftrat und ihr Wissen über die Leute, mit gebührendem magischen Touch, sicher auch hier und da da mit nachsehbarem Hokuspokus versehen, als Voodoo-Offenbarung verkaufen konnte. Umso ernster nahm man sie, wenn sie darüber hinaus jene Dinge, Ereignisse, Schatten und Geisterwesen sah, die nur verblüffen konnten. Die erschreckten, irritierten, spekulieren, wünschen, beten ließen und insgesamt davon überzeugten, dass da irgendwas, vielleicht auch jede Menge dran war: Am Voodoo. Freilich Höllenzeug. Als das galt Voodoo trotz dieser gewissen Salonfähigkeit weiterhin.

 

Wegen geheimer und befremdlicher, eben auch Angst schürender Zeremonien, die nichts mehr mit ihren inszenierten Zauber-Shows inklusive Schlangenanbetung und Blutopfern für ein gut betuchtes, zahlendes Publikum zu tun hatten, versuchte man mehrmals, die zügellose, unkonventionelle »Teufelsschwester«, Mutter von etlichen unehelichen Kindern, vor Gericht zu bringen. Zu einem Prozess kam es nie. Und nach ihrem Tod … starb nichts von dem, was sie irgendwie auf die große Bühne gebracht hatte. Voodoo gehört auch im 21. Jahrhundert zu New Orleans, der Kult wird gefeiert, verehrt, geglaubt, beschworen. Und all die Menschen aus Haiti und Martinique, ursprünglich Westafrikaner, die ehemals hierher gebracht wurden, um als Sklaven in Louisiana zu leben und zu sterben, haben auch mit dieser Stadt, mit diesem Land ihre Erinnerung und ihr Gedenken gefunden.

 

Grabbesucher aus aller Welt

Marie Laveaus Grab auf dem Saint Louis Cemetery wird heute wie damals, nachdem die Medien vom Tod der berühmt-berüchtigten Voodoo-Hexe berichtet hatten, von Voodoo-Anhängern , – natürlich primär auch von etlichen simplen Touristen –, aus aller Welt besucht. Die Grabstätte ist ein recht unbeschwerter Pilgerort für bunt gekleidete, mit ausgefallenem Schmuck behangene Leute, die Kreuze auf das Grabmal zeichnen, weil das Glück bringen soll.

 

Dort stehen sie nun alle, legen ihre besonderen Geschenke ab und rätseln, ob der Leichnam überhaupt noch dort unten liegt. Man munkelt, fanatische Priester hätten ihn längst schon des Nachts ausgegraben, weil menschliche Knochen als Bindeglied von Himmel und Erde für Voodoo-Rituale eine ganz spezielle, immense Bedeutung haben. Die Knochen von Marie Laveau, der populärsten Voodoo-Queen der amerikanischen Südstaaten, dürften demzufolge unschätzbar wertvoll sein in den gewissen Kreisen.

 

Und wir hören und staunen und raunen … immer noch:

 

Sing, Voodoo Marie

Let me hear thy tone

Speak, Voodoo Marie

Let me hear thy tongue

Queen of New Orleans

Mother of the coven

Sing, Voodoo Marie

You’ve been called out again

(Volbeat)

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Erstellt: 09.01.2022, zuletzt aktualisiert: 09.04.2024 19:17, 20492