Marvel 1602 (Autor: Neil Gaiman)
 
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Marvel 1602 von Neil Gaiman

Rezension von Ingo Gatzer

 

Einige der interessantesten Marvel-Abenteuer sind in der What if?-Reihe erschienen, die auch bei Disney+ für viel Fanlob sorgte. Marvel 1602 geht einen ganz ähnlichen Weg und versetzt dazu bekannte Marvel-Charaktere mehr als vier Jahrhunderte zurück in das Elisabethanische Zeitalter. Das klingt schon spannend? Noch spannender ist der Autor. Kein Wunder also, dass Panini die achtteilige und zuerst 2003 erschiene Mini-Serie nun noch einmal unter dem Label Marvel Must-Have veröffentlicht hat.

 

Geheimnisvolle Naturkatastrophen bedrohen England. Nicht nur Königin Elisabeth I., sondern auch ihr oberster Agent Sir Nicholas Fury sowie ihr königlicher Hofarzt Doctor Stephen Strange sind besorgt. Zu allen Überfluss ist das Verhältnis zu Spanien schwierig, wo die Inquisition gegenüber Menschen mit Superkräften gnadenlos agiert. Dann greift auch noch Jakob I. nach dem Thron von Elisabeth. Als ein machtvoller Gegenstand nach England gebracht werden soll, beginnt eine gnadenlose Jagd, an der auch ein geheimnisvoller Herrscher beteiligt ist: Graf Otto von Doom.

 

Für die Story von »Marvel 1602« ist niemand Geringeres als Neil Gaiman (American Gods, Sandman), verantwortlich. Der Phantastik-Superstar, der für seine Werke praktisch alle relevanten Genre-Preise – und diverse darüber hinaus – abgeräumt hat, bedarf keiner Vorstellung. Hier gelingt es ihm, dem Marvel-Universum neues Leben einzuhauchen – auch wenn der Anlass ein trauriger war: Gaiman wollte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einfach keinen Comic schreiben, der mit Wolkenkratzern, Schusswaffen & Co. zu tun hatte. Also machte er aus der Not eine Tugend und verfrachtete die Marvel-Charaktere ins Jahr 1602.

 

Beeindruckend sind dabei gleich mehrere Aspekte. So verwebt Gaiman kunstvoll die fiktiven mit realen Ereignissen und Figuren. Dabei erweitert er geschickt die historische Situation, indem er etwa aus der Verfolgung von Ketzern in seiner Geschichte die Jagd nach Mutanten macht. Beeindruckend ist auch, wie stimmig und kenntnisreich er die Marvel-Helden und -Schurken in seine Weltenschöpfung integriert. Vor allem für Fans gibt es hier viel zu entdecken. Zudem bietet Gaiman seinem Publikum genau das richtige Maß an Humor, der sich teilweise auf Anspielungen beschränkt. Aber auch Neulinge dürften von der wendungsreichen und spannenden Geschichte bestens unterhalten sein. Denn immer wieder verläuft die Handlung ganz anders als gedacht – und das ohne zu unplausibel zu werden. Wenn überhaupt etwas zu kritisieren ist, dann, dass am Ende der Story ein paar lose Stränge verbleiben. Das liegt allerdings auch an der großen Anzahl von Figuren, die als Hauptcharaktere durchgehen und die Geschichte so reichhaltig machen.

 

Die visuelle Gestaltung obliegt mit Andy Kubert (Batman, Wolverine: Origin) ebenfalls einem echten Genre-Schwergewicht, der für einige Panels im letzten Teil auch noch Unterstützung von Steve Ditko erhält. Kubert gelingt es hervorragend, einen historisch anmutenden Look zu kreieren. Das gilt nicht nur für die Architektur und Kleidung, sondern auch für die Figuren selbst. Zudem sind viele Zeichnungen schön detailreich geraten. Toll ist Kubert vor allem die Figur des Grafen Otto von Doom gelungen. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass andere Künstler Black Widow und J. Grey noch besser gezeichnet haben. Allerdings hätte Kubert insgesamt deutlich mehr Panels größer oder sogar seitenfüllend präsentieren dürfen, um optische Ausrufezeichen zu setzen. Die dargestellten Ereignisse hätten es fraglos hergegeben. Vermutlich aber waren hier Platzrestriktionen angesichts der komplexen Geschichte ein limitierender Faktor.

 

Zusätzliches Kaufargument für Bände aus der Reihe »Marvel Must-Have« ist oft das Bonusmaterial. Ein Highlight ist hier das umfangreiche Nachwort von Neil Gaiman, das spannende Einblicke bietet. Aber auch die Charakterstudien von Andy Kubert sind sehr interessant.

Fazit

Wenn alle Werke aus dem M(C)U so gehaltvoll und gelungen wären, wie das hervorragende »Marvel 1602« müsste Comicfans um Marvels Zukunft nicht bange sein. Wenn dann noch das üppige Bonusmaterial der »Marvel Must-Have«“-Reihe dazu kommt, gibt es eigentlich nur eine Empfehlung: Kaufen!

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Comic:

Marvel 1602

Original: Marvel 1602 #1-8, 2003

Autor: Neil Gaiman

Zeichner: Steve Ditko und Andy Kubert

Farbe: Richard Isanova

Übersetzung: Steve Kups und Bernhard Schweizer

gebundene Ausgabe, 252 Seiten

Panini Verlag, 12/2023

 

ISBN-10: 3741633976

ISBN-13: 978-3741633973

 

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 17.01.2024, zuletzt aktualisiert: 07.04.2024 09:00, 22662