Medal of Honor: Warfighter (PC; USK 18)
Rezension von Cronn
Der Sturm erzeugt ein tosendes Heulen, das vor dem Gebäude durch die Straßen der philippinischen Stadt jagt. Regen geht in Strömen nieder und Sturzbäche ergießen sich von den Hausgiebeln in die überfluteten Gassen.
Mein Team und ich sind per Helikopter in dieses Chaos aus Blitzen, Windböen und wirbelndem Regen gekommen, um eine Geiselrettungsaktion durchzuführen. Eine Schar Banditen hält die Geiseln in einem ehemaligen Hotel gefangen und ist bereit, einen nach dem anderen umzubringen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Verdammte Sache.
Die Mission ist schon schwierig genug, nun kommt noch dieser Tropensturm hinzu, der alles überschwemmt und die Straßen mit seinen Blitzen dermaßen erhellt, dass man hinter jeder Mauer einen Feind wähnt, auch wenn das nur eine durcheinandergewürfelte Schar an Mülltonnen, Kisten und anderem Unrat ist.
Alles ist in Bewegung, das Wasser schiebt Autos vorbei, Strommasten knicken ab – ein heilloses Durcheinander.
Und mittendrin – wir.
Ich packe mein Sturmgewehr fester, ziehe noch einmal den Schalldämpfer fest und mache mich auf in die Hölle der Naturgewalten. Schon nach dem ersten Schritt stehe ich bis zu den Oberschenkeln in kaltem Brackwasser.
Mühsam arbeiten wir uns als Team vor. Vorsichtig, nur ja kein Aufsehen erregen!
Plötzlich steht da in einem der Häuser ein Feind. Er hat mir den Rücken zugekehrt, also kann ich ihn ungesehen ausschalten. Ich schleiche heran und packe ihn von hinten. Nach einem kurzen Zucken ist es vorbei und er erschlafft. Ich lege den Reglosen in der Hütte ab und wende mich wieder nach vorn.
Über einen freien Platz gelangen wir zur zweiten Hütte. Auch hier steht wieder ein Wachposten, der mit dem Rauchen einer Zigarette beschäftigt ist. Ich kann ihn ebenso lautlos ausschalten.
Dann laufen wir eine enge Straße entlang. Und da kommen sie. Man hat unsere Ankunft bemerkt. Wir müssen die Feinde schnell ausschalten, sonst alarmieren sie den Rest der Bande und möglicherweise würde dies das Ende der Geiseln bedeuten!
Ich lege an und feuere eine Salve gegen den ersten Feind. Er geht getroffen zu Boden, versinkt im Brackwasser. Der zweite ist hinter einer niedrigen Mauer in Deckung gegangen. Unter unserem Beschuss zerbröselt die Mauer und ehe der Typ die Deckung wechseln kann, trifft ihn eine Kugel. Bleibt nur noch einer.
Dieser hat eine Leiter ergriffen und ist auf eine erhöhte Schussposition auf einem der Balkone der umstehenden Häuser geklettert. Zu viert beharken wir seine Position, so dass er in Deckung bleiben muss. Sogleich erkenne ich, was getan werden muss und werfe eine Handgranate nach oben. Die Explosion geht im Donner unter, es regnet Mauerstücke ins Wasser. Auch dieser Feind ist erledigt.
Aber noch ist unsere Mission lange nicht am Ende angekommen …
Rezension:
Medal of Honor: Warfighter ist der zweite Teil der Neuauflage des Klassikers und wurde von Danger Close programmiert. Das Studio ist vom Namen her noch nicht allzu bekannt, doch erinnert sich der ein oder andere Gamer an das Studio Dreamworks Interactive, was unter anderem den hervorragenden Grusel-Shooter Clive Barker’s Undying im Jahr 2001 herausgebracht hat, woraus vor einiger Zeit Danger Close hervorging.
Die erste Neuauflage des Shooters Medal of Honor, der seiner Zeit das Genre der Militär-Shooter maßgeblich aus der Taufe hob, war noch eine Coproduktion von Danger Close mit Dice, den Battlefield-Machern. Nun hat man sich vollkommen auf eigene Beine gestellt und sowohl den Einzelspieler-Part als auch den Mehrspieler-Teil selbst programmiert.
Vertrieben wird »Medal of Honor: Warfighter« von Electronic Arts.
Bevor auf die einzelnen Teile des Games eingegangen wird, soll knapp die Hintergrundstory vorgestellt werden:
Hintergrund:
Bei »Medal of Honor: Warfighter« dreht sich alles um den Sprengstoff PETN, der von einer Terrororganisation weltweit vertrieben wird. Dem stellt sich die amerikanische Armee entgegen.
Wie schon im Vorgänger schlüpfen wir in die Haut von Preacher, einem Soldaten der Tier-1-Klasse. Die Tier-1-Soldaten sind eine Spezialeinheit, die heimlich hinter feindlichen Linien operieren und dazu mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet sind.
Diesmal erlebt der Spieler in Zwischensequenzen mit, wie Preacher mit sich und seinem Schicksal hadert, seine Familie in Gefahr sieht und sogar im Zivilleben sich für die gute Sache einsetzt. Dieses Eintauchen in den Charakter funktioniert besser als im ersten Teil, allerdings ist die Hintergrundstory noch weit vom Tiefgang einer Romanhandlung entfernt. Es bleibt stets recht eindimensional. Dennoch muss allein der Versuch im Bereich der Militär-Shooter die menschliche Seite der Soldaten mehr zu betonen, gelobt werden.
Eine Rüge allerdings holt sich Danger Close für die Umsetzung der Hintergrundstory in den Missionen ab. Hier wird ein Hin und Her praktiziert, dass dem Spieler schnell der Überblick verloren geht. In der Zeit wird vor- und zurückgesprungen, dazu noch die Schauplätze gewechselt, dass es einem richtig schwindelig wird. Irgendwann weiß man nicht mehr, wohin und wofür man kämpft, außer, dass es etwas mit dem PETN-Sprengstoff zu tun haben muss.
Etwas mehr Geradlinigkeit in der Erzählweise hätte hier gut getan.
Gameplay:
»Medal of Honor: Warfighter« arbeitet mit der Frostbite2-Engine, was man dem Gameplay deutlich anmerkt. Die Waffenkontrolle, das Körpergefühl beim Rennen, Springen, Hochziehen, all das ist hervorragend umgesetzt.
Die Levels sind zwar recht geradlinig, bieten aber dennoch immer wieder Möglichkeiten, um die Gegner zu flankieren, was deutlich mehr Option bedeutet, als man normalerweise in einem Militärshooter besitzt.
Dazu sind die Levels voller geskripteter Ereignisse. Mal schlägt ein Blitz einen Strommast um, dann explodiert ein ganzes Gebäude und so weiter. Selten kommt man zur Ruhe und fühlt sich wie in einem Hollywood-Blockbuster. Die Stimmung eines Kriegsschauplatzes haben die Macher von Danger Close gut eingefangen.
Besonders gut gefallen konnte ein Level, bei dem man eine Auto-Jagd durch das wilde Treiben einer Stadt im Nahen Osten vollführt. Was Danger Close hier für ein Action-Feuerwerk abbrennt, kann kaum überboten werden.
Grafik und Sound:
Die mächtige Frostbite2-Engine merkt man hier an allen Ecken und Enden. Die Grafik erreicht das Niveau von »Battlefield 3« in vielen Stellen und gerade die Animationen der Soldaten sind sehr gut gelungen. Leider laden einige Texturen sehr langsam nach, so dass die Oberflächen hier und da für Sekunden unsauber aufgelöst wirken.
Hervorragend umgesetzt haben die Macher von Danger Close das Lichtdesign. Wenn im überschwemmten Philippinen-Level Blitze zucken und der Wind die Bäume biegt, so werfen alle Objekte korrekte Schatten und tanzen einen Tango auf dem Bildschirm. Das beeindruckt und bietet ein echtes Atmosphäre-Plus.
Leider konnten beim Test einige Bugs festgestellt werden. So lief merkwürdigerweise ein Gegner zehn Meter hoch über der Erde in der Luft. Zudem wird im Multiplayer-Bereich von seltsamen Spawn-Punkten unterhalb der Map berichtet.
Die Sounds sind eine Güte für sich. An keiner Stelle des Spiels hat man das Gefühl, dass der Sound schwächelt. Die Explosionen sind wuchtig, die Waffensounds nageln bissig oder wummern heftig. Da ist es zu verschmerzen, dass die Musik zurückgenommen wirkt.
Multiplayer:
Im Mehrspieler-Bereich dreht sich alles um die Spezialeinheiten. Man wählt ein nationales Team und dann geht es los.
In verschiedenen Modi, die meist bekannt sind, kämpft man um Punkte und levelt seinen Soldaten dann auf. Soweit, so bekannt. Wo sich »Medal of Honor: Warfighter« unterscheidet ist in den Details. So definiert man zunächst die Teamgröße auf maximal zehn Spieler. Dazu kommen Varianten bekannter Spielmodi, wie beispielsweise Homerun, was das bekannte Capture-The-Flag abwandelt, da immer nur ein Team angreift und bei einem Kill der getötete Spieler bis zum Rundenende abwarten muss.
Doch der weitaus interessanteste Aspekt ist das Buddy-System. Das Spiel weist dem Spieler einen sogenannten Buddy zu. Diesen Buddy sieht man als Umriss durch alle Hindernisse hindurch. Wird er getötet, wird dem Gamer derjenige Gegner angezeigt, der den Buddy getötet hat. Gelingt es dem Gamer diesen Gegner zu erledigen, wird der Buddy sofort an der Stelle respawnt.
In der Praxis ist gerade das Buddy-System das interessanteste Feature an den neuen Spielmodi von »Medal of Honor: Warfighter«. Es macht große Freude, sich zu zweit durch die Levels zu kämpfen. Diese sind etwas arg klein geraten, es fehlt die Größe einer »Battlefield 3«-Map.
Fazit:
»Medal of Honor: Warfighter« hat einen schweren Start. Mit »Battlefield 3« steht schon ein Monster-Multiplayer-Titel am Start, es kann sich vor allem durch den Singleplayer-Part einen Eigenstellungswert erarbeiten.
Und das gelingt »Medal of Honor: Warfighter« gut. Die Levels sind atmosphärisch stimmig und abwechslungsreich. Ob Sniper-Mission, Helikopter-Action oder Auto-Jagd – niemals kommt Langeweile auf.
Im Multiplayer-Bereich sollte man »Medal of Honor: Warfighter« aufgrund seines Buddy-Systems eine Chance geben.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass »Medal of Honor: Warfighter« ein gelungener Vertreter des Militärshooter-Genres ist.
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