Meister und Margarita (Autor:Michail Bulgakow)
 
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Meister und Margarita von Michail Bulgakow

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Moskau um 1930: Zusammen mit seinen Gehilfen geht der Teufel um und wirbelt die Stadt mächtig durcheinander. Im Varietétheater richten sie ein heilloses Chaos an und stellen das Publikum – Bürger der Stalinzeit – mit all ihren Schwächen bloß. Die Behörden scheitern kläglich mit rationalen Erklärungsversuchen. Nur zwei Personen entgehen Schreck und Unbill: Der Meister – ein Schriftsteller, der seine Tage in der Psychiatrie zubringt – und Margarita, seine Geliebte, die sich in ihrem gutbürgerlichen Leben nach ihm sehnt. Bulgakows Meisterwerk ist eine auch heute noch hochpolitische Gesellschaftssatire.

 

Rezension:

Die Neuübersetzung von Meister und Margarita zeichnet sich durch die Kommentare und Hinweise des Übersetzers Alexander Nitzberg aus, da er uns nicht nur Informationen zu den Hintergründen des Textes liefert. Vielmehr stellt er die vielen kleinen poetischen Finessen vor, die Bulgakow beim Verfassen und Überarbeiten des Textes anwandte. Reime, Alliterationen und Melodie standen deshalb auch im Bemühen des Übersetzers, dem Original beim Übertragen ins Deutsche so nah wie möglich zu kommen.

Nach der Lektüre der Anmerkungen kann man besonders auch die unterschiedlichen Sprechweisen der Figuren besser würdigen.

 

Nitzberg weist darauf hin, welche Bedeutung der jahrelang unveröffentlichte Roman hat. Er spricht von einem Kultstatus in der 90ern unter Jugendlichen. Leider grenzt Nitzberg diese Behauptung nicht weiter ein. Im Zuge der Perestroika sind einige Texte an die Öffentlichkeit gespült worden, die aber mit dem Wegbrechen der Aktualität auch wieder aus dem Fokus verschwanden. Dissidenten-Chic ist immer Zeit abhängig.

Will man heute mit »Meister und Margarita« Jugendliche begeistern, muss man einige Dinge voraussetzen können. Kenntnisse von Faust, der Bibel, der Antike und dem sowjetischen Vorkriegsmoskau. Keine Kleinigkeit.

Allerdings kann man auch exakt über diese Themen sehr viel durch die Lektüre lernen, ob es aber die jugendliche Interessensphäre tangiert, darf bezweifelt werden. »Meister und Margarita« ist ein großartiges Werk, aber vielleicht kein Kult mehr.

 

Bulgakows Roman beginnt mit einer sehr skurrilen Szene. Zwei Literaten sitzen in einem Moskauer Park und geraten mit einem ausländisch aussehenden Fremden ins Gespräch. Es geht um die Existenz Gottes, die die atheistisch getrimmten Sowjetbürger strikt verneinen. So gäbe es demnach auch keinen Teufel?, werden sie gefragt.

Da der, der sie das fragt, aber der Teufel selbst ist, beginnt eine rasante Groteske, deren Thema nur am Rande der Gottesbeweis ist. Vielmehr hetzt uns Bulgakow durch das Moskau der Dreißiger Jahre. Wir erleben die Auswirkungen der Misswirtschaft im Wohnungswesen, sowie der Planwirtschaft im Allgemeinen. Schnuppern in den sozialistischen Kulturbetrieb hinein, beteiligen uns an Arrangements zur persönlichen Bereicherung und werden unter der Hand Zeuge stalinistischer Säuberungen.

Der Teufel und seine Kumpane passen in diese Stadt und Szenerie wir die Faust aufs Auge. Das Chaos, welches sie anrichten, kitzelt die heute vielleicht bizarre erscheinenden Verhältnisse nur aus dem Schatten, aber was Monsieur Woland auch anstellt, ist nichts gegen das wirkliche Leben. Darin ist er ganz der faustsche Mephistoteles.

Ganz anders aber geht Bulgakow mit den beiden Titelhelden um.

 

Der Meister ist ein erfolgloser Schriftsteller, dessen Roman über Pontius Pilatus in der Nomenklatur auf wenig Gegenliebe stößt (ähnlich dem Roman Bulgakows selbst).

Zum einen sind Texte, die biblische Themen aufgreifen politisch bedenklich. Während Faust aus menschlicher Neugier heraus immer weiter drängt und sich von Göttern emanzipiert hat, sucht der Meister Trost in literarischer Wahrhaftigkeit.

Die ersten Teile aus dem Buch des Meisters erzählt der Teufel seinen beiden Zuhörern im Park. Man erfährt erst später, dass es sich um dem Text des Meisters handelt. Da aber Woland behauptet, bei Jesus Kreuzigung dabei gewesen zu sein, vermischen sich hier die Berichtenden, wird dichterische Schöpfung zu Tatsachen.

Bulgakow spielt mit der unterdrückten Religiosität der Gesellschaft ebenso wie mit den kirchlichen Dogmen. Allein die Idee, dass der Teufel seine Existenz beweisen muss, ist schon eine phantastische Pointe par excellence.

Zum anderen unterwirft sich der Meister nicht dem Procedere sozialistischer Buchproduktion inklusive der Integration in die damit verbundenen Institutionen. Der Meister wird immer wieder zu Bulgakows Alter Ego und der gesamte Roman gewinnt autobiographische Züge, auf die Alexander Nitzberg in seinen Kommentaren auch immer wieder hinweist.

 

Woland hat mit dem Meister zunächst nur indirekt Kontakt, nämlich über dessen Roman, was wir aber erst später erfahren. Der berühmte Teufelspakt wird mit Margarita abgeschlossen.

 

Diese ist eine gelangweilte Moskauerin. Irgendwie noch bürgerlich, überhaupt nicht in das neue Menschenbild der Sowjets passend. Der Meister fasziniert sie. Ihre Liebe ist wie ein wildes Austoben von künstlerischer Freiheit, Boheme. Allerdings zeichnet Bulgakow seine Margarita als oberflächliche Frau, fernab der intellektuellen Reife ihres Geliebten. Als sie später zu Woland gerufen wird, lässt sie sich an ihrer Eitelkeit und ihrer Lust packen. Obwohl sie erkennt, in wessen Hand sie sich begibt, sie hat den Teufel sogar selbst angerufen, gibt sie sich ihm bereitwillig hin, in der Absicht ihren Geliebten wieder zu bekommen.

In der herrlich abgefahrenen Ballnacht darf Margarita als Königin nicht nur an die Blutnacht erinnern, sie hebt das Wesen einer nackten Hexe auch weit hinaus über jeglichen Aberglauben und beschämt durch ihr Mitleid sogar den Teufel. Beide Figuren, die schlechthin einmal für das Böse standen, werden bei Bulgakow zu positiven Kräften, ganz dem Motto von der Kraft, die böses will und gutes schafft. In einer antagonistischen Sicht könnte man sich fragen, was das nun aus den Göttern macht, oder ob Woland letztendlich beide Seiten der abrahamitischen Religionen verkörpert.

 

Wie bei Goethe ist auch bei Bulgakow das vollkommene Glück nur durch den Abschied aus dem irdischen Jammertal zu erlangen. Dabei gibt es obendrein noch Erlösung für Pontius Pilatus, der in einer mystischen Mischung aus fiktiver Figur, historischer Persönlichkeit und imaginiertem Bewohner eines Reiches nach dem Tode, fast schon transzendent erscheint.

Ebenso wie bei der Jesus-Figur überlässt es Bulgakow den LeserInnen sich zu entscheiden, ob sie diese Charaktere als Symbole oder konkrete Bezugspersonen sehen wollen.

Somit bleibt ein großer Teil des Romans und ganz im Besonderen das Ende, bewusst rätselhaft, mehrdeutig und phantastisch.

 

Alexander Nitzberg präsentiert den Text in einer breiten Stilistik. Die Unterschiede zwischen den Moskauer Kapiteln und denen in Jerschalajim sind gewaltig, wie auch jede Figur ein eigenes Sprach-Profil, inklusive Stimmungsumschwüngen, gewinnt.

Davon profitiert neben Margarita vor allem auch der Nichtgestiefelte Kater Behemoth, dessen dadaistische Events und Klamaukszenen an Daniil Charms erinnern und einen wehmütigen Blick zurück auf die sowjetische Subkultur der Vorkriegszeit gewähren.

 

Dieses Gefühl unterstützen die Collagen von Ekaterina Shapiro-Obermair und Wolfgang Obermair und vervollständigen eine pralle und sehr gute Edition von Bulgakows Hauptwerk.

 

Fazit:

Der Roman »Meister und Margarita« von Michail Bulgakow entstand über viele Jahre und wurde erst nach dem Tod des Autors und dem Ende des Stalinismus in der SU veröffentlicht. Er wirft nicht nur einen ironischen Blick auf das Leben in dem totalitären System, sondern fügt der Weltliteratur eine ganz eigene und wunderbare Faustversion hinzu. Zeitlos modern in der ambitionierten Übersetzung von Alexander Nitzberg kommt man in den Genuss eines herausragenden Meisterwerks der sowjetischen Literatur.

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Buch:

Meister und Margarita

Autor: Michail Bulgakow

Original: Master i Margarita, 1966

Übersetzer: Alexander Nitzberg

Nachwort: Felicitas Hoppe

Foto-Collagen: Ekaterina Shapiro-Obermair und Wolfgang Obermair

Taschenbuch: 604 Seiten

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1. April 2014

 

ISBN-10: 3423143010

ISBN-13: 978-3423143011

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B008BOOP6M

 

Erhältlich bei: Amazon

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Erstellt: 03.07.2014, zuletzt aktualisiert: 18.09.2023 16:23, 13614