Neversleep (Autor: Andy Lettau)
 
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Neversleep von Andy Lettau

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Frage: Arbeiten wir um zu leben oder leben wir, um zu arbeiten? Der Vorstandsvorsitzende mag da wohl einen etwas anderen Standpunkt haben als der schwer schuftende kleine Mann aus der Mittelschicht; von dem einen oder anderen Politiker ganz zu schweigen. Doch ein Blick in die Zeitungen verrät, dass nicht nur theoretisch einige Hebel in Bewegung gesetzt werden, um den ersten Teil der eingangs gestellten Frage möglichst rasch und möglichst unauffällig aus dem öffentlichen Bewusstsein zu tilgen. Rekordniedrigstände bei den Krankenzahlen, neue Überstundenhochs – derlei Meldungen sprechen durchaus eine deutliche Sprache. Insofern ist das »MacGuffin« von Andy Lettaus aktuellem Thriller zwar eine reichlich böse, aber im Grunde nur konsequent weitergedachte Prämisse, die in den heutigen Zeiten gar nicht mal so abwegig erscheint; ja sogar einen Sinn ergibt: Ein Dasein ohne Schlaf! Arbeiten ohne Pause! Keine Freizeit, keine Ferien!

Und für dieses Ziel geht der mächtige Pharmakonzern GLOPALPHARM respektive dessen Leiter Ethan Cold über Leichen – Giraffenleichen, wohlgemerkt. Denn im Blut jener Lebewesen beziehungsweise der Tatsache, dass die bemerkenswerten Geschöpfe mit gerade mal zwei Stunden Schlaf auskommen, liegt das große Mysterium, welches Cold und sein Stab von Wissenschaftlern um jeden Preis entschlüsseln möchte. Doch hat Cold nicht den menschlichen Faktor kalkuliert. Just als das große Projekt kurz vorm Abschluss steht, bekommt ausgerechnet der leitende Wissenschaftler, Dr. Richard Pascoe, Gewissensbisse und tritt die Flucht an – mit der Formel als geistiges Gepäck. Denn noch existiert das Wunderprodukt nur in den grauen Zellen dieses einen Mannes, der praktisch über Nacht zu einem der meistgesuchten Menschen in den Staaten avanciert ist.

Verständlich, dass ein Soziopat wie Cold daraufhin nicht weiter zur Tagesordnung übergehen kann und umgehend einen Profi-Killer auf Pascoe ansetzt. Leichtes Spiel, oder? Der Experte gegen den Amateur; eiskalter Mörder gegen feiges Individuum mit immer dominanter werdenden Paranoiaattacken?

In der tristen Einöde Montanas gelingt es dem Hitman Joey Di Santos schließlich, den Vorsprung Pascoes wettzumachen. Vor den Toren des kleinen Farmerkaffs Ferguson soll die Jagd endlich ein Ende finden. Doch wie schon seit Auftraggeber Cold zuvor, hat nun auch Di Santos die Rechnung nicht mit dem sonderbar-verschrobenen Landvolk gemacht. Vorhang auf für nymphomane Restaurantbesitzerinnen, Alkoholiker im Greisesalter mit einer Vorliebe für Tierpräparate und Star Trek, jüdischen Bestattern, einem schwergewichtigen Sheriff samt tumben Deputy – und vielen, vielen mehr. Doch ist dies erst der Anfang …

 

Tarantino. Immer wieder taucht der Name des US-Kultregisseurs beim Lesen des Romans vor dem inneren Auge des geneigten Lesers auf. Und das völlig zu Recht. Wie das bunte Sammelsurium denkwürdiger Charaktere, die in Filmen wie Reservoir Dogs – Wilde Hunde (1992), Pulp Fiction (1997) oder Jackie Brown (1997) zuhauf anzutreffen waren, besticht Neversleep durch ein Ensemble der Verrückten und mehr als nur leicht Durchgeknallten; komplettiert durch eine stets temporeiche und immer wieder mit neuen Verblüffungen gesegnete Wendung. Wie leicht dieser Schuss nach hinten hätte losgehen können, muss an dieser Stelle nicht ausführlich breitgetreten werden; haben sich doch bereits zahlreiche, zumeist prominentere Autoren in der Vergangenheit eine blutige Nase eingefangen, in dem Bestreben, den gleichermaßen wilden wie locker-flockigen Pulpthriller-Stil der Ikone Quentin Tarantino nachzueifern. Nicht so Andy Lettau. Der USA-Fan beherrscht diese Form geradezu meisterhaft und mit einer Sicherheit, die hierzulande zweifellos ihresgleichen sucht. Anders als die Konkurrenz setzt Lettau mit seiner wilden Fahrt durch die Wildnis Montanas und der geistigen Verfassung auf eine verdammt hohe Karte, schafft es aber, den Spieltisch als der große Gewinner zu verlassen. In Sachen Originalität hat es schon sehr lange – falls überhaupt – keinen so durchweg überzeugenden Thriller gegeben, der dank oder gerade wegen des immer vorhandenen leichten Augenzwinkerns sogar noch mehr Spaß macht.

 

Fazit:

Was für ein Roman! »Neversleep« ist eine Wildwasserfahrt voller Action, Spannung, origineller Charaktere, jeder Menge Überraschungen und einer gesunden Portion schwarzen Humors. Ein ungezügelter Ritt, der seinesgleichen sucht und sicherlich auch einem Quentin Tarantino sehr gefallen würde. Zweifelsfrei einer der besten Action-Thriller des Jahres.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024041718455033b00bf2
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Buch:

Neversleep

Autor: Andy Lettau

Gebunden, 370 Seiten

Blitz-Verlag, März 2011

 

ISBN-10: 3898403106

ISBN-13: 978-3898403108

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 08.07.2011, zuletzt aktualisiert: 30.03.2024 19:30, 11960