Numquam (Autor: Michael Siefener)
 
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Numquam von Michael Siefener

Eine Zwielichtmäre

 

Rezension von Ellen Norten

 

Feines Buch mit perfidem Horror

Meine Eltern besaßen zu Zeiten meiner Kindheit ca. 20 Bücher, bei meinen Großeltern sah es ähnlich aus. Bücher waren damals wertvoll, sie wurden im Wohnzimmerschrank aufbewahrt und von Zeit zu Zeit (wieder) gelesen. Ein Buch war ein wertvolles Geburtstagsgeschenk, denn es war teuer. Erst mit dem Erscheinen der Taschenbücher änderte sich die Situation und in unserer Zeit sind Bücher eine Massenware. Die Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt sind kaum zu zählen, Bücher werden in Supermärkten angeboten oder dienen als kostenloses Tauschobjekt in öffentlichen Bücherschränken und ähnlichen Einrichtungen.

 

Lesebegeisterte Menschen besitzen heute nicht nur mehr als zwanzig, oder mehr als 200 eigene Bücher, sondern überschreiten auch den vierstelligen Bereich ohne Probleme. Dies wäre bei der damaligen Situation meiner Großeltern kaum bezahlbar gewesen.

 

Immerhin bieten Antiquariate noch die alten Schätze an, Bücher, die aufwendig illustriert sind, mit schönem Satz, leinengebunden, mit Lesebändchen und Fadenheftung. Doch was kostet ein neues so aufwendig gestaltetes Buch in einer limitierten Auflage, angepasst an die heutigen Umstände? Vorausgesetzt Autor und Verleger wollen sich nicht selbst ausbeuten?

 

Norbert N. Bloch probiert dies und bietet ein solches Liebhaberexemplar in einer Auflage von 75 Stück für 52,00 Euro an.

 

Es ist ein Horrorbuch, geschrieben von Michael Siefener, ein ausgewiesener Meister seines Fachs. Die Handlung wirkt zunächst banal: Ein Großvater soll seinen verzogenen Enkel übers Wochenende hüten und will mit diesem einen Zirkus in Düsseldorf besuchen. Doch der Zirkus Numquam scheint nicht zu existieren, obwohl Opa Henry zwei Eintrittskarten von einem Straßenverkäufer erstanden hat. Eine unheimliche Suche nach Numquam, übersetzt »Niemals« beginnt, bei der der Enkel verschwindet. Ein Antiquar kann einen ersten Hinweis geben und je weiter Opa Henry seine Suche nach dem Enkel und dem Zirkus fortsetzt, umso stärker „entgleist“ seine Umwelt.

 

»Henry sah wieder den Mann im Staubmantel an.

Er hatte sich verändert.

Er schien kleiner geworden zu sein, der Mantel saß plötzlich lockerer, das Gesicht war faltiger, als wäre es geschrumpft, die Hände verschwanden in den Ärmeln des Mantels. Der Prozess setzte sich unter Henrys verblüfften Blicken fort. Bald lag nur noch der Mantel wie dahingeworfen auf dem Sitz, und unter ihm huschte etwas davon, das bei flüchtigem Hinsehen eine Ratte zu sein schien.« S. 45

 

Der Mann gegenüber in der S-Bahn, die vertrauten Straßen, alles mutiert, wird für den Protagonisten zu einer angsteinflößenden Umgebung, selbst die Tageshelligkeit nimmt für ihn deutlich ab obwohl es erst Mittag ist.

 

Es wäre nicht Michael Siefener, wenn er nicht verstünde, diesen Alptraum noch zu steigern. Beklemmende Veränderungen finden statt, bei denen nicht klar wird, ob sie der Protagonist wirklich wahrnimmt oder ob es sich um eine Posse handelt. Doch die kranken Irritationen kriechen langsam in den Leser. Die Angst, dass dies nicht nur die Fantasie des Autors sein könnte, sondern dass sich auch die eigene Welt in nicht zu fassende Elemente verändert dringt tief ins eigene ich.

 

»Die Ekstase der Vernichtung. Die vollendete Lust der vollkommenen Unerträglichkeit. Die Sehnsucht nach dem, was einen zerstört. Es ist wie bei einem Drogenabhängigen, nur tausendfach schlimmer. Und tausendfach schöner und ekstatischer.« S. 92

 

Das ist Horror vom Feinsten. Wenige Exemplare von Numquam sind noch über antiquarisch oder direkt bei Robert N. Bloch zu beziehen, unter: robertbloch@web.de

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Buch:

Numquam

Eine Zwielichtmäre

Autor: Michael Siefener

Illustrationen: Heiner Stiller

gebunden, 144 Seiten

Privatdruck Robert N. Bloch, 2018


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Erstellt: 10.01.2019, zuletzt aktualisiert: 30.03.2024 19:30, 17255