Schon seit Jahren zeichnet sich Ursula Poznanski durch die Tatsache aus, dass sie mit sicherem Händchen aktuelle Themen aufgreift und in moderne Thriller verarbeitet, die sich an Leser und Leserinnen ab vierzehn richtet. Treffsicher setzt sie die Lebenswelt ihrer Helden in Szene, wie sie nun auch wieder in »Oracle« beweist.
Schon als Kind hat Julian mit seltsamen Wahrnehmungen zu kämpfen, die niemand wirklich ernst nimmt. Statt dessen kommt er in Therapie und muss Tabletten nehmen, kann Jahre lang nicht wirklich unter Menschen gehen. Doch mit dem Studium wagt er einen Schritt nach vorne und beginnt sich seinen Dämonen zu stellen.
Ermutigt von einigen Kommilitonen und einem Klassentreffen, setzt er nun seine Tablette ab und versucht heraus zu finden, ob und wie die Wahrnehmungen wirklich nur Wahnvorstellungen sind oder die Gabe, erkennen zu können, ob einer Person in der Zukunft etwas schlimmes passiert oder nicht.
In einer Zeit, in der viele andere Autoren und Autorinnen übersinnliche Gaben eher verklären und als besonderes Beiwerk in ihre romantisch angehauchten Werke einbauen, geht Ursula Poznanski bewusst einen ganz anderen Weg. Sie bleibt nahe an der Wirklichkeit, denn für Julian und sein Umfeld sind die Wahrnehmungen eher ein Fluch und Hirngespinste, die den jungen Mann belasten und psychisch angeschlagen haben werden lassen.
Nun aber ist er in einem Alter, in dem er sich Fragen stellt und entschlossen der Frage nachgeht, ob das, was er an Menschen sieht, wirklich so ein Fluch sein muss. Lebensnah und vor allem glaubwürdig beschreibt sie seine Gedanken und Gefühlen, bietet auch in einem Umfeld ein breites Spektrum an Verhalten, wenn die anderen davon erfahren.
Das wird überraschend unspektakulär geschildert, hat darum aber gerade einen sehr glaubwürdigen und nachvollziehbaren Touch. Denn man kann sich sehr gut in die neue Umgebung hinein versetzen, sich die neu gewonnenen Bekannten und Freunde bestens vorstellen.
Auch die Auflösung kann sich sehen lassen, denn am Ende werden alle Fäden sauber zusammengeführt. Bis dahin gibt es keine Längen, gibt es doch genügend spannender Anknüpfungspunkte.
Die Figuren sind gut ausgearbeitet und haben alle mehr oder weniger Profil, zumindest die jungen Leute. Blasser wirken da schon die Erwachsenen, die eher am Rand auftauchen, was aber vermutlich gewollt ist.