Portal der Welten (Autor: Adrian Tchaikowsky)
 
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Portal der Welten von Adrian Tchaikowsky

Rezension von Matthias Hofmann

 

Adrian Tchaikovsky muss man zu den wichtigsten Stimmen der britischen Science Fiction zählen, von denen jedes neue Werk eine interessante Leseerfahrung verspricht. Zu seinen Glanzleistungen zählt der Roman Die Kinder der Zeit, der 2016 mit dem Arthur C. Clarke Award ausverzeichnet wurde. Der Preis wird an den besten SF-Roman verliehen, der im Vorjahr in Großbritannien veröffentlicht wurde. Er liegt, ebenso wie das Sequel Die Erben der Zeit, auf Deutsch bei Heyne vor.

 

Der 1972 geborene Tchaikowsky ist nicht nur vielseitig und in diversen Genres zu Hause, sondern er schreibt fundiert. Er studierte Zoologie und Psychologie an der Universität von Reading. Und das merkt man nicht nur bei seinen besten Romanen, sondern auch bei seinem neusten Streich mit dem Titel Portal der Welten.

 

Hierbei handelt es um einen Einzelroman, was man heutzutage fast schon extra betonen muss, weil die »Fortsetzeritis« die SF und Fantasy seit gefühlt Ewigkeiten stark infiziert hat. Wobei …, das Buch umfasst mehr als 600 Seiten. Das hätte noch in den 1950er Jahren eine Trilogie ergeben …

 

Gewidmet den »verpassten Chancen«, ist "»Portal der Welten« im Kern eine »Was-wäre-wenn?«-Geschichte. Erzählt wird von Parallelwelten und alternativen Verläufen der uns bekannten Geschichte der Erde. Eine kleine illustrierte Zeitleise zu Beginn des Romans, die im Ediacarium, also vor 565 bis 540 Millionen Jahren beginnt, macht es deutlich. In diese Zeit datiert man die ältesten fossilen Funde mehrzelligen tierischen Lebens. Dann geht es übers Kambrium, dem Aufkommen von ersten Nesseltierchen, Weichtieren oder Schwämmen, über Trias, Jura oder Pleistozän bis zur heutigen Neuzeit und darüber hinaus. Man merkt schon, da wird eine ganze Menge Evolution verarbeitet.

 

Tchaikowsky bietet verschiedene, zunächst separate Handlungsstränge, die er im Verlauf der Handlung miteinander verwebt und die in einem England der nahen Zukunft spielen. Da ist zum Beispiel das lesbische Pärchen Elsinore Mallory (genannt Mal) und Lisa Pryor (genannt Lee). Die beiden Studentinnen haben ein ausgefallenes Hobby: Kryptozoologie, eine Art Wissenschaft, die sich mit Tieren beschäftigt, deren Existenz nicht eindeutig nachgewiesen ist. Jeder hat vielleicht schon mal vom Yeti, Tatzelwürmern, Nessie & Co. gehört.

 

Mal und Lee hinterfragen Augenzeugenberichte und urbane Legenden, befassen sich mit rätselhaften Spuren oder verschwommenen Filmen und Fotos, um deren Geheimnisse zu ergründen. Gleich im ersten Kapitel erfährt man, im Rahmen der Beschreibung der beiden, dass Lee an der Uni in Reading studierte, also an der gleichen Universität wie Adrian Tchaikowsky. Diese Information ist nicht bloß ein interessanter »fun fact«, sondern ein schönes erstes Indiz dafür, wie stark der Autor die Grenzen zwischen realistisch und pseudorealistisch im gesamten Roman verschwimmen lässt.

 

Ein mysteriöser Fall, ein YouTube-Video mit dem Titel »Vogelmensch von Bodmin?«, führt die beiden Kryptidenjägerinnen in ein Hochmoor in Cornwall, dessen Granituntergrund bis ins Zeitalter des Karbon zurückdatiert wurde. Es kommt wie es kommen muss. Mal verschwindet auf mysteriöse Weise. Vorerst.

 

Daneben entrollt Tchaikowsky die Geschichten des Agenten des britischen Geheimdiensts MI5 namens Julian Sabreuer, der brillanten Transgender-Wissenschaftlerin Dr. Kay Amal Kahn und des ehemaligen Soldaten Lucas May.

 

Wenngleich die einzelnen Geschichten für sich unterhaltende Züge tragen, erfordert die Lektüre des Romans gesamtheitlich eine gewisse Portion an Konzentration, da Tchaikowsky nicht nur sein komplettes Fachwissen einbringt und dadurch stellenweise den flotten Leser, der nur an Handlung und Action interessiert ist, leicht überfordern könnte, sondern er obendrein versucht, ein Szenario zu entwerfen, welches in sich selbst glaubwürdig wirkt. Und nicht nur eines, sondern viele verschiedene Szenarien.

 

Zusammengehalten werden all die verschiedenen Stränge, die im Verlauf des Plots fusionieren, mit Auszügen aus dem fiktiven Buch »Die anderen Eden – Spekulative Evolution und Intelligenz« von einer gewissen Ruth Emerson, einer Professorin an der University of California.

 

»Portal der Welten« ist ein Roman, den ich all denen empfehlen möchte, die gerne mitdenken und sich spekulativen neuen Ideen hingeben. Wer SF-Literatur sucht, die zum Denken anregt und gleichzeitig auch eine innovative Handlung bietet, ist hier genau richtig.

 

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Buch:

Portal der Welten

Original: The Doors of Eden, 2020

Autor: Adrian Tchaikowsky

Taschenbuch, 640 Seiten

Heyne, 10. Mai 2021

Übersetzung: Irene Holicki

Titelillustration: Ferojay

 

ISBN-10: 3453424905

ISBN-13: 978-3453424906

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B08MCBRXRD

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 21.08.2021, zuletzt aktualisiert: 27.06.2023 19:37, 20019