Prügelknabe von Jana Frey
Rezension von Lars Perner
Die Pest wütet im mittelalterlichen Deutschland. Niemand entgeht ihr. Auch in dem kleinen Dorf, in dem Elias wohnt, werden alle Menschen von der Seuche dahingerafft. In ihrer Trauer und Wut zerstören die Dörfler jedoch noch bevor sie ihr Schicksal ereilt ein Nachbardorf. In diesem leben ausschließlich Juden, denen die Schuld am Untergang des Dorfes gegeben wird. Dies alles überleben nur Elias und ein kleines jüdisches Mädchen, Sulamith. Jeder für sich alleine kann kaum überleben. Also müssen beide gemeinsam gegen Hunger und bösartige Menschen ankämpfen, um einen Ausweg aus ihrer Lage zu finden. Und so scheint sich auch oft alles zum Guten zu wenden. Elias kommt ein Kloster, in dem er gesund gepflegt wird und schließlich gelangen beide sogar als Gäste an den Hof des Herzogs, wo der Bruder des Herzogs Gefallen an Sulamith findet und sie heiraten möchte.
Doch jedesmal, wenn die beiden Kinder (die im Verlaufe der Geschichte erwachsen werden) vermeintlich Glück haben, entpuppt sich dies nur als trügerischer Schein. Immer kommt es zu Gewalttätigkeiten der zunächst meist freundlichen Helfer – besonders gegenüber Elias. Der kann sich zunehmend der Rolle als Prügelknabe nicht entziehen und wird immer tiefer in den Sog der Gewalt gezogen.
Ein Buch also über zwischenmenschliche Gewalt. Der mittelalterliche Hintergrund dient nur als Kulisse. Genauso gut könnte die Geschichte zu jeder anderen Zeit spielen und wirft zeitlose Fragen auf. Warum gibt es Täter und Opfer? Was macht diese zu dem was sie sind? Warum wehren sich die Opfer nicht und was passiert, wenn sie es doch einmal tun. Jana Frey nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie schildert die Grausamkeiten eindringlich doch ohne Sensationslüste zu befriedigen. Auch alltägliche Dinge (insbesondere die aufkeimende Sexualität der beiden Hauptfiguren) werden offen vor dem Leser ausgebreitet.
Man leidet mit Elias mit und wünscht ihm endlich ein Ende seiner Qualen, ohne jedoch ihm helfen zu können; denn scheinbar gibt es kein Entrinnen aus dem Teufelskreis. Jeder Ausbruch scheint nur schlimmere Folgen nach sich zu ziehen. Die Spannung steigt so während der Erzählung stetig an.
Daher ist es sehr schade, daß zum Schluß Elias nicht dank seiner eigenen freien Entscheidung den Grausamkeiten entkommt, sondern jemand anderes das für ihn tut. So wirkt das Ende des Romans mehr wie ein Happy End, das einem Holly Wood - Film alle Ehre machen würde aber nicht so recht zum Rest der Erzählung paßt.
Fazit: Prügelknabe ist kein historischer Roman. Gewalt ist das Thema des Buches. Es regt zum Nachdenken an über Täter, Opfer und warum eine zunehmend abgestumpfte und mit sich selbst beschäftigte Umwelt versagen muß bei diesem Thema.