Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten (Autor: Kerstin Gier)
 
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Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten von Kerstin Gier

Rezension von Christian Handel

 

Von Geburt an wird um Gwendolyns Cousine Charlotte großes Aufheben gemacht. Die soll nämlich das äußerst seltene und mysteriöse Zeitreise-Gen geerbt haben, das es ihr ermöglicht, Kurztrips in die Vergangenheit zu machen. Und dafür wird Charlotte bereits seit frühester Kindheit ausgebildet. Sie spricht mehrere Sprachen, kann Tanzen, Fechten und kennt sich in Hofetikette und Geschichte aus. Leider hat all das aus ihr eine distanzierte und etwas arrogante Einzelgängerin gemacht. Als Charlotte ins kritische Alter kommt, an dem ihr erster Zeitsprung ansteht, wird die komplette Familie richtig nervös. Das ist schließlich der Augenblick, auf den alle schon so lange gewartet haben. Dumm nur, dass dann nicht Charlotte in die Vergangenheit verschwindet, sondern Gwendolyn. Sie hat das Zeitreise-Gen geerbt. Sie ist Rubin, die letzte von zwölf Zeitreisenden, deren Ankunft bereits vor Jahrhunderten vorausgesagt wurde. Während ihre Tante beinahe durchdreht, sind weder Gwen noch deren Mutter begeistert von den Zeitsprüngen, mit denen sich die Sechzehnjährige nun auseinander setzten muss. Nicht nur, dass sie nun alle paar Stunden Jahrzehnte oder Jahrhunderte in die Vergangenheit geschleudert wird. Sie erfährt jetzt auch, dass sie durch ihre Fähigkeit wichtig für eine geheime Loge von Forschern und Entwickeln geworden ist, die mit den zwölf prophezeiten, in verschiedenen Epochen geborenen Zeitreisenden an der Entschlüsselung eines gefährlichen Mysteriums arbeiten. Zusammen mit dem gutaussehenden, aber eingebildeten Gideon soll Gwendolyn nun kontrolliert durch die Zeit reisen, um an der Vollendung der großen Aufgabe zu arbeiten.

 

Ein ungewöhnliches Scherenschnitt-Cover, eine Farbe, die signalisiert „Mädchenbuch“, in Rot gedruckte Seitenzahlen und Kapitelvorworte – „Rubinrot“ macht bereits äußerlich durch seine schöne Aufmachung wirklich etwas her. Auch inhaltlich ist Kerstin Giers phantastisches (und auch ein bisschen romantisches) Jugendbuch ein wunderbarer Trilogieauftakt. Schade nur, dass er nicht auch als solcher gekennzeichnet ist. Das Buch wirkt eher wie ein für sich stehender oder zumindest in sich abgeschlossener Roman. Erst ganz zum Schluss, nach dem Epilog, weist der Verlag darauf hin, dass es sich um einen Dreiteiler handelt, dessen nächster Band noch nicht erschienen ist.

Ansonsten funktioniert der phantastische Jugendroman allerdings recht gut. Die Geschichte ist unterhaltsam, Kerstin Giers Stil liest sich nett (flüssig und gespickt mit zahlreichen popkulturellen Referenzen) und ihre Charaktere sind sympathisch (oder aber auch gern herrlich unsympathisch). Gerade ihre Hauptfigur Gwendolyn wächst dem Leser schnell ans Herz. Das liegt einerseits an der Ich-Perspektive, aus der die Autorin den Roman erzählt, darüber hinaus aber auch an Gwendolyns Authentizität. Mit Leslie stellt sie ihrer Hauptfigur darüber hinaus auch noch eine sympathische Freundin zur Seite, durch deren Internetrecherchen Gwen und damit der Leser auf dem Laufenden gehalten wird.

Einzig an das Londoner Setting muss man sich Anfangs etwas gewöhnen. Das bietet zwar eine traumhafte Kulisse, aber es wäre schön gewesen, wenn eine deutsche Autorin ihren Jugendroman auch hierzulande angesiedelt hätte – zumal hier Glaubwürdigkeit wesentlich schwerer zu erzeugen ist als bei Figuren. Auf den ersten paar Duzent Seiten tut sich Kerstin Gier damit auch etwas schwer. Der Schauplatz wirkt aufgesetzt und holprig – gerade wenn sie die Schüler einer Tagesschule auch noch „so krass“ in deutscher Jugendsprache reden lässt. Das verliert sich allerdings Gott sei Dank, wenn sich die Geschichte in Gwendolyns familiäre Umgebung verlagert.

 

Mit Zeitreise-Geschichten ist das immer so eine Sache: Reisen in die Vergangenheit und die Auswirkungen, die diese auf die Gegenwart und die Zukunft haben können, sind nicht nur philosophisch so kompliziert, dass sie bei längerem Nachdenken zu Kopfschmerzen führen könnten. Da muss man als Autor schon seinen Plot genau durchdenken, wenn man nicht a) seine Leser gedanklich abhängen will oder sich b) in logische Fehler hineinmanövriert, aus denen man sich selbst nicht mehr herausfabulieren kann. Auch „Rubinrot“ hat mit diesem Problem zu kämpfen. Im Großen und Ganzen gelingt es Kerstin Gier zwar, einen großen Bogen um Logiklöcher zu machen, bis ins letzte Detail will ihr dies allerdings nicht gelingen. Das liegt vor allem daran, dass ihre Romanidee darauf basiert, dass es eine geheime Gesellschaft aus Zeitreisenden gibt, die in verschiedenen Epochen geboren wurden und die auch eine Anhängerschaft besassen, die gemeinsam versuchen, ein Mysterium zu lüften und ein geheimnisvolles Artefakt seiner wahren Bestimmung zuzuführen. Da fragt man sich als Leser zwangsläufig, wieso nicht Figur A oder B nicht eine Zeitreise unternommen hat, um Ereignis X zu verhindern oder Y zu forcieren – da helfen auch der eingeführte Verhaltenscodex und die Regeln nicht, die die Autorin in „Rubinrot“ eingebaut hat. Vielleicht hat sich Kerstin Gier für diese scheinbaren Löcher auch tatsächlich bereits Lösungen parat, im ersten Band um Gwendolyn und Gideon erfährt der Leser hierüber jedoch nichts.

Das ist freilich nicht allzu schlimm, die logischen Fallen sind überschaubar und wenn man seine Spitzfindigkeit zurückfährt und sich einfach auf die flotte Geschichte einlässt, dann stört das gar nicht so sehr und „Rubinrot“ macht richtig Spaß. Das einzige, was man zum Schluss noch etwas vermisst, ist ein echter Höhepunkt, in dem vielleicht doch bereits das eine oder andere mehr oder minder stark angedeutete Geheimnis gelüftet wird. Der fehlt nämlich, trotz einer spannenden Schlussszene.

 

Da bleibt dem Leser wohl nichts anderes übrig, als auf „Saphirblau“ zu warten, welches Ende 2009 / Anfang 2010 in den Läden stehen soll. Wenn es Kerstin Gier dann gelingt, ihre Leser bei der Stange zu halten, uns ein paar mehr Details zu verraten und uns vielleicht auch noch ein bisschen besser mit ihren Nebenfiguren wie Charlotte oder Lady Arista bekannt zu machen, dann hat die Trilogie das Zeug zum Kult.

 

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Buch:

Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten

Autor: Kerstin Gier

Gebundene Ausgabe: 352 Seiten

Verlag: Arena (Januar 2009)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3401063340

ISBN-13: 978-3401063348

Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 13 Jahre

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 23.09.2009, zuletzt aktualisiert: 04.07.2023 19:18, 9231