Schattenliebe von A. M. Jenkins
Rezension von Tanja Elskamp
Rezension:
A. M. Jenkins schuf mit „Schattenliebe“ einen 242-seitigen Taschenbuchroman, der sich an Leser ab dreizehn Jahren richtet und eine Geistergeschichte der ungewöhnlichen Art erzählt.
Nach der Trennung der Eltern hat Evans Mutter ein altes viktorianisches Haus erstanden, in das sie mit dem jugendlichen Evan und dessen kleiner Schwester Libby einzieht. Evan ist mit der allgemeinen Situation unzufrieden. Da seine Mutter ihre Arbeitszeit daheim vor allem verträumt, der Vater sich mittlerweile sich nicht mehr meldet, Libby langweilig ist und sich Schuldgefühle einredet, warum Papa seine Kinder nicht mal mehr besuchen kommt, fühlt Evan sich mit übertragener Verantwortung zu Unrecht überladen. Dabei hat Evan ganz eigene Probleme:
Schon lang ist Evan mit Carrie zusammen, doch in letzter Zeit kriselt es in der Beziehung. Carrie verlangt Liebesschwüre, und diese Forderung geht Evan auf die Nerven, der eigentlich mit Carrie einfach nur eine schöne Zeit abseits des Familienrummels erleben will und nicht noch mehr Diskussionen und Ärger. Dass Evan seit dem Einzug in das neue Haus nachts ständig sexuelle Träume von einer fremden blonden Schönheit hat, macht die Situation nicht gerade leichter. Erst recht nicht, als Libby anfängt zu behaupten, sie sähe immer wieder mal ein blondes Mädchen im Haus …
Die hier erzählte Geistergeschichte ist eine sehr innovative, vor allem deshalb, weil es keine „echten“ Berührungspunkte zwischen dem Geist des Mädchens Cora und Evan gibt. Cora teilt sich dem Leser allein über Gedankenfetzen mit, die immer wieder die sonstige Handlung unterbrechen und durch meist wenige, kursiv gesetzte Zeilen gekennzeichnet werden. Diese Darstellung wirkt zwar geisterhaft, jedoch auch recht kryptisch. Dabei ist Cora stets eine Beobachterin Evans und erinnert sich parallel an ihre einstige Liebe und ihren eigenen Tod, Evan hingegen erfährt nur weniges über Cora aus seinen Träumen und Dokumenten in einer Kiste, die beim Umbau des Hauses gefunden wurde. Durch diese Elemente wirkt „Schattenliebe“ zwar durchaus mysteriös, echte Stimmung und Atmosphäre hingegen will beim Leser einfach nicht aufkommen. Cora äußert sich zu kryptisch und oberflächlich, als dass ein Bezug aufgebaut werden könnte – und das, obwohl fast 140 Seiten des Buches allein mit ihren Gedankenfetzen gefüllt wurden. Auf den restlichen hundert Seiten hingegen gelingt es nicht, einen wirklichen Zugang zu Evan zu bekommen, da Evan in diese hundert Seiten Vergangenheit und Hintergründe, allgemeine Gedanken, Ärger über den Vater, Sorgen um die Mutter, Verantwortungsgefühl gegenüber der Schwester, Beziehungsprobleme und feuchte Träume unterbringen muss – eine undankbare Aufgabe.
Aus „Schattenliebe“ hätte aufgrund des innovativen Ansatzes ein wirklich gutes Jugendbuch werden können, das die Themen Liebe und Beziehung mit einem leichten Grusel- und Mysterygefühl verbindet, doch diese Chance ist durch den mehr als großzügigen Einsatz Coras’ Gedankenwelt vor allem leider vertan worden. Was bleibt, ist ein gerade mal durchschnittlicher Roman, den mal schnell gelesen und fast ebenso schnell wieder vergessen hat – schade.