Schöne Neue Welt (Autor: Aldous Huxley)
 
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Schöne Neue Welt von Aldous Huxley

Rezension von Matthias Hofmann

 

Aldous Huxleys Schöne Neue Welt ist wieder da.

 

Nicht, dass das Buch jemals weg war. Bis auf die Zeit, in der die Nazis den Roman auf die Liste der verbotenen Publikationen gesetzt haben, ist das Werk aus dem Jahr 1932, das noch im Veröffentlichungsjahr der englischen Originalausgabe erstmals auf Deutsch erschienen ist, stets lieferbar.

 

Die Erstausgabe des Leipziger Insel Verlags trug noch den Titel Welt – wohin? Ein Roman der Zukunft. Das Frontcover zierte kein Motiv, sondern dieser Text: »Eine Utopie, – aber nicht vom billigen Optimismus des herkömmlichen Zukunftsromans, der von einer Welt im rosigen Licht träumt. Huxley zaubert uns kein unerreichbares Wunschbild vor, predigt nicht und will nicht bessern. Er denkt mit unerbittlicher Folgerichtigkeit den ›Fortschritt‹ zu Ende, zu einem unausweichlich grotesken Ende.«

 

Das Buch gilt als Pflichtlektüre, und zwar nicht nur für Science-Fiction-Fans, sondern für alle. Neben George Orwells 1984 zählt es als wichtigste Dystopie, die jemals geschrieben wurde. Auf der Top 100 der »Besten Romane des 20. Jahrhunderts« der Modern Library belegt »Schöne Neue Welt« Platz 5 (Orwells »1984« ›nur Platz‹ 13).

 

Keine Frage, Huxleys Anti-Utopie mit dem Untertitel »Ein Roman der Zukunft« ist ein literarisches Schwergewicht: ein Buch, das man mehrfach lesen kann, oder eher, mehrfach lesen muss, um wirklich alle seine Facetten erkennen zu können.

 

Aktuell ist »Schöne Neue Welt« wieder im Gespräch durch eine Neuverfilmung. Die TV-Serie Brave New World aus dem Jahr 2020 umfasst neun Folgen. Ihre deutsche Online-Premiere hatte die Serie am 28.09.2020 auf TVNOW. Nur fünf Tage zuvor veröffentlichte S. Fischer eine luxuriöse Neuedition des Werks. Ein guter Grund, sich den Roman wieder (oder endlich, je nachdem, ob man ihn schon einmal gelesen hat oder nicht) zu Gemüte zu führen.

 

Seit den 1950er-Jahren erscheint das Buch bei Fischer in verschiedenen Varianten. Aktuell gültig ist die Neuübersetzung von Uda Strätling. Sie berücksichtigt sowohl die Originalschauplätze als auch die originalen Eigennamen, die Aldous Huxley gewählt hat, und kommt damit dem Original am nächsten.

 

Die in dem Buch beschriebenen Auswüchse einer modernen Gesellschaft sind auch heute noch erschreckend aktuell. Gerade in Zeiten von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern, die glauben, dass ihnen der Staat grundsätzlich die eigene Freiheit beschneiden will.

Dabei ist es sogar höchst bemerkenswert, was Huxley alles tendenziell richtig im Jahr 1932 vorausgesagt hat. Seine moderne Gesellschaft des Jahres 2540 verspricht »Stabilität, Frieden und Freiheit« und erzielt dies in Form eines futuristischen Weltstaats, der menschliche Reproduktion automatisiert, die Psyche manipuliert und Verhaltensweisen konditioniert hat.

 

Fortpflanzungsprobleme sind passé. Allerdings wird Nachwuchs nicht mehr von schwangeren Frauen zur Welt gebracht, sondern in flaschenartigen Behältern, wo sie quasi in Brutzentren wie Autos am Fließband produziert werden. Genmanipulation war zu Huxleys Zeit noch nicht möglich, sodass Embryonen oder Kleinkinder physisch beeinflusst werden. So entstand bei Huxley ein mehrstufiges Kastensystem mit Alphamenschen (Alpha-Plus), die regieren, bis hin zu Epsilon-Minus-Menschen, die einfach gestrickt und körperlich klein gewachsen sind. Und dann gibt es noch Ureinwohner, die abseits der konditionierten Welt leben …

 

Sex gibt es nach wie vor, aber zum reinen Vergnügen und es kann und darf schön polyamourös jede mit jedem kopulieren, wie es gerade in den Sinn kommt. Probleme haben die Menschen der Zukunft nicht mehr. Alle Kasten sind darauf getrimmt, sich hemmungslosem Konsum hinzugeben. Für Probleme und Hintergedanken gibt es als Allheilmittel die Droge Soma, die den modernen Menschen ruhigstellt. So kommt man schon nicht auf den Gedanken, dass etwas faul wäre im Staat.

 

Unterm Strich wird alles von der Weltregierung gesteuert, natürlich auch die Bevölkerungszahl. Krankheiten, Armut oder tattrige alte Menschen wurden abgeschafft. Eine schöne neue Welt ist das, oder?

 

»Schöne Neue Welt« gehört zu den Büchern, die man im Leben wenigstens einmal gelesen haben sollte. Aber Obacht, es ist keine leichte Lektüre. Es steckt ganz schön viel drin. Bereits aus der Namensgebung der Protagonisten kann man eine Wissenschaft machen, wenn man will. Am Ende der Neuedition finden sich mehr als 20 engbedruckte Seiten mit Anmerkungen und Anregungen. Auch ein Vorwort von Aldous Huxley zur zweiten Auflage ist in dem Buch (kurioserweise nach dem Roman, quasi als Nachwort) abgedruckt, in dem der Autor teilweise sein eigenes Werk kritisiert und zugibt, dass er es Jahre später etwas anders schreiben würde.

 

Das völlig Neue und Einzigartige an dieser Neuausgabe sind die Illustrationen von Comiczeichner Reinhard Kleist. Der Berliner Künstler hat nicht nur die Umschlagillustration, sondern auch zahlreiche Farbbilder und Vignetten gezeichnet. Für echte Kleist-Fans gibt es auch eine auf 300 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit einem nummerierten und signierten Siebdruck von Kleist.

 

Diese neue wohlfeile illustrierte Ausgabe ist ein guter Grund, sich diesen wichtigen (erneut) Roman zu Gemüte zu führen.

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Buch:

Schöne Neue Welt

Autor: Aldous Huxley

Originaltitel: Brave New World (1932)

Übersetzung: Uda Strätling

Titelillustration: Reinhard Kleist

Hardcover, 352 Seiten

S. Fischer, 23. September 2020

 

ISBN-13: 978-3103900088

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 31.10.2020, zuletzt aktualisiert: 18.02.2024 09:28, 19123