Sommer der Nacht von Dan Simmons
Rezension von Markus Mäurer
Nichts ist so endlos wie ein Sommer der gerade begonnen hat. Vor allem wenn man erst zwölf Jahre alt ist, so wie Dale und seine Freunde von der Fahrradpatrouille. Außer vielleicht die letzte Schulstunde vor den Sommerferien, die sich in einer quälenden Langsamkeit wie Kaugummi hinzieht. Für Tabby Cook wird sie niemals enden. Der etwas einfältige Junge geht während dieser letzten Stunde auf die Toilette, was eigentlich kein Problem sein sollte. Doch in dem alten und riesigen „Old Central“ Schulgebäude von Elm Haven befindet sich die Toilette im unheimlichen Keller des Gebäudes. Ein verzweigtes Labyrinth unter dem sich angeblich noch ein viel tieferer Keller befinden soll. Tabby will diesen Keller erkunden und ward nie wieder gesehen. Für die Schulleitung ist klar, dass der aus einer verwahrlosten Familie stammende Junge abgehauen ist. Doch seiner Mutter und seiner Schwester Cordie ist klar, dass der Schulleiter Dr. Roon ihnen etwas verheimlicht. Auch die Jungs von der Fahrradpatrouille Mike O’Hara, Kevin Grumbacher, Jim Harlen, Duane McBride und die Brüder Dale und Lawrence Stewart ahnen das in dem alten Gebäude, das bald abgerissen werden soll, etwas mysteriöses vorgeht. Sie beschließen das Personal der Schule zu beschatten, und werden dabei in eine Reihe unheimlicher Vorgänge verstrickt, die am Ende sogar ihr Leben bedrohen.
Zunächst ist es ein Sommer voller Abenteuer und Freiheit den Dan Simmons hier heraufbeschwört. Endlose Wochen in denen die Freunde all das tun könne, wovon Zwölfjährige eben träumen. Mit den Fahrrädern patrouillieren, Baseball spielen, schwimmen, große Schlachten führen und Open Air Kino. Eine – zumindest größtenteils – behütete Kindheit in der amerikanischen Kleinstadtidylle der 60er Jahre. Sicher manche Eltern sind getrennt oder gestorben, sind Alkoholiker oder arbeitslos, das hindert die Kinder aber nicht daran eine glückliche Zeit zu haben. Doch etwas Böses ist im Gange und schleicht sich langsam und subtil in das Kleinstadtleben hinein. Und nur die Kinder sind in der Lage es wahrzunehmen.
Es ist wohl nur die Unschuld der Kindheit, die es schafft, dass die Jungen das Böse praktisch, von ihren Eltern unbemerkt, neben ihrem normalen Alltag bekämpfen. Ein böses Geheimnis, dass die Freunde zusammenschweißt.
„Sommer der Nacht“ wurde schon oft mit Stephen Kings „Es“ verglichen, und dass nicht zu unrecht. Erinnert Simmons Buch doch an die Kindheitspassagen von „Es“. Nur dass bei Simmons das ganze Buch aus diesen Passagen besteht. Wie King schafft er es die Kindheit realistisch und glaubhaft zu schildern. Er ist in der Lage sich in die Gedankenwelt der Zwölfjährigen hineinzuversetzen und sie auf spannende und witzige Weise wiederzugeben. Er verleiht jeder einzelnen Figur einen eigenen Charakter mit Tiefe, und schreibt dies alles in einem sehr ansprechenden Stil.
Eine Zeitreise zurück in die 60er Jahre. Eine Welt voller Abenteuer, Spaß und dunklen Geheimnissen. Ein Buch über Freundschaft und das Erwachsenwerden. 797 spannende Seiten ohne Längen. Ein Buch das ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann.