Kerri Maniscalco hat sich in die Bestsellerlisten geschrieben mit ihrer Fantasy-Trilogie Kingdom of the Wicked, die der Piper Verlag 2022 und 2023 auf Deutsch veröffentlichte. Und weil diese sich so gut verkaufte, hat man weitere Romane der US-Amerikanerin ausgegraben, um die Fans mit zusätzlichem Lesestoff zu versorgen.
Der Roman Stalking Jack the Ripper ist schon etwas älter. Er erschien 2016 und ist das erste Abenteuer aus der Reihe Die grausamen Fälle der Audrey Rose. Die Aufmachung des Buchs ist ein optisches Spektakel mit geprägten Titelschriftzügen (vorne, auf dem Rücken und hinten), und einem optisch ansprechenden Farbschnitt, der nicht nur schöne Muster zeigt, wie sie aktuell bei vielen Taschenbüchern für die jüngere Generation angesagt sind, sondern ein scharfes Messer.
Das Buch sieht nicht nur von außen ansprechend aus, sondern auch von innen. Es bietet eine Bebilderung, die aus alten Fotos besteht, die aus der Zeit stammen, in der die Handlung spielt. Eine Karte des Stadtteils Whitechapel gibt es auch. Der Roman spielt nämlich in London des Viktorianischen Zeitalters und wer auf ein solches Setting steht, bekommt davon jede Menge.
Der Roman ist im Kern ein Krimi mit leicht fantastischen Elementen. Es geht um einen der berühmtesten Serienkiller der Geschichte, dessen Identität nie wirklich aufgeklärt wurde: Jack the Ripper, der Ende des 19. Jahrhunderts im Londoner East End grausame Morde an fünf Frauen begangen hat.
Maniscalco hat sich möglichst an reale Gegebenheiten gehalten, an manchen Stellen jedoch etwas getrickst, um die Spannung zu erhalten. Das gibt sie im Nachwort freimütig zu und das ist völlig legitim. Es geht schließlich um einen Unterhaltungsroman und nicht um einen True-Crime-Bericht.
Heldin von »Stalking Jack the Ripper« ist Audrey Rose Wadsworth, eine gut behütete junge Frau, Tochter eines Lords, die ein Faible für das Fach Gerichtsmedizin entwickelt und auch kein Problem damit hat, mit ihrem Onkel Leichen zu sezieren. Als Mann verkleidet und eine tiefe Stimme imitierend, nimmt sie sogar an Autopsien an der Universität teil, um ihrem Hobby zu frönen. Das ist ein Punkt, an dem viele sagen würden, dass dieses Doppelleben unrealistisch sei, denn es wäre damals, anno 1888, ruckzuck aufgeflogen. Und auch an anderen Stellen wird die Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit von Audreys Handlungen mitunter arg strapaziert, aber nicht so stark, dass man laufend den Kopf schütteln würde.
Als die erste verstümmelte Frauenleiche gefunden wird, schickt sich Audrey an, der Sache auf den Grund zu gehen und beschäftigt sich immer mehr mit dem Fall, besonders als weitere Morde hinzukommen.
Bei ihren Ermittlungen, dem Mörder auf die Schliche zu kommen, ist sie nicht allein. Sie verbündet sich mit Thomas Cresswell. Der ist (natürlich) gutaussehend und sehr attraktiv, eigentlich (ebenso natürlich) aber ein leicht arroganter Macho, und genauso natürlich entwickelt Audrey Rose eine gewisse Zuneigung zu ihm, bis man sogar von einer ganz zarten Liebelei sprechen könnte. Wahrscheinlich wird sie in den Folgebänden noch stärker.
Die Handlung selbst ist so aufgebaut, dass man lange im Unklaren gehalten wird, wer denn Jack the Ripper sein könnte. Allerdings so dünn konzipiert, dass man relativ früh auf den Täter tippt. Zumindest mir ging es so.
Die Schwächen in der Struktur sorgen dafür, dass die Handlung nach einer gewissen Zeit seltsam unspannend wird. Dabei hilft auch nicht, dass sowohl die Hauptfigur als auch Charaktere wie Thomas merkwürdig zweidimensional bleiben und man kaum richtig mit ihnen mitfiebert. Hinzu kommt, dass einer wie Thomas insgesamt ziemlich unsympathisch wirkt.
Auf Grund der Voraussetzungen wollte ich »Stalking Jack the Ripperғ wirklich mögen und hatte mich sehr auf die Lektüre gefreut. Unterm Strich bleibt ein Frühwerk mit strukturellen Schwächen, dass durchaus gut geschrieben und dadurch zwar nett zu lesen ist, aber insgesamt eher das Fazit »mittelmäßig« verdient.
Der zweite Fall von Audrey Rose heißt Hunting Prince Dracula. Klingt interessant, aber ich bin am Zögern, ob ich ihn wirklich lesen und stattdessen lieber einem neuen Roman von Keri Maniscalco eine Chance geben will.