Sternennebel (Autor: Adam Roberts)
 
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Sternennebel von Adam Roberts

Rezension von Heiner Hink

 

Nachdem Astronomen in einem ca 25 Lichtjahre entfernten Sonnensystem einen Planeten entdeckt haben, der für die Besiedlung durch Menschen geeignet ist, brechen mehrere Gruppen von Siedlern dorthin auf. Sie hängen Ihre Habitate hinter einen Asteroiden, der in die richtige Richtung dirigiert und dann beschleunigt wird. In seinem Schlepptau befinden sich sechs Habitate, die jeweils von einer „Nation“ bewohnt werden. Jede dieser „Nationen“ ist unabhängig, soweit es um Angelegenheiten geht, die nicht unmittelbar etwas mit der Mission zu tun haben. Der Flug ist lang: Über ein Jahr Beschleunigungsphase, mehr als 20 Jahre im Tiefschlaf und schließlich ein weiteres Jahr für das Abbremsmanöver, bis der Asteroid schließlich in einen Orbit um die Zielwelt gebracht wurde. Bereits kurz nach dem Start sorgen die beengten Verhältnisse dafür, dass bei vielen Menschen die Nerven blank liegen und es kommt zu Zwischenfällen. Anfangs ist der Verkehr zwischen den verschiedenen Nationen noch recht rege, aber schon bald entstehen über unterschiedliche Philosophien, Sachfragen und Querelen über Zuständigkeiten Reibereien, die zwar harmlos anmuten, aber nichtsdestotrotz tiefer gehen. Noch ist man mitten im Transit, noch braucht man einander, noch macht man gute Miene zum bösen Spiel! Noch während des Fluges kommt es auf einem der Habitate zu einem Putsch, in dessen Verlauf der ursprünglich eingesetzte Kapitän entmachtet wird und an seine Stelle der ach so verständnisvolle und soziale Barlei tritt, der auch über weite Teile als Erzähler der Geschichte fungiert. Am Zielplaneten angekommen stellt sich heraus, das der Planet bei weitem nicht so einladend ist, wie es ursprünglich den Anschein hatte: Es ist weit weniger freies Wasser vorhanden, weite Teile des Planeten sind von einer dicken Salzschicht überzogen und Schwaden von giftigem Chlorgas sammeln sich in jeder Niederung. Trotz der widrigen Bedingungen gehen die Kolonisten mit Enthusiasmus daran, sich ihre neue Heimat Untertan zu machen, wobei den verschiedenen Nationen mit unterschiedlicher Erfolg beschieden ist. Allen Kollonisten gemeinsam ist jedoch der Mangel, der sich in den verschiedenen Nationen aufgrund der verschiedenen Grundvoraussetzungen unterschiedlich start bemerkbar macht. Das weckt Begehrlichkeiten unter den Kolonisten und es dauert nicht lange bis die Konflikte gewalttätige Züge annehmen. Von dort an bis zum offenen Krieg ist es dann nur noch ein kleiner Schritt ...

 

Adam Roberts Buch „Sternennebel“ (der englische Originaltitel lautet übrigens „Salz“) hat starke politische und philosophische Züge und es geht dem Autor weniger darum, exotische Welten und fremdartige Lebensbedingungen zu schildern. Sein Thema sind die Menschen, ihr Zusammenleben und die Mechanismen in ihren Köpfen. Statt auf einer fernen lebensfeindlichen Welt angesiedelt zu sein, könnte die Handlung auch genauso gut von mehreren Karavanen handeln, die inmitten einer Wüste einen Süßwassersee finden, und rund um den See herum ihre Dörfer errichten um dort zu leben. Roberts teilt die Rolle des Erzählers zwei Individuen zweier unterschiedlicher Nationen zu, die zudem auch noch unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten angehören. Barlei, ein Mann der sich mit Gespür and die Spitze seiner Nation geputscht hat, und Petja, der ein gebildeter Arbeiter ist. Die so geteilte Betrachtungsweise versetzt den Leser in die Lage die Ereignisse auf der Welt Salz (wie sie von ihren neuen Bewohnern genannt wird) aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die beiden Nationen, zwischen denen im Laufe der Handlung die Konfrontation entbrennt, könnten verschiedener nicht sein. Auf der einen Seite Senar mit Barlei an der Spitze, ein straff geordnetes und hierarchisch organisiertes Staatsgebilde, das durch und durch kapitalistisch und totalitär ist, auf der anderen Alslan, das eine Nation von Anarchisten ist, die nach gänzlich anderen Regeln leben, als die Senarer. Der Gang der Ereignisse, die schließlich zum Krieg führen, illustrieren deutlich wie menschliche Schwächen, Vorurteile, Acht- und Verständnislosigkeit, Eigennutz, Macht- und Habgier in blutigen Konflikten münden.

 

Wie gesagt, das Buch ist sehr politisch, ohne jemals trocken und/oder langweilig zu werden. Es lebt von den aufmerksamen Betrachtungen und soziologischen Rückschlüssen, die der Autor zieht und geschickt in die interessante Handlung einflicht. Allerdings entgleitet dem Autor an einigen Stellen die Figur des Petja, den er in der unmittelbaren Begegnung mit der Botschafterin von Senar allzu oft „Langeweile“ und „Unverständnis“ ob der Denkweise seiner Gegenüber empfinden lässt. Dann erfährt der Leser, dass eben jener Petja auf der Erde lange Zeit durch Länder gereist ist und sich dort aufgehalten hat, in denen eben solche Strukturen und Verhaltensweisen alltäglich sind. Hier wird die Geschichte teilweise unglaubwürdig, da die Motive nicht wirklich so gelagert, und das Unverständnis gegenüber den jeweils anderen nicht so groß wie geschildert sein kann. Aber dieser kleine inhaltliche Faux Pas dient dem großen ganzen der Geschichte, und die ist mit eben jenen kleinen Abstrichen durchaus gelungen. Unterm Strich ein durchaus empfehlenswertes Buch, das viele seiner Leser nachdenklich zurücklassen wird.

 

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Buch:

Sternennebel

Original: Salt, 2000

Autor: Adam Roberts

Taschenbuch, 415 Seiten

Heyne, Dezember 2006

Übersetzer: Alfons Winkelmann

 

ISBN-10: 3453520440

ISBN-13: 978-3453520448

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 18.12.2006, zuletzt aktualisiert: 18.02.2024 09:28, 3222