Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben (Kino; Action; FSK 16)
 
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Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben (Kino; Action; FSK 16)

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Höher, schneller, weiter: ein Gesetz, das besonders bei etablierten (Action-)Filmreihen seine Gültigkeit hat. Das beste Musterbeispiel hierfür dürfte wohl fraglos jenes Franchise um den unkaputtbaren Frauenschwarm mit der Lizenz zum Töten sein – James Bond. Seit einem bemerkenswerten halben Jahrhundert bekämpft der britische Agent omnipotente Schurken rund um den Globus, wird mit (fast) jedem neuen Abenteuer besagte Gesetzmäßigkeit wunderbar deutlich gemacht … bis jener Erlass um eine vierte Beschaffenheit ergänzt werden muss; zwangsläufig wohlgemerkt: lächerlicher.

Denn irgendwann kommt jedes visuell-narrative Kräftemessen unweigerlich an einen Punkt, an dem die, auch mitunter vom Publikum geforderte, Megalomanie zur Selbstparodie verkommt und sich selbst dank der eigenen Vorgaben gewissermaßen von innen heraus zerstört. Die einzige Lösung besteht schließlich in einer Art Zäsur, die vollständig alle überfrachteten Elemente abschüttelt und damit zurück zu den Wurzeln kehrt – was gerade bei 007 einige der besten Beiträge innerhalb der Reihe zur Folge hatte.

Was dies mit der Stirb langsam-Filmreihe zu tun hat? Auch hier fand, wenngleich nicht ganz so offensichtlich, eine ähnliche Steigerung statt, musste der sympathische New Yorker Cop John McClane (Bruce Willis) in immer größer angelegte Ausweglosigkeiten schlittern. War es nach dem Nakatomi Tower im wegweisenden Original der Washingtoner Flughafen in der Fortsetzung, wurde die Formel anno 1995 abermals gesteigert, indem gleich das komplette New York zum Spielplatz der Zerstörung erkoren wurde. 2007 wurden in Stirb langsam 4.0 schließlich die kompletten Vereinigten Staaten von Cyberterroristen bedroht.

Das Bemerkenswerte dabei: irgendwie schafften es die jeweiligen Regisseure und Drehbuchautoren stets von neuem, dass man – trotz der einen oder anderen Übertriebenheit – immer hochzufrieden und durchaus breit grinsend den Kinosaal verlassen durfte. Was natürlich auch an Mister Willis höchstselbst liegt, der für den Part des John McClane schlichtweg geboren wurde. Wenn sein Alter Ego mal wieder unfreiwillig diverse Feuerwaffen verwenden muss oder das x-te Feinrippunterhemd dank porentiefer Verunreinigung reif für die Tonne ist, ist es eben genau das, was man hauptsächlich sehen möchte. Wird das Ganze zudem noch von spektakulären Actionsequenzen mit einer halbwegs logischen Handlung begleitet, umso besser.

Doch genau hier könnte bei der vierten Fortsetzung, Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben, der Hund begraben sein. So wurden mit Regisseur John Moore und vor allem mit Autor Skip Woods zwei Leute engagiert, die nicht wirklich für sehenswerte Filme stehen bzw. im Falle von Woods sogar für einen der desaströsesten Actioner aller Zeiten mitverantwortlich ist (A-Team – Der Film, 2010). Auch John Moores Vita liest sich bestenfalls bedingt interessant: Im Fadenkreuz – Allein gegen alle (2001), Der Flug des Phönix (2004), Das Omen (2006), Max Payne (2008) – hier regiert bestenfalls der leidlich gute Durchschnitt und zwei Remakes und eine halbgare Computerspielverfilmung zeugen auch nicht gerade von überbordendem Einfallsreichtum … oder?

Nimmt man die ersten, teilweise erschreckend negativen Kritiken, als Indikator, so scheint es mit der vierten »Stirb langsam«-Fortsetzung in der Tat nicht weit hergeholt zu sein; verkommt nun auch und ausgerechnet hier das Spektakuläre zum Lächerlichen.

Wobei der nächste Schritt – nach den USA – zwangsläufig entweder in internationale Gewässer oder auf einen anderen Kontinent führen MUSS. Woods und Moore haben sich in diesem Falle für zweite Alternative entschieden, und gleichzeitig (unfreiwillig?) ein altes 80er Jahre Feindbild ausgegraben. Den bösen, bösen, Russen; richtig geraten. Der nichts von Demokratie hält, umso mehr aber von Macht und kriminell-terroristischen Machenschaften. Übrigens ein Kernpunkt der meisten Verrisse. Doch handelt es sich dabei wirklich »nur« um ein Abziehbildklischee?

Was ist beispielsweise mit einem Hardliner vom Schlage Putin, der Demonstrationen, die seine Person betreffen, blutig zerschlagen lässt oder kritische junge Musikerinnen ins Zwangslager schickt? Ist dies wirklich Demokratie? Oder doch ein Rückfall in alte und hässliche Strukturen? Lassen wir doch einfach mal den Deckmantel der politischen Korrektheit außen vor und nennen wir das Kind beim Namen: Das moderne Russland ist doch im Grunde ein »Konglomerat aus mafiosen Unternehmern, den Rechtsschutzorganen, der Justiz und der Staatsmacht«, um die 2006 verstorbene (ermordete?) Autorin Anna Politkowskaja zu zitieren. Insofern macht besagtes mutmaßlich veraltetes Feindbild durchaus Sinn. The more things change, the more the stay the same. Wie wahr.

Das solche Grabenkämpfe jedoch zumeist nicht vom kleinen Mann von der Straße befürwortet werden, zeigt eine äußerst sympathische Szene, in der sich John McClane unfreiwillig im Fond eines Taxis als durchaus limitierter Tourist aus den Staaten zu verstehen gibt, ehe der Fahrer (Pavel Lychnikoff) Verständnis zeigt und sogar eine kleine musikalische Nummer zum Besten geben darf. Ost-Westbeziehungen, wie sie sein sollten. Doch schon kurz darauf ist es vorbei mit der Menschelei, findet sich McClane abermals zwischen toten Beamten, brennenden Wagen, und pausenlos abgefeuerten Schüssen wieder – und das alles nur, weil er seinem in der Klemme steckenden Sohn Jack (Jai Courtney) zur Seite stehen wollte. Denn offenbar hat der junge Mann mächtig Ärger am Hals, wird er doch zusammen mit dem Whistleblower Yuri Komarov (Sebastian Koch) vor ein nicht unbedingt unparteiisches Gericht gestellt. Wobei Jack seine Strafe durch das Ausplaudern brisanter Details verkürzen wollte. Details, die ausschließlich Komarov betreffen, der seit Jahren in der Zelle schmort und von keinem Geringeren als dem Verteidigungsminister Chagarin auf knapper Flamme gehalten wird.

Verständlich, weiß Komarov schließlich um den Verbleib einer speziellen Akte, die seinen einstigen Mitstreiter Chagarin und letztlich sogar das ganze Land ins Verderben stürzen können; womöglich sogar noch mehr. Kein Wunder also, dass Chagarin sämtliche Hebel in Bewegung setzt und dabei auch nicht vor kaltblütigem Mord zurückschreckt – auch an Unschuldigen. Mit Komarov im Schlepptau gelingt Jack die Flucht vor dem Killerkommando, ehe er völlig unvermittelt auf jenen Mann stößt, für den er bestenfalls überschaubare Sympathien empfindet: seinen Vater. Doch inmitten des vorherrschenden Chaos, das schließlich eine tiefe Schneise der Zerstörung quer durch Moskau hinterlässt, raffen sich Vater und Sohn dann doch zusammen – irgendwie. Ihr Weg führt sie in ein Safe House und ebendort erfährt McClane schließlich die volle Wahrheit über seinen Sohn.

Ganz nach dem Motto »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm« hat auch sein Sprössling mehr oder weniger eine ähnliche Karriere eingeschlagen, mit dem Unterschied, dass Jack kein Cop ist, sondern für die CIA arbeitet – die offenbar ihren Agenten wie eine heiße Kartoffel hat fallen lassen. Mehr noch: dank Verrat wird die sichere Unterkunft zum Hinterhalt. Mit sehr viel Glück und dank tatkräftiger Unterstützung durch Daddy gelingt Jack abermals die Flucht. Seine einzige Möglichkeit, wieder lebend und in einem Stück zurück in die Heimat zu gelangen ruht fortan auf Komarovs geheimnisvoller Akte – und dem damit verbundenen Niedergang des russischen Verteidigungsministers! Wären da nur nicht diese vielen, vielen Haken. Etwa Chagarins Killerkommandos. Hässliche Kampfhubschrauber. Ein Geheimnis, das sich in den Trümmern eines ganz bestimmten ukrainischen Atomkraftwerks befindet. Sein Vater John …

 

Keine Frage: dieser Film wird die Fans gewaltig entzweien. Wurden auf der einen Seite viele Elemente des legendären 1988er Originals über Bord geworfen beziehungsweise auf ein Minimum reduziert (besonders die Charakterzeichnungen), setzen die Macher vollends auf ein erregendes Actionspektakel, welches gottlob abermals den Einfluss von Ur-Regisseur John McTiernan überdeutlich werden lässt. Denn wie schon sein Vorgänger Len Wiseman, orientiert sich Woods überwiegend am Erstling der Serie oder McTiernans grandiosem dritten Teil. Soll heißen: keine sinnlosen Schnitte, sauber choreographierte Action, präziser Einsatz von Steadycams. Hektik, die Spaß macht und eigentlich zu keiner Sekunde für Verwirrung sorgt. Insofern macht die relativ knappe Spielzeit von 98 Minuten wieder Sinn, werden lange Dialoge eben durch bombastische Verfolgungsjagden, Explosionen und Zerstörungen ersetzt, die zum Glück keine Sekunde Langeweile aufkommen lassen – jedenfalls bei Action-Junkies.

Was aber auch zu einem gewaltigen Teil Hauptdarsteller Bruce Willis zu verdanken ist. Seine Präsenz, sein überlebensgroßes Charisma, seine Coolness: Es gibt halt keinen zweiten, der so gut den bösen Jungs gehörig einen Tritt in die Weichteile verpasst. Wobei sein Söhnchen einiges von ihm gelernt hat, wenngleich die Vater-Sohn-Beziehung zu Beginn entschieden ein bisschen schwerfällig anmutet. Erst nach und nach wird daraus ein harmonisches Ganzes, dem man mit Spaß zusieht. Einzig beim dritten, finalen Akt wird’s haarig, kehrt Skip Woods’ Talent (?) zur Lächerlichkeit zurück an die Oberfläche. Stichwort Chernobyl. Ja, richtig gelesen. Ebendort müssen unsere Helden den Gegnern den Garaus machen. Hier schrammt der Film mitunter oftmals haarscharf an einer cineastischen Katastrophe vorbei, da manche Plotpoints einfach zu sehr an den Haaren herbeigezogen sind und ein vermeintlicher Twist einfach zu gezwungen und etwas zu unlogisch daherkommt.

Immerhin kriegt John Moore gerade so noch die Kurve, was nicht zuletzt auch einer Hommage an Alan Rickmans 88er Abgang zu verdanken ist. Leider besitzt der gebürtige Karlsruher Sebastian Koch nicht die intensive Präsenz des Briten, ist sein Spiel sehr reduziert und der ihm auf den Leib geschneiderte Twist dadurch auch nur bedingt glaubhaft. Dennoch dürfte sich der Mann für weitere Hollywood-Produktionen empfohlen haben; zu gönnen wäre es ihm. Ähnlich verhält es sich auch mit Jai Courtney. Auch er hat sich für die »starke, stille Type« entschieden, wenngleich die Kabbeleien mit seinem Vater durchaus etwas lebhafter hätten ausfallen können. Immerhin: Wenn’s hart auf hart kommt, steht er seinem Papa wenig nach – außer dass John McClane zumindest in diesem Teil mitunter das Glück für sich gepachtet hat. Man achte nur darauf, wie lange unser liebster New Yorker Cop braucht, bis er sich endlich mal eine blutende Wunde zugezogen hat.

Das ist dann definitiv zu viel des Guten. Leider auch sehr schablonenhaft: der Auftritt von Chagarins Handlanger Alik (Rasha Bukvic), der zwar eiskalt effektiv und gnadenlos brutal agiert, die wenigen, ihm zugestandenen Momente allerdings nur bedingt für sich nutzen kann. Da waren seine VorgängerInnen Alexander Godunov, Robert Patrick, Sam Phillips und Maggie Q ganz klar besser und deren Abgänge eindeutig sensationeller. Hier ist es bestenfalls ein heißes Lüftchen, welches nur für einen winzigen Moment für Staunen sorgt. Sehr schade, denn da wäre ganz eindeutig mehr drin gewesen.

Was zum eingangs erwähnten Dreisatz zurückführt. Schließlich hat Bruce Willis unlängst verkündet, auch für ein sechstes Mal das blutige Feinripp überzuziehen, bevor er »seinen« McClane endgültig in Rente schickt. Wie sollte solch ein Finale aussehen; wem sollte man das letzte Kapitel der Reihe anvertrauen? Auf jeden Fall wäre eine Rückkehr zu den Wurzeln mehr als wünschenswert, ein Schließen des Kreises. Noch größere, mutmaßlich spektakulärere Action wäre eindeutig verkehrt und würde einen hässlichen Beigeschmack hinterlassen. Ähnlich wie die Macher der Bondreihe, sollte man sich der Wurzeln rückbesinnen und einen, nun ja, etwas »intimeren«, überschaubaren Rahmen wählen. Dass der oftmals schon genügt, um atemlose Spannung zu generieren, bewies ja nicht zuletzt der legendäre erste Teil der »Stirb langsam«-Reihe. Mein Favorit für den vakanten Regieposten wäre übrigens Brad Bird, der sich mit dem vierten Part der Mission: Impossible-Reihe als ungemein versierter und einfallsreicher Actionexperte geoutet hat.

 

Fazit:

»Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben« steht für hervorragend choreographierte, überwiegend imposant in Szene gesetzte Action; nicht mehr – aber auch nicht weniger. Wer einen nervenzerreißenden Thriller á la Stirb langsam 1 erwartet, sollte besser diesen Film meiden, wenngleich die Essenz des Originals dank Bruce Willis’ solider Performance weitestgehend beibehalten wurde. Sehr unterhaltsam, sehr rasant – aber mitunter eben auch anders und moderner. Ein Film, der gewiss noch für sehr viele Diskussionen sorgen wird.

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Kino:

Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben

Originaltitel: A Good Day to Die Hard

USA, 2013

Regie: John Moore

Produktion: Alex Young

Kamera: Jonathan Sela

FSK: 16

Länge: 98 Minuten

Vertrieb: 20th Century Fox Home Entertainment

 

Darsteller:

Bruce Willis

Jai Courtney

Mary Elizabeth Winstead

Cole Hauser

Sebastian Koch

Yuliya Snigir

Radivoje Bukvic

Pavel Lychnikoff

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240328174722aedee4cc
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Erstellt: 21.02.2013, zuletzt aktualisiert: 21.12.2023 16:17, 12984