Sträters Gutenachtgeschichten (Autor: Torsten Sträter)
 
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Sträters Gutenachtgeschichten von Torsten Sträter

Rezension von Karin Reddemann

 

Sträter wünscht böse Nächte: Guter Mann!

Da fällt einem ein, dass in der Küchenschublade neben Ommas angelaufenem Salatbesteck noch einige böse Geschichten von vorvorgestern herumliegen, die ja nun grundsätzlich mal veröffentlicht werden sollten. Kann passieren, dass einem so etwas einfällt. Ist auch von der Basis her eine gute Idee. Wahrscheinlich nicht so unbedingt leicht in die Tat umzusetzen von Sven Schluppke oder Elsbeth Krusche. Von einem, der Torsten Sträter heißt, schon eher.

Da raunt es neidvoll in höllischer Gasse. »Logo, Promibonus!« Sagt die Krusche säuerlich . »Klar, und King macht jetzt Comedy.« Sagt der Schluppke pampig. Sie fühlen sich psychisch etwas angefressen, weil sie auch gern einem Verleger den schaurigen Inhalt ihrer Schubladen anbieten würden. Nichts dagegen einzuwenden. Aber was Sträter angeht, sind sie auf dem Holzweg. Der sagt achselzuckend:

 

»Ich hörte einfach auf zu atmen, glaube ich.

Mein Hirn schlug Kapriolen.

Ich war auf dem Grund angekommen, ich war …

Und wieder ruckte die Schnur.

Ich war gar nichts.«

(aus: Abwärts)

 

Gar garstige Unruhestifter

Niemand grinst. Da schluckt man erstmal. Das ist auch vernünftig so. Schluppke, Krusche & Co. sammeln sich. Es steht, realistisch betrachtet, immer noch der David vor der Nase, der dem Goliath sein Tod ist. Ganz zivil bleibt es dabei, dass es nie zu spät ist, um unpünktlich zu sein. Aber da gesellen sich jetzt eben auch diese unauslöschbaren Bilder im Kopf dazu, die nicht einfach nur ganz gemütlich hängenbleiben. Sollen sie ja auch nicht, diese gar garstig professionellen, uns Eingeweihten höchst willkommenen Unruhestifter. Hübsch sind sie nicht. Natürlich nicht. Angstmacher werden nicht bunt ausgemalt.

 

»Der einzige Hund der letzten Tage, ein Cockerspaniel, schwebte ausgeweidet an Blumendraht von der Decke. Eine abgetrennte Kinderhand, an deren Gelenk eine Swatch baumelte, war in sein Maul gesteckt, und er sah aus, als wollte er spielen. Seine Därme hingen aus ihm heraus wie blaugrüne, nasse Taue, und Marek beschloss, später eine Lichterkette daran zu befestigen.«

(aus: Geisterbahn)

 

In der Geisterbahn hab’ ich mir als Kind die Augen zugehalten. Schlechte Idee, weil die Geräusche um mich herum zu Fantasievorstellungen führten, die vermutlich einwandfrei schlimmer waren als alles, was ich hätte sehen können. Nie wieder ans Tageslicht zu kommen und stattdessen aufgespießt und ausgeweidet mit Glühbirnen in den Augenhöhlen als Gruselinventar herhalten zu müssen, ist mir so direkt freilich nie in den Sinn gekommen. Glaube ich. Dem Sträter schon. Der redet auch in der Kellerwüste Tacheles:

 

»Fassen wir mal zusammen, nur so aus Scheiß«, sagte der neuerdings Einohrige, nachdem wir vor das Zelt getreten waren. »Unsere Pferde sind wiehernde Hackbraten, das tote Orakel im Zelt sagt, die Wüste wandert, wir haben keine Karte, und irgendwo hier lauert ein Kiffer, der mit abgetrennten Köpfen redet. Zwei Fragen: Wie kommen wir wieder nach Hause, und wen muss ich töten, damit das schnell passiert?«

(aus: Iyi geceler, Mr. Lewis)

 

Und? Und ob aber auch!

Da fällt mir grad ein, dass so einige jener Leute, die Sträter prinzipiell ausgesprochen zugetan sind und die, nebenbei bemerkt. auch mal so ungefähr in meinem seltsamen Alter waren, mich höchst interessiert gefragt haben: »Und?« Dieses gewichtige Und? erfolgte unmittelbar, nachdem ich unverblümt zufrieden mitgeteilt hatte, mir Sträters Gutenachtgeschichten besorgt zu haben. Ich beantwortete es mit: »Und ob aber auch.« Reichte. Reicht allemal auch bei einem »der wenigen Autoren, die sich nicht komplett selbst überschätzen«. (Sträter über Sträter)

 

Solch ein Satz über sich selbst klingt immer sympathisch. Vor allem, wenn man das komplett vernünftig betont. Am besten verschluckt man es halb. Und widmet sich anschließend der vorliegenden Lektüre, um eigenständig zu beäugen, ob der Mann mit dem trockenen Humor unter der schwarzen Beanie-Mütze DAS denn wahrhaftig (auch noch!) überirdisch sauber hinkriegt. Ernsthaft schaurig erzählen. Auf dem Rückdeckel wird das auf jeden Fall fett in ordentlichem Blutrot behauptet. Da steht: »Ohne Witz: Sträter kann auch Horror. Zum Gruseln!«

 

In echt? Da zieht der Hobby-Zweifler per se die linke Augenbraue hoch, antrainiert vor dem Spiegel, die rechte übt noch. Im Ansatz ist Skepsis bei so etwas korrekt: Denn SO ETWAS wie »Zum Gruseln« ist ja nun locker mit unbekümmerter Logik daher gesagt, wenn man ein Buch mit gruseligen Geschichten als ein gutes Buch mit guten gruseligen Geschichten verkaufen will.

 

Mal eben munter spuken?

Mehr schauriger Schein als Sein? Nein! Absolut nicht. Der Mann ist nicht so einer. Der ist schlau und aufgeweckt. Dortmunder. Eine bodenständige Pottseele. Kein Schickimickifritz, der es aus eitler Laune heraus mal eben spuken lässt, um für sich zu trommeln. Der Sträter hat immer schon geschrieben. Auch bei Vollmond, gefangen im Spinnennetz, mit der eiskalten Hand im Nacken. Will meinen: War und ist ja nicht immer alles lustig, was den Kopf gescheit malochen lässt. Als da wäre solch ein Buch: Eins, das diesem speziellen Anspruch des versierten Short-Story-Schreibers gerecht wird, die eine Sache derart schmackhaft zu servieren, dass man die zweite, dritte und zwölfte von ihm auf jeden Fall auch noch auf dem Teller haben will.

Vor allem, wenn der eine oder andere Happen im Hals stecken bleibt. So muss das halt sein unter uns Bösen. So macht Torsten Sträter das auch. Er macht es kompromisslos großartig. Das ist jetzt nicht nur einfach gut, das ist verdammt gut. Sollte ihn irgendwie freuen. Immerhin schreibt er in seinem Vorwort: »Ich hoffe einfach, Sie mögen die Geschichten. Sie kennen das vermutlich: Mag ja sein, dass Ihre Kinder totale Arschlöcher sind, frech, schlechte Manieren, zum Ausderhautfahren, absonderlich … aber es sind immer noch Ihre Kinder. So geht’s mir mit dieser Sammlung.«

 

Man will das alles wissen

Da fängt man mit Jägerlatein an, Blau steigt verräterisch in die Nase, man hört den Mitbewohner knuspern und fühlt sich umgehend erbeutet von ihm. Glatt im Genick gepackt, kräftig durchgeschüttelt, abgeworfen, hochgezerrt und umgehend sprungbereit für den nächsten Biss. Ab in die Geisterbahn, der Rest bleibt Kopfsache. Oder hängt In der Kurve.

Man will das alles wissen. Warum Mr. Daniel und ich an der Tankstelle der lebenden Toten herumlungern. Wie schräg der Bunker-Blues klingt. Was hinterhältig ins Dessert gemischt wurde. Zimt? Schnickschnack? Blut?

 

»Sein Blick nahm einen verträumten Ausdruck an.

»Der Geruch nach Blut. Ich wollte nur Hallo sagen, in dein Haus kommen, mir vielleicht im Keller einen Unterschlupf suchen. Aber alles hier riecht nach Blut. Die Wände, der Boden. Du. Ich war wie berauscht. Ich musste einfach bleiben.«

Ich sagte nichts. Wenn man wie ich in Halle Vier arbeitete, konnte man da wahrlich schwer gegen argumentieren.«

(aus: Der Mitbewohner)

 

Der Sträter hat die King-Bibel übrigens auch gelesen. Wie Sie und du und ich. Das Leben und das Schreiben. Da knüpft man gleich familiäre Bande. Da ist dieses Klopfen des Bruders auf die brüderliche Schulter, wenn er sagt:

 

»Das half mir. Speziell, was man lassen sollte. Dank Stephen King entfernte ich die meisten bescheuerten Metaphern aus meinen Geschichten, viel beknackte wörtliche Rede, haarsträubende Vergleiche – und vor allem für einen Ruhrgebietsfuzzi peinliche Klamotten wie ›James Hancock ging die Interstate 34 in Illinois entlang‹. Junge, Junge.«

 

In diesem illustren (Irr-)Sinne: Eine denkwürdig gute Nacht wünscht denn der (manchmal) böse Mann.

Klappt. Und überhaupt:

 

»Er legte das erste Blatt seines Albtraums zur Seite und begann ein neues. Nur diese Nacht im Dienste der Unsterblichkeit …

(aus: Inspiration)

 

Junge, Junge! Sauber!

 

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Buch:

Sträters Gutenachtgeschichten

Die gesammelten Horror-Storys

Original: »Postkarten aus der Dunkelheit«, 2004; »Hämoglobin«, 2005 und »Hit the Road, Jack«, 2006

Autor: Torsten Sträter

Taschenbuch, 512 Seiten

Ullstein, 29. März 2021

 

ISBN-10: 354806454X

ISBN-13: 978-3548064543

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B08NWDWK1K

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 20.09.2021, zuletzt aktualisiert: 28.04.2022 15:14, 20121