Rezension von Ralf Steinberg
Rezension:
Martha Wells erzielte 2017 und 2018 mit ihren vier Novellen der The Murderbot Diaries einen großen Erfolg in der Science-Fiction-Szene, was vor allem an dem ungewöhnlichen Protagonisten, Murderbot, liegt. Eine mietbare Killermaschine, die neben der Betreuung ihrer Klienten jede freie Sekunde nutzt, um Soap-Operas zu konsumieren und nebenbei ein paar Rätsel der eigenen Vergangenheit auflöst.
Die vier Geschichten bauen aufeinander auf, sind aber jeweils eigenständig. Die Struktur der Handlung ähnelt sich dabei. Stets geht es darum, eine Gruppe Menschen gegen fiese Widersacher zu beschützen.
Systemausfall bildet dabei eine Art Basis, wobei sich bald abzeichnet, dass unser Protagonist eine finstere Vergangenheit mit sich herumträgt, in dessen Folge die im deutschen Killerbot genannte Maschine, ihr Chefmodul hackte und seither selbständig agiert, ohne dass es die Firma, die sie vermietet, weiß. Killerbot achtet sorgfältig darauf, wie eine kontrollierte Security-Einheit aufzutreten. Rüstung und Helm helfen dabei, verdecken sie doch eine Menschengestalt, von der die Klienten meist weder wissen, noch ahnen. SecUnits stehen im Hintergrund und erledigen ihre Arbeit unbeachtet. Doch der neueste Auftrag ist anders. Nicht nur geschehen seltsame Dinge auf der einfachen Erkundungsmission, die Klienten zeigen sich auch persönlich an Killerbot interessiert, was nur zu einem Teil damit zusammenhängt, dass die SecUnit ihnen das Leben rettet. Denn offenbar will jemand diese Menschen um die Politikerin Dr. Mensah auslöschen und nur die Tatsache, dass Killerbot unabhängig agiert, verhindert die Katastrophe.
In der zweiten Episode Auf Paranoia programmiert, ist Killerbot vor der Beziehung mit seinen Lieblingsmenschen davongelaufen. Als freidrehende SecUnit gesucht und zudem in die Ermittlungen um die Machenschaften von GrayCris involviert, lässt sich Killerbot von einem botgesteuerten Langstreckenforschungsschiff mitnehmen, das gegen etwas Unterhaltung während eines langweiligen Transportauftrages nichts einzuwenden hat. Doch Killerbot muss erkennen, dass Fifo, wie Killerbot das fiese Forschungsschiff benennt, nicht nur wesentlich mehr Rechenpower besitzt und somit intelligenter ist, der Schiffsbot hat ebenfalls Freude am Seriengucken und beschließt, Killerbot dabei zu helfen herauszufinden, was einst in jenem Asteroidenbergwerk geschah, als Killerbot ausrastete und Menschen tötete. Mit einigen kosmetischen und programmatischen Änderungen macht Fifo aus Killerbot zumindest optisch einen Menschen, was andere Menschen, aber keine andere SecUnits täuschen sollte.
Um in die Anlage zu gelangen, heuert Killerbot bei einer Gruppe Menschen an, die ebenfalls in die Anlage will. Natürlich eskalieren auch hier die Ereignisse und Killerbot lernt nicht nur etwas über die Vergangenheit, sondern auch Neues über die Beziehung zu Menschen, die nun das Gesicht eines Menschen vor sich zu sehen meinen.
Im dritten Abenteuer Exit-Szenario beschließt Killerbot, die Ermittlungen und Verfahren gegen GrayCris zu unterstützen und fliegt dazu zu einer alten Terraforminganlage der Firma, um Beweise zu sichern, bevor die Station in der Sonne verglüht. Während des Fluges als blinder Passagier beobachtet Killerbot die beiden anderen Passagiere, die als Sicherheitsberater für einen Erkundungstrupp angeworben worden sind. Eine Mission, die eigentlich SecUnits wie Killerbot durchführten. Heimlich folgt Killerbot der Gruppe und schon bald heißt es wieder: Rette die Menschen!
In der finalen Geschichte Schneller Abgang hat GrayCris Dr. Mensah entführt, um eine für sie nützliche Wendung der Untersuchungen zu erpressen. Keine Frage, dass Killerbot sich auf den Weg macht, ihren Lieblingsmensch zu befreien.
Eine physisch als auch intellektuell überlegene Kampfmaschine mit Traumata, Minderwertigkeitskomplexen und einer Vorliebe für seichte Endlosserien findet man nicht allzu oft als Handlungsträger. Martha Wells versetzt uns durch die lockere, oft flapsige Icherzählung mitten hinein in die Gedankenwelt Killerbots. Killerbot ist kein Pinocchio auf der Suche danach, menschlich zu werden und auch kein Data, der Gefühle empfinden möchte. Killerbot ist gern Maschine und sie mag die Menschen eher so, wie sie in den Serien sind. In echt findet sie sie scheußlich. In den lustigsten Momenten guckt Killerbot lieber eine Folge ihrer Lieblingssendung und muss dann immer wieder erst ihre Aufzeichnungen zurückspulen, um auf etwas reagieren zu können, was die langweiligen Menschen gerade sagten. Und es ist auch weniger ein einprogrammierter Zwang, der die SecUnit dazu bringt, sich um spezielle Menschen ganz besonders zu kümmern, sondern eine Reaktion auf das Verhalten ihr gegenüber.
Übersetzer Frank Böhmert verleiht Killerbot in der deutschen Übertragung eine ruppige Stimme, mit dem Herz auf der Zunge, immer mal wieder aus tiefster Brust fluchend und schimpfend, manchmal prollig, manchmal sentimental, aber dann auch wieder knallhart abwägend und verschlossen. In den ganz engen Augenblicken greift Killerbot auf Sätze und gar ganze Dialoge aus der Seifenoper zurück und für jedes dieser kleinen Ausweichmanöver könnte man die Figur knuddeln.
Das Ende ist bei dieser dennoch actionreichen Novellensammlung vorhersehbar. Der Tonfall der Erzählung legte die Richtung von Anfang an fest und man darf sich nach all den fiesen Intrigen und Mordkomplotte mit einem berechtigten warmen Gefühl von Killerbot verabschieden. Doch wer weiß. Alle lieben Killerbot, vielleicht geht diese Liebe ja demnächst in eine weitere Runde.
Fazit:
»Tagebuch eines Killerbots« von Martha Wells lässt uns die Bekanntschaft der wohl liebenswertesten Killermaschine machen, der wir bisher in der Science-Fiction begegnet sind. Sie flucht, liebt Soap-Operas und ganz nebenbei rettet sie ihre Lieblingsmenschen – doch stellt euch ihr nicht in den Weg!