Terror Britannicus
 
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Terror Britannicus

Rezension von Michel Bernhardt

 

Mit dem Abenteuerband Terror Britannicus veröffentlicht die Spieleschmiede vom Pferd des Bellerophon den ersten Band der „Cthuloide Welten Bibliothek“. Diese Reihe soll die wackren Erforscher des Cthulhu-Universums an die verschiedensten Ecken und Enden der cthuloiden Welt führen, wobei nach den Worten Frank Hellers das Erscheinen von mindestens einem Reihenband pro Jahr geplant ist. 2004 scheint dabei schon mit zwei Publikationen der Reihe gesegnet – steht der Band Aus Äonen doch bereits in den Startlöchern und wird wohl ab Mai im Handel erhältlich sein. Passend zum kommenden Quellenband London – Im Nebel der Themse wurde mit Terror Britannicus als Pionier der Reihe das Vereinigte Königreich als Handlungsort gewählt. Auf insgesamt 93 Seiten findet der geneigte Spielleiter zwei komplette Abenteuer für die 1920er Jahre; erstes ist dabei im winterlichen London, zweites im nebeligen Schottland nahe dem sagenumwobenen Loch Ness angesiedelt.

 

Das knapp vierzigseitige Abenteuer „Die Häupter des Schreckens“ von Gerd Hupperich verwickelt die Abenteurer in die Machenschaften um einen gnadenlosen Scharlatan und eine Gruppe alter Schwarzmagier, die einst kopfüber in den Wirren der Französischen Revolution steckte. Als geladene Gäste der Marchioness of Sinclair verbringen die Spielercharaktere die Weihnachtstage im opulent hergerichtetem Kloster St. Joan, außerhalb von London. Es versprechen beschauliche Tage der Ruhe und Besinnung zu werden. Doch dann erhalten die Charaktere mit einem Mal eine Reihe merkwürdiger Geschenke und kurz darauf kommt es obendrein zu einem mysteriösen Mordfall, bei dessen Aufklärung die Behörden augenscheinlich einige zentrale Indizien übersehen. Langsam werden die Charaktere immer weiter in die dunklen Geheimnisse der Vergangenheit hinein gesogen, und finden sich schließlich im winterlichen London wieder, zwischen einem Theaterbesuch mit Folgen, einer leidenschaftlichen Auktion und einem egozentrischen, an den Rollenstuhl gefesselten Skulpteur für Wachsfiguren. Scheinbar sind manche Dinge in der Vergangenheit nie ganz zur Ruhe gekommen und nun gilt gar zu befürchten, dass diese Dinge selbst vor der friedvollen Weihnachtsstimmung des St. Joan Klosters nicht halt machen werden. Bleibt nur zu hoffen, dass die Charaktere selbst am Ende nicht den Kopf verlieren…

Das zweite Abenteuer „Geister in Loch Feinn“ von Glenn Rahman & Wolfgang Schiemichen fällt etwas kürzer aus und führt die Spielercharaktere auf den Spuren eines ermordeten Professors der Paläontologie ins schottische Hochland. Über eine Zufallsbegegnung mit der quirligen Tochter des Ermordeten werden neugierige Charaktere langsam in eine Geschichte um archäologische Forschungen und alte Mythen verwickelt. Wer könnte dem alternden Vorzeitforscher, der in der Akademikerzunft immer als erfolgssüchtiger Außenseiter gegolten hatte, nach dem Leben getrachtet haben? Welche Rolle spielt der neureiche Ex-Freund der Tochter in der Angelegenheit? Wo hin ist das Manuskript des Buches „Strahlen aus der Erde“ verschwunden, an dem der Paläontologe in den vergangenen Wochen so fieberhaft arbeitete? Und was hat es mit den Geschichten über mittelalterliche Hexen- und Teufelsumtriebe in der unzivilisierten Wildnis Schottlands auf sich? All diese Fragen führen die Charaktere schließlich selbst an die Ufer des urzeitlichen Sees Loch Feinn, wo zwischen Steinbrüchen, einem degenerierten einheimischen Familienclan und einer einsamen Insel in den schwarzen Weiten des Wassers noch ganz andere Geheimnisse auf die Charaktere warten...

 

Der erste Eindruck von Terror Britannicus ist durchaus positiv. Besonders das Layout des Einbands, welches sich stark an den alten Cthulhu-Publikationen von Laurin orientiert, dürfte das Herz eines jeden Fans höher schlagen lassen und die eine oder andere nostalgische Erinnerung wachrufen. Bei der Vertiefung in die beiden Abenteuer lassen jedoch große Begeisterungsstürme auf sich warten. Was anfangs einen spannenden und viel versprechenden Anschein macht, stellt sich am Ende in beiden Fällen eher als mittelmäßige Unterhaltung heraus. Bereits in der Einleitung von „Die Häupter des Schreckens“ wird darauf aufmerksam gemacht, dass es sich beim vorliegenden Abenteuer tendenziell eher um eine Kriminalgeschichte handelt, die mit einem Schuss Übersinnlichkeit garniert wurde. Hiermit tritt sogleich ein allgemeines Cthulhu-Dilemma zu Tage: In einer Welt, wo ein unbegreifliches Grauen von kosmischen Ausmaßen am Rande des Bewusstseins lauert, wirken andere Geschichten über „niedere Schrecken“ eher drittklassig, uninteressant, unbedeutend. Andererseits stumpfen Spieler (!) mit der Zeit und wachsenden Einblicken in den Wahnsinn des Cthulhu-Mythos zusehend ab, was andere Geschichten, über andere erschreckende Phänomene, der Diversität wegen nur ratsam scheinen lässt. Trotzdem wollen diese Geschichten dann nie den Eindruck erwecken, als könnten sie mit den „wahren Schrecken“ des Kosmos konkurrieren. Gleiches gilt leider auch für das erste Abenteuer von Terror Britannicus.

Für sich genommen lassen sich Ansätze und Ideengut von „Die Häupter des Schreckens“ zwar als gelungen bezeichnen, doch vermögen es Umsetzung und vorgeschlagene Dramaturgie unglücklicherweise nicht den einzelnen Szenen – abgesehen von einigen, zu wenigen Ausnahmen – die nötige Atmosphäre und Spannung einzuhauchen. Außerdem wird vom Erzähler durch die sehr lockere Verkettung der Ereignisse ein hohes Maß an dynamischen Gespür verlangt – damit die Spielergruppe nicht beginnt sich zu langweilen – und der Aufbau von zwei parallel laufenden Plots birgt zudem unweigerlich die Gefahr, dass die Spielergruppe sich verrennt, was weder für Spieler unterhaltsam, noch für den Spielleiter wünschenswert sein kann. Die Gesamtwertung für das Abenteuer von Gerd Hupperich kann also nur mit einem „befriedigend“ ausfallen. Was das Thema angeht ist die Geschichte sicherlich für ein, zwei Abende leichte Spielunterhaltung geeignet (eventuell auch als Einsteigerszenario), doch spektakulärer Horror der wahrlich unter die Haut geht wird hier nicht geboten.

Das Fazit zu „Geister in Loch Feinn“ fällt da schon etwas besser aus. Hier befinden sich die Spielercharaktere tatsächlich auf der Spur von etwas Geheimnisvollem, etwas Übernatürlichem. Und wissen außerdem, wo sie selbst stehen – sie laufen also nicht Gefahr sich in der Handlung zu verirren, so wie im ersten Abenteuer. Leider wurde das Potenzial der Geschichte was das Ominöse und Bedrohliche anbelangt nicht ganz ausgeschöpft, so dass auch die Expedition ins schottische Hochland keine wirklich beklemmenden Gefühlsregungen provozieren kann. Hinzu kommt, dass die Handouts, obgleich von ordentlichen Qualität, nicht sonderlich überzeugend wirken – da ist der Leser durchaus bessere Ergebnisse von Pegasus gewohnt. Mit ein wenig Eigenarbeit und einigen Extraszenen (beispielsweise einem Tauchgang in die finstren Tiefen von Loch Feinn) kann dieses zweite Abenteuer jedoch durchaus für die richtige Cthulhu-Gänsehaut sorgen und den Spielern in guter Erinnerung bleiben.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Auftakt zur Reihe „Cthuloide Welten Bibliothek“ mit Terror Britannicus eher mittelmäßig gelungen ist. Mit Aus Äonen kündigt sich jedoch ein zweites Werk an, welches durchaus in der Lage sein sollte, die Qualität der Reihe deutlich anzuheben!

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240426152401b889cf83
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Terror Britannicus

Cthulhu-Abenteuerband

96 Seiten, Softcover

ISBN: 3-930635-88-7

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 17.07.2005, zuletzt aktualisiert: 24.02.2015 22:54, 662