Trieb (Autor: Marcel Feige)
 
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Trieb von Marcel Feige

Rezension von Christine Schlicht

 

Taboris Cousin ist nach Deutschland gegangen, um Geld zu verdienen. Zusammen mit seinem Freund Florim folgt ihm der 12-jährige, um Arbeit zu finden, für sich und seine Familie, denn in seinem Dorf in Albanien herrscht bittere Armut. Tatsächlich gelingt es den beiden Jungen, sich nach Berlin durchzuschlagen, doch dort verlieren sie sich aus den Augen, als sie an russische Schläger geraten. Tabori irrt hungrig durch das winterliche Berlin.

 

Im Hotel Adler wird derweil ein Mann erschossen, der sich dort unter falschem Namen eingemietet hat. Zuvor hat ihn sein Stiefbruder im Hotel überrascht, mit handgreiflichen Folgen. Die Polizei findet heraus, dass es sich um den Lebensmittelfabrikanten Fielmeister handelt und steht gleich vor mehreren Rätseln. Der Mann war sehr angesehen, führte angeblich eine glückliche Ehe. Allerdings finden die Ermittler um Kommissar Kalkbrenner heraus, dass die Firma in finanziellen Nöten steckte und das Fielmeister Morddrohungen bekam. Die Festplatten, auf denen die wichtigsten Firmeninformationen standen, auch die Drohungen, wurden aber bei einem bis dahin belanglos erscheinenden Einbruch gestohlen.

 

Kalkbrenner, der gerade seine Scheidung und einen Umzug verkraften muss, wird von seinem Freund Thanner auf eine heiße Spur gebracht: Der Stiefbruder des Ermordeten hat sich mit der Fleischmafia eingelassen und Gammelfleisch verwertet. Als man Marten Peglar in Amsterdam festnimmt, gibt er das zwar zu, ebenso den Streit mit Fielmeister, bestreitet aber den Mord.

 

Dann überschlagen sich die Ereignisse: Der zehnjährige Sohn einer alleinstehenden Werbemanagerin verschwindet spurlos. Sie nutzt alle ihre Möglichkeiten bei Presse, Radio und Fernsehen. Tabori lernt den falschen Freund kennen, einen älteren Mann der scheinbar einfach nur nett zu ihm ist und ihm verspricht, bei der Suche nach seinem Cousin zu helfen. Eine Prostituierte wird gefunden, totgepeitscht, an der gleichen Stelle wie schon wenige Monate zuvor und Hardy Sackowitz, der Reporter, kommt auf eine heiße Spur.

 

Er untersucht den angeblich natürlichen Tod eines Politikers und bekommt von dessen ehemaligen Mitarbeiter Radomski einen heißen Tipp. Als er sich mit Radomski trifft, wie dieser erschossen und Sackowitz entgeht nur knapp dem gleichen Schicksal – die tödlichen Schüsse stammen aus der gleichen Waffe wie die, die Fielmeister töteten.

 

Und Tabori muss feststellen, dass sein neuer „Freund“ und dessen Kreise ganz seltsame Gelüste haben...

 

 

Der dritte Roman um den Berliner Ermittler Paul Kalkbrenner braucht sich vor seinen Vorgängern nicht zu verstecken, im Gegenteil. Eine Steigerung war kaum mehr möglich, den Level zu halten dementsprechend auch schwierig, aber Marcel Feige ist dieses Kunststück gelungen. Man fängt an und kann das Buch nur noch ganz schwer aus der Hand legen.

 

Wie schon bei „Wut“ und „Gier“ bekommt man es mit einem Haufen unterschiedlicher Charaktere und loser Fäden zu tun, die sich scheinbar unzusammenhängend durch das winterlich eingeschneite Berlin ziehen. Zusammenhänge scheint es zwischen diesen einzelnen Strängen nicht zu geben, doch dann verwickeln sie sich immer mehr. Die Angewohnheit Feiges, fast jedes Kapitel mit einem Cliffhanger abzuschließen, um dann den nächsten Faden wieder aufzunehmen, lässt den Leser zwanghaft am Ball bleiben. Dafür gibt es so ein schönes neues Wort: Pageturner. Das wurde zwar bislang eigentlich nur für Autoren aus dem englischen Sprachraum verwendet, aber auf die Thriller von Marcel Feige passt es ganz genau so.

 

Vor allem wird man deshalb in das Geschehen hinein gezogen, weil die Charaktere absolut glaubwürdig sind. Keine Helden, die a la James Bond jede Gefahr ganz ohne Falte im Anzug überstehen, sondern Leute, in die man sich gut hineinversetzen kann, weil sie einfach alle menschlichen Schwächen und Fehler aber auch Stärken haben, die man eben haben kann.

 

Vorlage für diesen Roman sind wahre Begebenheiten. Ganz heiße Themen, die einem im wahrsten Sinne des Wortes den Magen umdrehen. Und damit ist nicht in erster Linie das Gammelfleisch gemeint. Denn der Missbrauch von Kindern ist – nun, einen Vergleich gibt es dazu eigentlich nicht, da fehlen einfach die Worte, vor allem, wenn man selbst Kinder hat. Missbrauch kann ganz harmlos anfangen, hier werden die Extreme ans Licht gebracht. Aber egal ob Extrem oder „harmlos“, die Kinderseelen bleiben auf der Strecke und daher ist es auch wichtig, mal darzustellen, wie die „Anwerbung“ von „Frischfleisch“ funktioniert. Ob ein Thriller dafür die richtige Form ist, so etwas zu kommunizieren, ist eine Sache, die der Diskussion bedarf. Aber es ist ein Anfang, wenn, wie hier im Nachwort, genau erklärt wird, woher die Informationen kommen und dass es genau so geschieht. Das sollte allein schon zu denken geben und wenn es das bei wenigstens ein paar Lesern auch funktioniert ist vielleicht schon was erreicht...

 

Viel Tiefgang für einen Thriller – also alles andere als die gängige Kost zum schnellen Verkonsumieren. Dennoch – packend und spannend.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329160637147955b1
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MEDIUM:

Trieb

Autor: Marcel Feige

Taschenbuch: 672 Seiten

Verlag: Goldmann Verlag (13. Juli 2009)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3442469880

ISBN-13: 978-3442469888

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 31.08.2009, zuletzt aktualisiert: 02.12.2021 18:51, 9081