Varianten (Autor: Martin Hoyer, Genotype Sammelband 1)
 
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Varianten

Genotype Sammelband 1

Rezension von Bernd Wachsmann

 

Da es sich um eine noch nicht allgemein bekannte Serie handelt, erlaube ich mir zur Vorstellung des Hintergrundes vorweg den Klappentext zu zitieren:

 

„Im Jahre 2007 entkamen mehrere Kulturen modifizierter Retro-Viren aus den Laboren eines europäischen Pharmakonzerns. Der Zwischenfall blieb lange unbemerkt, und ehe Abwehrmaßnahmen Erfolg zeigten, hatten sich die Stämme durch ihre menschlichen Überträger bereits über alle Kontinente ausgebreitet.

 

Die Folgen waren verheerend: Ab einer gewissen Ausbreitungsdichte begannen die Viren, ihre Aufgabe zu erfüllen, allerdings nicht in der Weise, die ihre Schöpfer vorgesehen hatten: Binnen weniger Wochen wurden über 60 Prozent der Menschheit vernichtet, und erst mit der Verringerung der Bevölkerungsdichte verloren die Kulturen ihre Virulenz. Die darauffolgende Zeit des Wiederaufbaus war geprägt durch Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft, sowie durch zahlreiche Konflikte, die sich daraus ergaben.

 

Heute, im 92. Jahr nach dem Ausbruch, ist die Welt eine andere: Während in einigen wenigen, zu Habitaten ausgebauten Großstädten das Leben beinahe den früheren Verlauf nimmt, ist das Wildland außerhalb der Habitatsgrenzen nur dünn besiedelt. Beide Extreme bieten Raum für jene, die versuchen, neue oder alte Wege des Zusammenlebens zu beschreiten und sich mit dem Erbe arrangieren müssen, das ihnen die große Seuche hinterließ.

 

Wir schreiben das Jahr 2099.“

 

„Genotype / 01: Varianten“ umfasst die ehemaligen Bände 1 bis 3 der Serie, es handelt sich folglich um einen Sammelband. Die Bände wurden als zusammenhängender Roman neu editiert und laut Verlag inhaltlich soweit nachbearbeitet, wie es dafür nötig war. Die Veränderungen basieren überwiegend auf den Leserkritiken zu den früheren Heftausgaben. Die Einzelbände 1 bis 3 sind ausverkauft und der Sammelband übernimmt die Stellung dafür.

 

Leider ist dies alles nirgendwo im Buch vermerkt. Erst auf der letzten Seite erfährt der Leser, dass weitere Bände geplant sind. Die Reihe geht jetzt laut Homepage in Einzelbänden weiter, deren Seitenzahl aber auf circa 200 Seiten steigt, also den Umfang eines Taschenbuches und erscheinen als solches vorerst halbjährlich. Band 4 erscheint Juni/Juli 2006 und ist von der Handlung her in sich geschlossener, als es bei den bisherigen Romanen der Fall war. Als Nur-Leser des Romans ist man da etwas auf sich alleine gestellt, das könnte der Verlag sicherlich mehr tun.

 

Bevor ich nun zu meiner Lobeshymne über den Inhalt komme, noch kurz etwas Kritik. Der geneigte Käufer sollte sich nicht vom etwas lieblosen Cover abschrecken lassen noch vom relativ hohen Preis.

 

Jon, einer der beiden Hauptpersonen der Serie, ist am Anfang des Bandes als Polizist in London auf Mutantenjagd (hier: Varianten). Sein Kollege Aaron stirbt bei diesem Einsatz, was Jon hart trifft. Während des Einsatzes Jon sieht er zum ersten Mal die Hubschrauberpilotin Juliette, deren fliegendes Gefährt ihn ferngesteuert beinahe mit Munition voll stopft bei dem Versuch, die Variante zu erwischen. Jon verliert seinen Job und wird von einem Mister Daniels angeheuert für CEENEL zu arbeiten. CEENEL ist eine Firma, die mit der Verwaltung des Habitats beauftragt ist. Juliette kommt zum gleichen Spezialteam und es kann losgehen mit Geheimaufträgen und Variantenjagd.

 

Klingt erst einmal nur bedingt interessant, entwickelt aber wegen des neuen Hintergrundes eine Menge Potential. Hier stehen eher die Menschen im Vordergrund als die Technik. Jon schwankt zwischen gefühllosem Arsch und Kumpel, hat aber ein persönliches Problem. Er ist der letzte Überlebende einer militärischen Spezialeinheit namens Gunslinger, die mit Hormonen voll gestopfte Wundersoldaten waren. Leider waren sie auch alle süchtig und wurden letztlich stillgelegt, wobei die Soldaten früher oder später, bis auf Jon, starben. Bei der Operation nach dem oben erwähnten Einsatz wurden seine Spezial-Eigenschaften jedoch wieder geweckt, angeblich aus Versehen.

 

Juliette erscheint auf den ersten Blick den meisten Lesern wohl als Flittchen, ist aber einfach eine Frau mit selbstbewusster und selbstbestimmter Sexualität. Beide Figuren werden entwickelt, wenn auch Jon weite Teile vom Roman die Hauptrolle innehat. Mister Daniels ist der Mann mit eigenen Plänen und eigenem Wissen im Hintergrund, der aber nur wenig Platz eingeräumt bekommt. Sein Handeln wirkt einmal etwas seltsam, aber die eventuellen Hintergründe dafür kennt nur Daniels selber beziehungsweise der Autor. Außerdem ist es für die Handlung besser, da Jon und Juliette raus aus dem Habitat kommen. Zu guter Letzt gibt es noch die verwöhnte Tochter vom Firmenboss, Echo Ceenel. Etwas Klischee, aber nicht unrealistisch.

 

Natürlich denkt der wissende Leser direkt an Cyberpunk und Shadowrun, aber der Vorteil ist hier unter anderem die noch völlig unbekannte Welt. Was außerhalb der Habitate vor sich geht weiß eigentlich niemand so richtig. Und genau dahin geht die Reise der beiden Protagonisten ja unter anderem. Magie ist nicht vorhanden, der Roman spielt also auf einer „realistischen Erde in der Zukunft nur mit Mutanten“, Cyberware ist ebenfalls kein Thema.

 

Die Welt von Genotype hat enormes Potential, der Autor lüftet erst nach und nach ihre Geheimnisse. Sein Schreibstil ist gut, die Action-Szenen sind übersichtlich und nicht unnötig brutal. Auf Vergewaltigungsszenen verzichtet er löblicherweise, obwohl sie in einer Situation leicht denkbar gewesen wäre. Die Charakterentwicklung und – zeichnung ist noch nicht gänzlich überzeugend, aber ja auch inhaltlich noch nicht abgeschlossen und schon auf einem guten Weg.

 

Dieser Band ist allen zu empfehlen, die auf der Suche nach einem neuen und geheimnisvollen SF-Setting sind. Er macht Lust auf mehr und man ist froh, dass der Sammelband direkt drei Romane beinhaltet, bei den Einzelbänden war die Wartezeit bis zum nächsten sicher unerträglich. Es bleibt abzuwarten, was der Autor noch alles in der Hinterhand hat. Mit dem geplanten Umzug des Hauptfirmensitzes von CEENEL von London nach Prag ist ein weiteres Setting im Raum. Und der Plot um die Varianten entwickelt sich auch sehr interessant. Zu viel sei ihr nicht verraten, aber es gibt Anzeichen von Intelligenz und Organisation. Und ein geheimnisvoller „Sprecher der Anderen“ betritt die Bühne.

 

Fazit: Wer mal einen noch nicht so bekannten Autor kennen lernen möchte und dessen geheimnisvolle und abenteuerliche Welt, kann hier auf alle Fälle zugreifen ohne Trash oder Pulp zu kaufen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass auch er Feuer fängt. Ein unterhaltsamer Roman mit Action, Handlung und Gefühlen in einer neuen und aufregenden Welt. Was will man eigentlich mehr?

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202410140324420b14b833
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Varianten

Reihe: Genotype Sammelband 1

Autor: Martin Hoyer

Broschiert - 220 Seiten - Atlantis Verlag

Erscheinungsdatum: November 2005

ISBN: 3936742316

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 03.02.2006, zuletzt aktualisiert: 20.01.2023 16:55, 1826