Von Zeit zu Zeit von Hans Jürgen Kugler
Rezension von Marianne Labisch
Daniel Damberg hat ein Erlebnis, das ihn an seinem Verstand zweifeln lässt.
Er wacht eines Tages in einer Welt auf, die sich extrem verlangsamt hat. Er alleine scheint sich noch im normalen Tempo zu bewegen. Dieser Zustand, den so mancher Rotzlöffel sicher ausnutzen würde, um allerhand Streiche zu spielen, hat seine Tücken. Gras wird aufgrund seiner zeitverzögerten Härte zu einer echten Gefahr, Wasser trägt ihn zwar, aber nur für kurze Zeit. In geschlossenen Räumen ist es eiskalt. Außerdem ist er alleine und das wäre auf die Dauer sehr langweilig. Noch bevor er ergründen kann, was es mit diesem seltsamen Phänomen auf sich hat, rast die Zeit wie im Zeitraffer um ihn herum, bis sich ihr Zustand normalisiert.
Lange wagt er nicht, über diesen Vorfall zu sprechen, aber verdrängen kann er ihn auch nicht. So besucht er einen alten Kumpel und vertraut sich ihm an. Natürlich ist der zuerst auch skeptisch, kennt seinen Freund aber als vernünftige Person und rät ihm daher alle Möglichkeiten, die für einen psychischen Defekt sprechen könnten, auszuschalten. Daniel kann nun, nachdem er die Story einmal losgeworden ist, leichter über den Fall sprechen und konsultiert einen Psychiater, aber der kann keine Störung feststellen. Entweder seine Fantasie ist mit ihm durchgegangen, oder das Ereignis hat tatsächlich stattgefunden. Wenn das der Fall ist, könnte es jeder Zeit wieder passieren und das gibt ihm ganz schön zu denken, denn er kommt und kommt nicht dahinter, was es mit dem Zeitphänomen auf sich haben könnte.
Ein Kurzurlaub mit einer befreundeten Familie und einer alten Flamme soll ihn auf andere Gedanken bringen. Dazu scheint beizutragen, dass die alte Flamme, Iris, sich offensichtlich für ihn erwärmen kann. Allerdings ist er mit seinen Gedanken immer noch zu sehr mit der Zeitverschiebung beschäftigt, als dass er auf ihre Avancen eingehen könnte. Er vertut die Gelegenheit und bevor er sich versieht, ist der Kurzurlaub vorbei.
Zurück zu Hause freut er sich über einen Auftrag und hofft, dass der ihn von all zu viel Grübelei abhalten wird. Nur mit Mühe und Not bringt er die nötige Konzentration auf und ist erfreut, als Iris sich wieder bei ihm meldet und vorschlägt, ein paar Tage zu zweit zu verbringen. Er kennt ein nettes kleines Hotel am Bodensee, in dem er ein Doppelzimmer reserviert.
In Überlingen lässt ihn die Angst vor dem Zeitphänomen immer noch nicht los und so kommt es, wie der Leser bereits ahnt: Es tritt wieder ein. Schlimmer noch dieses Mal, denn am Himmel hängt ein Flugzeug …
Der Autor schafft es, das Zeitphänomen halbwegs aufzulösen, ohne die oft unbefriedigenden Enden, dass alles nur ein Traum gewesen ist, oder es eben ein unerklärliches Ereignis ist. Er deutet eine Lösung an, ohne dabei zu wissenschaftlich zu werden.
Mir war Daniel mit seinen Unsicherheiten, seinen Ängsten und seiner Verliebtheit sofort sympathisch, sodass ich Anteil an seinem Schicksal genommen habe und mit ihm und Iris hoffte, der Spuk möge langsam vorüber gehen. Das Ende wird sicher Geschmackssache sein, aber mir hat es gut gefallen.
Hans Jürgen Kugler schreibt gekonnt und erweckt seine Charaktere zum Leben. Einige Zeitverzögerungsphänomene muteten lustig an, wie die in der Luft hängenden Insekten, die den Augen gefährlich werden können, andere wie die steifen Grashalme geben mir zu denken. Mir hat der Roman gut gefallen und hätte für ich auch mehr Seiten füllen dürfen.
Das tolle Cover stammt von Uli Bendick.
Fünf von fünf Sternen
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