Weiße Finsternis (Autorin: Geraldine McCaughrean)
 
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Weiße Finsternis von Geraldine McCaughrean

Rezension von Karin Sittenauer

 

An dem Tag, als ihr Vater starb, kam Titus in Symones Kopf. Selbstverständlich hatte sie schon von ihm gelesen, denn die vierzehnjährige Sym liebt die Antarktis und liest jedes Buch darüber, doch jetzt war er da. Laurence „Titus“ Oates, der vor neunzig Jahren auf einer Expedition in der Antarktis gestorben ist, lebt in ihrem Kopf wieder. Sie unterhalten sich miteinander und sind die besten Freunde.

 

Als Onkel Victor, Syms exzentrischer Onkel, sie mit in die Antarktis nimmt, ist sie begeistert. Etwas stutzig macht es sie allerdings schon, dass er den Ausweis der Mutter gestohlen hat, so dass diese nicht mitfahren kann. Und wo hat er plötzlich das viele Geld her, mit dem er ihre Ausrüstung bezahlt? Warum wirft er ihren Koffer mit ihren alten Kleidern weg und behauptet, sie würde ihn nicht mehr brauchen? Was hat er vor? Doch Onkel Victor war immer für sie da, nach dem Tod des Vaters hat er ihnen geholfen, hat sogar die Beerdigung bezahlt und er ist so klug – also verdrängt sie ihre Zweifel und fährt mit ihm. Selbst in der Antarktis, im Touristencamp, als alle krank werden, bringt sie das nicht mit ihrem netten Onkel in Verbindung. Das Flugzeug, mit dem die kranken Touristen abgeholt werden sollen, geht in Flammen auf und explodiert. Ein Mann verunglückt tödlich. Jetzt sitzen sie alle im ewigen Eis fest.

 

Onkel Victor, mehr und mehr unberechenbar und besessen, stiehlt gemeinsam mit Manfred Bruch (einem weiteren Expeditionsteilnehmer) und dessen Sohn Sigurd einen Hägglund, beladet das Geländefahrzeug mit Treibstoff und Lebensmitteln. Zu viert machen sie sich auf ins ewige Eis, weg vom Camp, ab in die Wildnis, um einem wahnwitzigen Traum von Onkel Victor zu folgen. Doch das Eis ist gefährlich und am Ende muss Sym ganz allein mit Titus in unvorstellbarer Kälte um ihr Überleben kämpfen.

 

 

Der Roman „Weiße Finsternis“ beginnt äußerst erfrischend mit:

„Ich bin schon eine ganze Weile in Titus Oates verliebt – was natürlich albern ist, denn er ist seit neunzig Jahren tot. Aber sieh es mal so: In neunzig Jahren werde ich auch tot sein und dann spielt der Altersunterschied keine Rolle mehr.“

 

In diesem lockeren Ton geht es auch weiter. Die Ich-Erzählerin Symone, von allen Sym genannt, erzählt was sie erlebt. Und das reißt sofort mit, langweilt keinen Augenblick. Zuerst ist da ein normales Leben in einer normalen Stadt mit normalen Problemen in der Schule und dann entwickelt es sich zu einem Abenteuerroman, der mehr als nur oberflächliche Abenteuer und eine Handlung bietet. Symones Kindheitserlebnisse werden neu beleuchtet und erschreckend anders wahrgenommen, als bisher. In Gesprächen mit Titus wird seine Sicht der Dinge gezeigt und wird – was mir persönlich sehr gut gefallen hat – diese historische Person vorgestellt. Wie fühlte er sich, als er zum Sterben ins Eis kroch, nur um seine Gefährten nicht aufzuhalten? Erschütternd gut geschrieben und dabei gut recherchiert.

 

Die dazwischengeschobenen Rückblicke an Syms Schulzeit sind bewegend. In lockerem Erzählton wird einem der alltägliche Horror von Schulerlebnissen erzählt, wie sie jedem passieren können. Streiche unter Mitschülern, Ausgrenzung und Spott. Sym leidet darunter, nicht dazuzugehören und weiß gleichzeitig, dass sie gar nicht wie die anderen Mädchen sein will. Diese Rückblicke sind keinen Moment langweilig oder zu lang. Sie haben ihren Sinn, erklären und verdeutlichen Syms momentane Selbstzweifel und reflektieren, wie verquer durch coole Sprüche manchmal Sexualität vermittelt wird.

 

Der Roman ist sehr gut aufgebaut, schön und fesselnd zu lesen. Schon von der ersten Seite an kann man sich mit Sym identifizieren. Die Spannung steigt mehr und mehr, dazu die Zweifel einer Vierzehnjährigen, ihre Entwicklung durch die Krisensituation. Es gibt Informationen über das ewige Eis, Selbstüberwindung, Humor, überraschende und erschütternde Enthüllungen, Tiefe. Alles, was einen Roman gut und fesselnd macht.

 

Einzig den leicht nervigen Spruch: „Denk mal drüber nach, Sym“, hätte die Autorin nur Onkel Victor vorbehalten sollen. Als einmal ausgerechnet Titus dies sagt, klingt es einfach falsch. Im großen Ganzen ist das allerdings nur eine Kleinigkeit, die wirklich nicht vom Kauf des Buches abhalten soll.

 

Rundum gelungen und absolut lesenswert. Meiner Meinung nach für ein Lesealter ab 14 geeignet. Ein Buch, das in jedem Buchladen stehen und beworben werden sollte.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024041807364889bb1555
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Weiße Finsternis

Autor: Geraldine McCaughrean

Gebundene Ausgabe: 336 Seiten

Verlag: cbj (2007)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3570132706

ISBN-13: 978-3570132708

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 09.10.2007, zuletzt aktualisiert: 12.01.2024 15:42, 5037