Welt des Schreckens - Edgar Allan Poe
 
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Welt des Schreckens - Edgar Allan Poe

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Horror-Klassiker im modernen Gewand!

 

Was lehrt euch das Gruseln? Serienkiller? Vampire? Erdbeben? Extremsportarten? Der Zahnarzt? Comic-Legende Richard Corben und sein langjähriger Kollege Rich Margopoulos drehen jeden Grabstein um. Mit wahrhaft schockierenden Abwandlungen legendärer Gedichte von Edgar Allan Poe, wie sie nur zwei Experten des Terrors erzählen können.

 

Rezension:

Was musste man als Schüler nicht für zeitraubenden Aufwand betreiben, um sich zu einem Gedicht eine Interpretation aus den Rippen zu schneiden.

Dies könnte nun zumindest bei einigen Gedichten Edgar Allan Poes wesentlich einfacher sein, zumindest ließen sich erkleckliche Meinungen stilecht aus den Adern dieses Comic Bandes saugen.

Doch bedenkt, nicht immer deckt sich die Vorliebe der beiden Künstler für harten Horror mit der Schulmeinung.

 

Bestes Beispiel für diese spannende Diskrepanz stellt gleich der Eröffnungsstrip dar. Poes wohl berühmtestes Gedicht, Der Rabe wird in den Händen von Richard Corben und Rich Margopoulos zu einer schauerlichen Auseinandersetzung des Gewissens. Der Fluch der bösen Tat bricht sich Bahn in Wahnsinn und endet so tragisch wie folgerichtig.

 

Auch Die Schläferin wird von Corben um eine weitere Horror-Ebene erweitert, obwohl Poes bittersüße Todeshymne bereits meisterlich mit dem Schrecken und Grusel spielt, den selbst die schönste Tote in uns zu erwecken vermag.

Vielleicht ist die Interpretation schon etwas zu trashig, doch der Gegensatz zwischen modernen Nosferatu-Bildern und dem klassisch gedrechselten Versen baut eine ganz eigene und eigenartige Stimmung auf.

 

Dies brechen die Künstler mit der nächsten Story, Der Sieger Wurm. Betont zynisch mit entsprechendem Humor wird das bitterböse Hohngedicht Poes um eine SF-Variante erweitert, oder vielmehr komplett neu gedeutet. Vielleicht nicht die stärkste Arbeit, aber böse genug um in die Sammlung blutiger Geschichten hinein zu passen.

 

Den zweiten Teil des Bandes läutet Grusel-Onkel Deadgar (eine gelungene Reminiszenz an Poes Geist) als Ort der Liebe ein. Der skurrile Erzähler gibt zudem dem gesamten Band einen charmanten Rahmen, zumindest für einen Toten, der sich nicht wehren kann.

 

Das verräterische Herz besticht nicht nur durch eine fast hundertprozentige Umsetzung, es bedient sich auch stilistisch extravaganter Methoden. Etwa imitiert der Paneel-Aufbau zeitgenössische Collagen und lässt so Szenen ineinander verschmelzen, in stetiger Abwechslung von Großaufnahmen und Totalen. Es wird damit der Rhythmus des Herzschlags in die visuelle Ebene übertragen – ganz großes Comic-Theater.

 

Mit Geister der Toten gelingt eine weitere grenzerweiternde Interpretation. Die Übertragung der wachsamen Toten auf Bürgerkrieg und Ku Klux Klan ist ein zwar typisch US-amerikanisches Lehrwerk, bringt aber eine ganze Menge von dem zum Ausdruck, was Poe wohl in seinem Gedicht meinte.

So unsichtbar auch die Geister der Toten sind, ihr Wissen um unsere Taten begleitet uns, bleibt ein Dämon oder Tröster. Je nachdem.

 

Das spürt auch der Protagonist aus Der See. Ähnlich wie im Raben bereits lauert die Rache im Totenreich, oder vielmehr in jenem Bereich unserer Seele, in dem die Toten geistern. Natürlich wird hier die herzerweichende Melancholie die Originals grausam konterkariert, aber erstaunlich, wie gut es trotzdem zu den Bildern passt.

 

Wen wunderts, wenn die finstren Künstler auch das Liebesgedicht Eulalie entführen und auf einen fiesen Trip ins Dunkel schicken? Dabei graben sie nach der im Gedicht enthaltenen Sehnsucht, der Einsamkeit zu entfliehen und modernisieren quasi diesen unstillbaren Wunsch mit all dem neuen Leiden und der erfüllbaren Möglichkeit einer Gummi-Eulalie.

 

Der dritte Teil des Albums firmiert unter dem Titel »Schweinebacken«.

 

Zunächst darf in Israfel ein kleiner Gangkrieg als Allegorie für Poes Auseinandersetzung mit dem Fehlen göttlichen Eingreifens in Kummer und Leid auf der Welt herhalten. Sehr besinnlich und deutlich trauriger als die anderen Beiträge.

 

Die glücklichste Stunde lässt ein Klassentreffen in einen Amoklauf enden und definiert so das Grauen, das Poe sich für eine zweite Chance im Leben ausmalte. Was passiert mit der Macht, die man dann in den Händen hielte, wäre man ihr gewachsen oder risse sie einen in den Untergang?

Die drohende Gefährlichkeit, die sich in der ungewissen Zukunft verbirgt, besonders, wenn man ihr grundsätzlich negativ gegenübersteht, seine besten Stunden in der weit entfernten Jugend deucht, wurde hier gelungen übertragen, auch wenn die Story eher absehbar erscheinen mag.

 

Einer der heftigsten Texte Poes ist mit Sicherheit Berenice. Der Horror nährt sich hier wie so oft bei Poe aus der Erzählsituation, beschreibt doch der Täter eher analytisch, was mit ihm geschah. Dieses Mittel behalten die beiden Künstler bei, verfremden die Story jedoch, indem sie psychoanalytischen Exkurse des Originals fallenlassen und eine eher denkbare Situation erschaffen, die triebgesteuert beginnt und die Auflösung nicht aus den Umständen heraus gebiert, sondern in Anlehnung an die anderen Stoffe des Bandes zum Produkt der inneren Seelenpein, des schlechten Gewissens werden lässt. Der Mörder bettelt um seine Bestrafung, um der viel schlimmeren Strafe seines eigenen Geistes zu entkommen.

 

Dieser Band bietet nicht nur sehr harte und kräftige Bilder zu den einzelnen Gedichten und Kurzgeschichten Poes, er ist auch ein Beweis für die erstaunlich lebendige Auseinandersetzung mit dem Werk eines Autors, der mit neuen Wegen und Mitteln dem modernen Horror eine grausige Kinderstube bereitete und noch heute für Kreativität und Phantasie sorgt.

Es ist eine wunderbare Idee, neben den Interpretationen auch die Originaltexte zu stellen, kann man sich so nicht nur ein Bild über die Art und Weise der künstlerischen Auseinandersetzung machen, es gibt auch wieder einmal die Gelegenheit in Poes Lyrik und Geschichten zu versinken. Voller Grauen natürlich.

 

Fazit:

Ein zwar rabenschwarzer und mitunter äußerst harter Sammelband von Geschichten die sich auf Werke Poes beziehen, aber sowohl zeichnerisch, als auch in seiner Auseinandersetzung, ein spannender und hoch interessanter Comic-Band darstellt. Keine leichte Unterhaltung für Zwischendurch, sondern Seiten, denen man Beachtung und Aufmerksamkeit schenken sollte, um sowohl die hohe Kunst des Gespanns Corben und Margopoulos würdigen zu können – aber und vielleicht sogar in erster Linie – auch um das Genie Edgar Allan Poes auf sich wirken zu lassen.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240420015022f7189e81
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Buch:

Welt des Schreckens - Edgar Allan Poe

Original: Edgar Allan Poe's Haunt of Horror 1, 2006

Zeichnungen: Richard Corben

Plot und Skript: Rich Margopoulos

Originalübersetzungen: Hans Wollschläger und Arno Schmidt

Übersetzung: Michael Strittmatter

Gebunden, 116 Seiten

Panini, 23. Januar 2009

 

ISBN-10: 3866078137

ISBN-13: 978-3866078130

 

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 10.02.2009, zuletzt aktualisiert: 11.04.2024 08:09, 8211