X-Men: Zukunft ist Vergangenheit
Rezension von Christel Scheja
Vor dem „Avengers“-Franchise waren bereits andere Superhelden-Teams und Universen erfolgreich. Vor allem die „X-Men“ hatten es den Zuschauern angetan, boten doch die unterschiedlichen Figuren viel Identifikationspotential, vor allem für die jüngere Generation. Da aber die Helden der ersten Stunde mittlerweile in die Jahre gekommen sind, wagte das Studio vor einigen Jahren mit „X-Men: Erste Entscheidung“ einen Relaunch, bei dem der Anfang der Geschichte in den 1960er Jahren erzählt und neue Schauspieler in den bekannten Schlüsselrollen etabliert wurden.
„X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“, dient nun dazu, den Staffelstab ganz zu übergeben. Die Geschichte basiert lose auf dem 1980 erschienenen Comc von John Byrne und Chris Claremont, findet aber ihren eigenen Weg, um die Geschichte der Mutanten um Professor X neu zu definieren.
In einer nahen Zukunft, etwa um das Jahr 2020 herum, ist die Welt in ein düsteres Chaos versunken. Die Angst vor den Mutanten hat die Menschheit in ein Terrorregime der Angst und Unterdrückung getrieben. Riesige Roboter, die sogenannten Sentinels sind in der Lage, alle aufzuspüren, die besondere Kräfte in sich tragen, die genetischen Anlagen besitzen, um Mutationen hervorzubringen.
Wer sich nicht in ein Internierungslager bringen und durch Geräte kontrollieren lässt, wird unerbittlich gejagt. Und wehe den normalen Menschen, die übernatürlich Begabte zu unterstützen wagen. Auch sie werden bestraft.
Die letzten freien Mutanten, unter ihnen Professor X, Magneto, Storm und Wolverine, aber auch Iceman und Kitty Pryde versammeln sich in einem geheimen Versteck an der Chinesischen Mauer.
Sie haben einen wahnwitzigen Plan ersonnen, um den Untergang ihrer Spezies, ja der Menschheit, aufzuhalten. Dafür muss einer von ihnen mit Hilfe von Kitty Pryde im Geist in die Vergangenheit zurückreisen, denn die Saat für den Untergang wird bereits im Jahr 1973 durch den Großindustriellen Bolivar Trask gelegt. Seine Ermordung ist der Startpunkt für das Programm, das die Sentinels hervorbringt.
Wolverine ist der einzige, dessen Geist in der Lage ist, diese Reise zu überleben und den Auftrag zu erfüllen. Er findet sich schon bald in seinem jüngeren Selbst wieder und macht sich dann wie vereinbart auf die Suche nach Professor Xavier und Eric Lehnsherr, die allein dazu in der Lage sind, ihm zu helfen.
Doch muss er schon bald feststellen, dass er noch eine ganze Menge Vorarbeit zu leisten hat. Denn Professor Xavier kann zwar laufen, ist aber einer Droge verfallen, die seine geistigen Fähigkeiten unterdrückt und betrinkt sich ständig, weil er sich hinter massiven Schuldgefühlen versteckt. Magneto sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis, da er für den Mord an John F. Kennedy verantwortlich gemacht wird.
Also hat Logan eine Menge zu tun, um die beiden Männer aus ihrer derzeitigen Lage zu befreien und wieder auf Kurs zu bringen. Und die Uhr tickt unerbittlich, bleibt doch nur noch wenig Zeit, um Mystique aufzuhalten, die die Zukunft durch ihre Tat erst auf den Weg bringen wird ...
Nun, da die alten X-Men, sprich ihre Schauspieler, deutlich in die Jahre gekommen sind, ist es tatsächlich an der Zeit, den Staffelstab an ihre jüngeren Ichs weiterzugeben, die schon in „X-Men: Erste Entscheidung“ ihren Auftritt hatten. Der Kunstgriff, die Zukunft mit einer Zeitreise zu verändern ist zwar nicht neu, wird hier aber gelungen in die Geschichte integriert, was nicht nur an der zum Klassiker gewordenen Vorlage liegen mag, aus der nur wenige Elemente entnommen wurden.
Tatsächlich löst sich die Geschichte des Films schnell von der der Comics und entwickelt eine eigene Dynamik. Die düstere Zukunftswelt überzeugt mit einem gelungen bedrückenden Dekor und übermächtigen Gegnern, die den tapfer kämpfenden Helden alles abverlangen, auch große Opfer. Hier kommen die 3D-Effekte besonders gut zur Geltung, denn mehrfach hat man das Gefühl, selbst mitten im Geschehen zu stehen, wenn Gegenstände aus der Leinwand ragen.
Während diese Sequenzen in erster Linie die Fähigkeiten der Helden und die Action betonen, um den Überlebenskampf der letzten freien Mutanten besonders dramatisch herauszuarbeiten, geht es in der Vergangenheit wesentlich dialoglastiger zu, denn hier stehen die Charaktere und ihre psychische Entwicklung im Vordergrund.
Wolverine wird zum verbindenden Element – und tauscht zudem noch die Rollen. War Professor X lange Zeit sein Mentor, der ihm nicht nur dabei half, zur Ruhe zu kommen und seinen Platz in der Welt, unter seinesgleichen zu finden, so muss er nun Xaviers jüngerem Ich beistehen, der eine schwere Krise durchmacht.
Durch die Ereignisse in Kuba und den negativen verlaufenen Versuch seine Schule in den nachfolgenden Jahres aufzubauen, gebrochen lebt er zusammen mit Hank McCoy alias „Beast“ zurückgezogen auf seinem Anwesen und zieht es vor, seine telepathischen Kräfte mit einer Droge abzutöten, die ihn immerhin in die Lage versetzt, wieder zu laufen, und die Welt ihrem Schicksal zu überlassen.
Daher kostet es Wolverine einiges, ihn wieder auf Kurs zu bringen und auch mit Eric Lehnsherr alias Magneto zusammenzuarbeiten, der trotz seiner Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis nichts dazugelernt zu haben scheint und immer noch einen harten Kurs verfolgt, dabei zudem noch sehr kurzsichtig vorausdenkt.
Mystique alias Raven will nur eines – Rache für die in den vergangenen Jahren ermordeten Brüder und Schwestern, die ihrer Meinung nach Bolivar Trask auf dem Gewissen hat. Welche Gründe der Großindustrielle eigentlich hat, die Mutanten so zu hassen, bleibt außen vor – er kämpft nur verbissen darum, seinen Willen durchzusetzen.
Die kommenden Ereignisse zwingen alle Figuren, ihr Verhalten zu überdenken, selbst Wolverine steht einen Moment neben sich, als er unter den Leuten, die Trask unterstützen, auch seine Nemesis William Stryker wiederentdeckt.
Besonderes Augenmerk liegt allerdings auf den jungen Inkarnationen der Superhelden, die letztendlich das Schicksal ihrer Welt in den Händen halten und damit auch die Handlung voran treiben. Es ist weniger ein Liebes- als ein Freundschaftsdreieck, das den Film vorantreibt – Raven alias Mystique steht zwischen den beiden Männern, die ihr Leben geprägt haben – Xavier, der Jugendfreund, der ihr geholfen hat, ein Mensch zu sein und Eric, der sie ermutigt hat, sie selbst zu werden und ihre Besonderheit zu lieben. Es sorgt für das Knistern und die Konflikte zwischen den Helden und erzwingt so manche Entscheidung, die die Zukunft verändern wird.
Daher können vor allem James McAvoy, Michael Fassbender und Jennifer Lawrence in ihren Rollen glänzen, mit denen sie sichtlich Spaß haben. Hugh Jackman sieht man zwar an, dass er viel trainiert hat, aber sein Wolverine bleibt diesmal seltsam zurückhaltend und ist nicht der, der als erster voranstürmt sondern hält sich die meiste Zeit im Hintergrund.
Die Handlung bietet so mehr als nur reines Actiongewitter. Gerade in der Vergangenheit erlauben viele ruhige Szenen einen Einblick in den Hintergrund und die Figuren, lassen zu, dass man sich glaubwürdig in die Zeit und ihre Denkweise zurückversetzt fühlt.
Dann gibt es auch einige augenzwinkernde Momente, in denen Wolverine zum Beispiel sichtlich irritiert über seine noch nur aus Knochen bestehenden Klauen ist und erwartet, dass der Metalldetektor bei ihm verrückt spielt, was aber nicht passiert. Und auch mit dem jungen Mutanten Quicksilver, der seine Gabe dazu nutzt, seine Kleptomanie auszuleben, gibt es einiges zu lachen.
Ernster und tiefgründiger geht es zwischen Eric und Xavier zu, deren Freundschaft immer noch besteht, auch wenn sie zutiefst unterschiedliche Ansichten haben, was die Beziehung zwischen Menschen und Mutanten betrifft und nun in ein neues Stadium eintritt, ebenso wie ihre gemeinsame Beziehung zu Raven alias Mystique.
Aber auch die Freunde der Action kommen nicht zu kurz. Ihre Gaben bis zum Letzten ausreizen dürfen vor allem die Mutanten der Zukunft, die zudem gelernt haben, als richtiges Team zusammenzuarbeiten und sich zu ergänzen – etwas, was Vergangenheit sichtbar fehlt. Aber auch dort geht einiges zu Bruch – wenngleich auch nicht in der faszinierenden 3D-Optik wie im Kampf gegen die modernen Sentinels. Immerhin kommt diese gerade am Anfang deutlich zum Tragen, auch wenn sie in weiten Teilen des restlichen Films wieder einmal nicht nötig gewesen wäre.
Alles in allem wird man in den gut zwei Stunden, die der Film läuft, gut unterhalten und kommt gar nicht dazu, sich zu langweilen. Auch diesmal sollte man den Nachspann abwarten, denn es gibt noch eine Szene am Ende, die vermutlich auf den nächsten Film der Reihe „X-Men: Apokalypse“ hinarbeitet.
Fazit:
„X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ erweist sich als weiterer cleverer Film des Franchise, der nicht nur den Staffelstab von der alten zur jungen Generation weiterreicht, sondern dies auch mit einer ebenso dramatischen wie tiefgründigen Geschichte in Szene setzt.
Neben viel Action, die gerade in in der Zukunftsebene durch die 3D-Effekte besonders zur Geltung kommt, gibt es auch interessante Charakterentwicklungen und Beziehungsgeflechte, die über den Verlauf der Handlung entscheiden, sowie einen guten Schuss Humor, gepaart mit Selbstironie. Also ist der Film Unterhaltungskino vom Feinsten, das einen zwei Stunden auf dem Kinosessel zu halten weiß.
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