Yellowface (Autorin: Rebecca F. Kuang)
 
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Yellowface von Rebecca F. Kuang

Rezension von Matthias Hofmann

 

Dank ihrem grandiosen preisgekrönten Roman Babel von 2022, ist die in China geborene asiatisch-amerikanische Schriftstellerin Rebecca F. Kuang noch in aller Munde und schon folgt der nächste Streich in Form des Romans Yellowface. Dieser ist nicht nur kürzer als alle ihre vorigen Bücher, sondern markiert auch Kuangs ersten Ausflug außerhalb des von ihr bislang gewählten Genres Fantasy. Es geht hinein in die allgemeine Belletristik.

 

Fans der erst 28-jährigen Autorin dürften sich für alle ihre Bücher interessieren, auch wenn sie nicht direkt der Fantastik oder der »spekulativen Fiktion« zugerechnet werden. Wenn mir das Werk eines Autors gefällt, gibt es für mich keine inhaltlichen Grenzen.

 

Interessant zu wissen ist, dass ihr Agent Kuang zunächst abgeraten hatte, weil das Thema von »Yellowface« zu kontrovers sei. Letztlich könnte man die Geschichte auch als Angriff auf die große weite Welt der Verlage interpretieren. Zum Glück hat sie sich davon nicht beirren lassen. Es lag ihr doch zu stark am Herzen (oder brannte auf der Seele).

 

Ihre Danksagung am Ende des Buchs eröffnet Kuang mit dem Satz »Yellowface ist, zu großen Teilen, eine Horrorgeschichte über Einsamkeit in einer hart umkämpften Branche.«

 

Doch worum geht es eigentlich? Kurz zusammengefasst handelt das Buch von der weißen Autorin June Hayward, deren Freundin Athena Liu durch einen plötzlichen Unfall ums Leben kommt. Die asiatisch-amerikanische Athena war wesentlich erfolgreicher als ihre Kollegin, und als June ein unveröffentlichtes Romanmanuskript in die Hände fällt, vervollständigt sie es und gibt es als ihr geistiges Eigentum aus. Und dem Pseudonym Juniper Song wird der Roman »Die letzte Front«, der sich mit Schicksalen von chinesischen Arbeitern während des Ersten Weltkriegs beschäftigt, schließlich veröffentlicht. Und ist ein riesengroßer Erfolg.

 

»Yellowface« behandelt gleich mehrere der gerade angesagten großen Themen. Es geht um Urheberrecht und Ideenklau. Kulturelle Aneignung und Rassismus sind ebenso vertreten wie Cybermobbing, als andere Menschen June (alias Juniper) auf die Schliche kommen.

 

Was außerdem geboten wird, ist ein tiefer Blick hinter die Kulissen der Verlagsbranche. Wie wird ein Bestseller gemacht? Was tun die Verantwortlichen, um ein Buch zu promoten und was tun sie nicht?

 

Eine actionreiche Handlung wird in »Yellowface« nicht geboten, dafür aber ein meisterhaft inszenierter Thriller über eine Person, die sich immer mehr in ein Netz von Lügen verstrickt und schließlich um ihren Ruf und ihre mentale Gesundheit kämpft. Der Roman entwickelt sich von den ersten Seiten an zum absoluten Pageturner. Phasenweise wurde die Spannung so groß, dass ich das Buch kaum aus den Händen legen konnte, was mir schon lange nicht mehr passiert ist.

 

Ein besonderer Twist ist die Tatsache, dass die weiße June Hayward etwas unrechtes getan hat und dadurch kein Sympathieträger ist. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass in der heutigen Zeit, mit Künstlicher Intelligenz, Chat GPT und immer öfter auffliegenden Doktoren, die bei ihrer Dissertation abgeschrieben haben, viele in Versuchung waren oder sind, eine Idee oder einen Stoff nicht selbst zu entwickelt, und anschließend darauf hoffen, dass es keiner merkt.

 

Kuang bindet auch die Kommunikation über Social Media in die Handlung ein, was die Problematik noch aktueller macht. Und für größtmögliche Brisanz sorgt die Tatsache, dass Rebecca F. Kuang selbst eine asiatisch-amerikanische Schriftstellerin ist, und man ist natürlich versucht, zu hinterfragen, wie viel von dem Stoff auf echten, eigenen Erfahrungen beruht. Außerdem spiegelt sich durch diese Konstellation die Problematik der kulturellen Aneignung auf eine besonders raffinierte Weise. Wo in der Handlung des Romans kritisiert wird, dass sich eine »weiße amerikanische« Frau nicht in eine »gelbe asiatische« hineindenken Frau darf oder kann, macht Kuang genau das Gleiche. Jedoch andersrum. Um zu beweisen, dass die Problematik für sie keine ist?

 

Das Buch bietet so viele Denkanstöße für endlosen Gesprächsstoff, dass man meinen könnte, es wäre anhand einer Checkliste am Reißbrett konstruiert worden. Das Ergebnis wirkt überhaupt nicht so, denn es fügt sich alles natürlich zusammen. Unterm Strich ist es ein klug strukturierter Thriller und man ist gespannt, wie es mit dem Lügenkonstrukt der Protagonistin weitergeht und wohin das alles führt.

 

Der fünfte Roman von Rebecca F. Kuang wird die junge Autorin außerhalb der Genreliteratur berühmter machen. Das Buch thematisiert auf unterhaltsame und nachdenklich stimmende Art die brennenden Themen der 2020er-Jahre. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen, besonders allen, die mit dem Gedanken spielen, selbst ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen.

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Buch:

Yellowface

Original: Yellowface, 2023

Autorin: Rebecca F. Kuang

gebundene Ausgabe, 384 Seiten

Eichborn, 29. Februar 2024

Übersetzung: Jasmin Humburg

Titelillustration: Ellie Game

 

ISBN-10: 3847901621

ISBN-13: 9783847901624

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B085TK87PS

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 07.04.2024, zuletzt aktualisiert: 21.04.2024 15:09, 22920