Zähl die dunklen Stunden nur von Julie Parsons
Rezension von Heike Rau
Lydia Beauchamp wohnt ganz allein in Trawbawn House, gelegen im Süden Irlands. Sie ist bekannt für ihren einzigartigen und wunderschönen Garten, den sie mit Hingabe pflegt. Auch einige Bücher hat sie zum Thema geschrieben, macht Führungen für interessierte Besucher. Eines Tages beobachtet sie einen jungen Mann auf dem Anwesen. Es ist Adam Smyth. Er wickelt Lydia mit seinem Charme und einer von Lügen durchsetzen Geschichte ein. Adam erinnert Lydia an ihre Tochter Grace, zu der sie keinen Kontakt mehr hat. Als Lydia schwer stürzt, ist es Adam, der sich um sie kümmert. Er hilft ihr, besorgt Medikamente und macht sich im Haus nützlich. Ist die alte Frau nicht in seiner Nähe, lässt er alle Zurückhaltung fallen und führt sich auf, als wäre er Zuhause.
Lydias Arm ist gebrochen. Sie muss ins Krankenhaus, um ihn versorgen zu lassen. Beim Warten stößt sie auf einen Artikel über ihre Tochter, die Direktorin einer Schule ist. So viele Jahre sind vergangen, seit sie ihre Tochter fortschickte, weil sie schwanger war. Das Kind wurde adoptiert. Lydia weiß nicht, was aus dem Baby geworden ist. Sie Sehnsucht nach Grace ist groß, fast übermächtig. Nur von Erinnerungen möchte Lydia nicht mehr leben. So bittet sie Adam, der sich mittlerweile unentbehrlich gemacht hat, herauszufinden, wo ihre Tochter lebt. Er soll sie aufsuchen und überreden nach Trawbawn zu kommen, damit sie sich mit ihrer Tochter versöhnen kann. Lydia ahnt nicht, dass sie einen ehemaligen Sträfling, einen Dieb, Vergewaltiger und Mörder zu ihrer Tochter schickt.
Das Buch hat einen perfekt ausgearbeiteten Spannungsbogen. Ganz langsam aber stetig wird die Spannung gesteigert, bis es fast nicht mehr zum Aushalten ist. Lydia ist eine vertrauensselige alte Frau, die ihrer Einsamkeit entrinnen will und deshalb alle Vorsicht fahren lässt. Viel zu schnell erliegt sie Adams Charme. Man kann es verstehen. Adam erschleicht sich das Vertrauen der alten Dame auf eine unglaublich skrupellose Art und Weise und nutzt es dann schamlos aus. Er geht mit einer Unverfrorenheit vor, als gehöre ihm die Welt. Und er scheint damit durchzukommen, das ist wirklich beängstigend. Und doch ist Adam als Figur sehr glaubwürdig. Man bekommt Gänsehaut, wenn man von ihm liest. In diesem Buch sind aber auch die weniger bedeutenden Figuren gut ausgearbeitet. Beim Lesen wird eine unheimlich Stimmung spürbar. Diese steigert sich noch, als die wirklichen Absichten Adams immer deutlicher werden, wenn sein wahrer Charakter sich offenbart, seine Kaltblütigkeit. Und doch muss man immer weiter lesen, so fesselnd ist diese Familientragödie. Man wird von diesem Albtraum völlig in den Bann gezogen.
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