Reihe: Necrophobia Bd.2
Rezension von Christel Scheja
In der unregelmäßig erscheinenden „Necrophobia“-Reihe präsentiert Frank Festa Horror-Geschichten und Novellen aus den letzten 150 Jahren. So finden sich fast schon klassische Geschichten von Fritz Leiber, Robert Bloch oder Karl Edward Wagner neben denen von derzeitigen Stars der Szene wie Brian Lumley und relativ unbekannten Newcomern, die aber durchaus Potential haben.
Tradition ist, das von einem Autoren zwei Geschichten vorhanden sind – eine am Anfang, die andere am Ende. Diesmal ist es F. Paul Wilson mit „Zart wie Babyhaut“ ist nicht nur ein neuer Werbeslogan in der Modewelt der Schönen und Reichen, sondern auch das Geheimnis eines New Yorker Modelabels, dass für seine ungewöhnlichen Taschen buchstäblich über Leichen geht. Denn das Material ihrer neuen handgearbeiteten Serie ist „Fötenleder“ – die Haut abgetriebener Kinder. Und es gibt genug Frauen, die diesen außergewöhnlichen Look schätzen und jede Skrupel überwinden, weil sie dazu gehören wollen.
Ähnlich makaber und böse ist auch seine Geschichte „Weich“ in der ein Mensch trotz Knochenschwundes versucht, sich entsprechend in seinem Leben einzurichten. In beiden Storys vermischt F. Paul Wilson den ganz normalen Alltagswahnsinn mit kleinen aber feinen Horror-Elementen, die sich einem erst beim Lesen der Geschichte erschließen.
Brett M. Bean ist ein junger unbekannter Autor aus Australien. Bereits mit seiner Debüt-Geschichte „Genie eines kranken Geistes“, beweist er, wie tief er in die Abgründe eines menschlichen Geistes blicken kann, als er ein Ehepaar mit den Machenschaften eines Psychopathen konfrontiert. Doch letztendlich ist alles anders, als der Mann denkt...
Eher klassisch ist „Die drei markierten Pennies“ von Mary E. Counselman aus den 1930er Jahren. Die Bewohner einer Kleinstadt geraten in Aufregung, als Zettel verkünden, dass es eine ganz besondere Lotterie geben wird. Denn wer am Ende einen der drei Pennys, die besonders markiert wurden, in seinem Besitz hat, wird der Gewinner eines der Preise: Eine Reise, 100.000 Dollar und den Tod. So ist es nicht verwunderlich, dass viele lieber auf einen Gewinn verzichten, denn niemand möchte wirklich sterben... Die Geschichte mag zwar sehr konventionell wirken, ist aber sehr lebendig erzählt und wartet am Ende noch mit einem sehr gemeinen Twist auf.
„Das Haus der Tänzerin“ von Frederick Cowles spielt wieder einmal mit einem der klassischen Geisterthema – der Rache, die eine ermordete Seele an dem Nachkommen des Mörders verübt.
Ein interessantes Thema greift Robert Bloch in „Der Phantommörder auf“. Ein Mann übernimmt die Hinterlassenschaften seines Onkels und macht eine entsetzliche Entdeckung, als er dessen Raum sichtet. Denn er findet Zeitungsausschnitte von Berichten über einen Serienkiller, dessen Morde nie aufgeklärt wurde. Er ahnt nun die schreckliche Wahrheit und fragt sich, ob ihn dieser Fluch auch treffen könnte. Vielleicht ist der Horror hier nicht mystisch, aber er gehört zur Kategorie der wissenschaftlich erklärbaren Momente des Grauens.
Das sind nur einige der insgesamt neunzehn Geschichten, die sowohl in Inhalt als auch den Themen eine große Bandbreite des Horror-Genres abdecken. Da gibt es die Blicke in die Abgründe der Seele wie in „Genie eines kranken Geistes“, Begegnungen mit Ghulen, Werwölfen und Geistern, seltsame und unerklärliche Begebenheiten, bei denen oft auch die Wissenschaft kapitulieren muss.
Nur die derzeit so beliebten Vampire spart Frank Festa aus, auch die Werwölfe entsprechen eher klassischen als romantischen Vorstellungen. Die Geschichten sind teilweise sehr makabere Blicke auf unsere Gesellschaft, die oft genug die Grenzen überschreitet, spielt mit der Angst und den Ekelgefühlen der Leser und greift fast schon respektlos klassische Themen auf, wie etwa Karl Edward Wagner, der „Das Bildnis des Dorian Gray“ nicht nur mit seinem Autor in Verbindung bringt, sondern auch modernisiert und sogar ein Tabu wie Homosexualität aufgreift.
Meistens kommt das Grauen auf leisen Sohlen daher, wie in „Die Gruft“, die mehr mit unheimlichen Ahnungen als Schockeffekten arbeitet, manchmal wird es auch regelrecht eklig wie on „Porno im August“.
Alles in allem spricht Frank Festa mit der Zusammenstellung vor allem den Genre-Fan an, der sich abseits von den gegenwärtigen Trends des Mainstream verzweifelt Nischen und anspruchsvolle, wie intelligente Geschichten sucht, die nicht nur den Massengeschmack befriedigen. Außerdem zeigt er, dass sich zwar die Art des Erzählens und die gängigen Themen mit der Zeit verändert, einiges aber unverändert aktuelle und auch für spätere Generationen sehr nachvollziehbar bleibt.
Deshalb ist auch der dritte Band „Zart wie Babyhaut“ aus der „Necrophobia“-Reihe jedem Horrorfan uneingeschränkt zum empfehlen, egal ob er neu im Genre ist oder bereits viele Jahre dabei, zumal die Geschichten alle mehr oder wenige deutsche Erstveröffentlichungen sind.