Zeit der Stasis (Autoren: Thomas Ziegler und Uwe Anton)
 
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Zeit der Stasis von Thomas Ziegler und Uwe Anton

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Man muss sich das Jahr der Erstveröffentlichung vor Augen halten, um Zeit der Stasis gerecht werden zu können, denn heute sind Geschichten nach einem Supergau in großer Menge vorhanden und es kommen nach Fukujima entsprechend viele neue Werke hinzu.

Aber 1979 ist es noch sieben Jahren bis Tschernobyl und so könnte eher der US-amerikanische Zwischenfall in einem Kernkraftwerk auf dem Three Mile Island Anlass für den Roman gegeben haben. Natürlich war dank der noch jungen Grünen-Bewegung jegliche Art von Umweltverschmutzung hochbrisant und besonders für die Jugendlichen der BRD Grund genug, sich politisch zu engagieren. Mit dem Nato-Doppelbeschluss stand zudem eine Verschärfung der atomaren Bedrohung im Raum und jeglicher Protest dagegen führte auch zu einer Auseinandersetzung mit den Staat, der irgendwie immer weniger auf das Volk zu hören schien. Rainer Zubeil (Thomas Ziegler) und Uwe Anton waren damals Anfang 20 und vermutlich heißblütige Vertreter ihrer Generation.

Wenn man sich diese Prämissen vor Augen führt, gewinnt »Zeit der Stasis« über den eigentlichen Plot hinaus zeitgeschichtliches Gewicht. Doch zunächst zur Handlung:

 

Nach einem Supergau am Niederrhein nutzt wieder einmal ein Machtmensch die Gunst der Stunde und beginnt an der Spitze der Aufbaupartei Stück für Stück das Land in eine Diktatur zu überführen. Ist es zunächst nur die Unterstützung der Industrie, helfen ihm später eine dem Trinkwasser beigemischte Droge und logischerweise die Presse, inklusive betäubender Fernsehstrahlen.

Glücklicherweise gibt es eine Gegenbewegung – die Organisation. Fast zwei Jahrzehnte nach der Usurpation durch Theodor Uebbert (welch sprechender Name!), scheint die Zeit reif für einen Machtwechsel. Die führenden Köpfe der Opposition haben einen raffinierten Plan entworfen, um Uebbert samt Staatsführung auszuschalten und die Diktatur zu stürzen.

Doch der Plan kann nur gelingen, wenn Richard Arning durch die Folterhölle der Stasis geht. Seine einzige Chance: fünf Erinnerungen …

 

Die beiden Autoren nutzen den Kunstgriff der eingepflanzten Erinnerungen, um ganz unterschiedliche Lebensläufe und damit entsprechend breitgefächerte Einblicke in das Leben unter der Diktatur zu geben. Dabei legen sie nicht nur bloß, was alles an Üblem im Land geschieht, sie stellen auch dar, wie es ihrer Meinung dazu kommen konnte.

Gedankliche Ausgangslage ist ganz klar die Situation in der BRD. Springerpresse, biederbraves Bürgertum, Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit, Notstandsgesetze; all das findet sich wieder und damit die Ängste und Befürchtungen der beiden Autoren. Dass sie daraus kein reines Untergangsszenario bauen, sondern auch den Weg wieder hinaus weisen, ist die große Überraschung des Romans. Zwar arbeitet der Widerstand aus dem Untergrund und mit Waffengewalt, aber Humanismus und der Wunsch, eine demokratische Gesellschaft aufzubauen, bestimmen das Handeln der Opposition. Insofern wird der Roman nicht nur zur Warnung vor den Dingen, die da kommen könnten, wenn man den Anfängen nicht rechtzeitig ein Ende setzt, sondern auch eine Mahnung, den Weg der Menschlichkeit und der Demokratie nicht zu verlassen.

 

Interessant ist neben den zentralen gesellschaftlichen Themen auch der technische Weitblick der Autoren. Zugegeben, er ist nicht sonderlich exotisch oder gar überraschend präzise, eher nostalgisch, möchte man es nennen. Wenn von Datenbanken als physische Geräte gesprochen wird oder die Kommunikation per Funk stattfindet, trifft man auf die Grenzen der futurologischen Extrapolation. Sehr dicht jedoch sind die Autoren an der Realität, wenn sie den Einsatz der neuen Techniken zur Manipulation und Bespitzelung des Volkes beschreiben.

Was damals als Mittel einer Diktatur abschreckend erdacht wurde, ist heute von der Regierung schöngeredete Normalität. So schwammig sind manchmal die Grenzen zwischen Demokratie und Gewaltherrschaft.

 

Nebenbei konstruieren die Autoren noch eine leidlich spannende Actionhandlung, die auf das Finale, der Staatsstreich, hinstrebt. Das ist aber streckenweise recht blutleer und aus heutiger Sicht unspektakulär. Seltsam mutet auch die Zwischensequenz um Mutanten an, die, gerade wenn man den späteren schriftstellerischen Lebenslauf der beiden Autoren im Kopf hat, an Perry Rhodan erinnert, frei nach dem Motto »Psi-Kräfte sind cool, lass uns das irgendwie einbauen!«. Diesem Aspekt dürfte auch das Titelbild von Wojtek Siudmak geschuldet sein.

 

Fazit

Mit Zeit der Stasis kann man heute wunderbar in die Befindlichkeit zweier junger Menschen Ende der Siebziger Jahre in der BRD eintauchen und ihnen dabei lauschen, wie sie sich die düstere Zukunft vorstellen, sollten etliche Dinge weiterhin so verdammt schief laufen.

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Buch

Zeit der Stasis

Autoren: Thomas Ziegler und Uwe Anton

Taschenbuch, 191 Seiten

Heyne Verlag, 1979

Titelbild: Wojtek Siudmak

 

ISBN-10: 345330599X

ISBN-13: 978-3453305991

 

Erhältlich bei: Amazon

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Erstellt: 06.08.2013, zuletzt aktualisiert: 08.08.2023 16:01, 13202