A Nightmare on Elm Street
Rezension von Torsten Scheib
Rezension:
Irgendwie ist es schon ein wenig ironisch. Da erschuf Horror-Altmeister Wes Craven 1984 mit A Nightmare on Elm Street nicht nur einen wegweisenden, innovativen Horrorfilm, sondern stieß dank des Spielfelds seines kultigen Protagonisten, Freddy Krueger eine nahezu unbegrenzte Welt der Möglichkeiten auf. Die Welt der Träume! Wo physikalische Gesetze ebenso außer Kraft gesetzt werden können wie die Limitiertheit der Realität! Wo Fortsetzungen ausnahmsweise auch mal einen Sinn ergeben können, sofern die entarteten Rachegelüste des Mannes mit dem Klingenhandschuh auch entsprechend umgesetzt werden … können. Und eben darin liegt die Ironie. Oder sollte man sagen: die Tragik? Denn so einfallsreich Craven beim Original war (und ein Teil der Regisseure bei den Fortsetzungen) – es fehlte jenes Werkzeug; jener Feinschliff, der heutzutage als selbstverständlich betrachtet wird, zu jener Zeit allerdings noch pure Science-Fiction war. CGI - Computer-Generated Imagery beziehungsweise Computergrafik. Nicht auszumalen, was damals schon erstanden wäre, wäre jenes revolutionäre Tool zu jener Zeit a) frei erhältlich und b) vor allem bezahlbar gewesen.
Was nicht heißen soll, dass die Filmreihe per se schlecht oder minderwertig war beziehungsweise ist. Gerade der erste Teil zeugte ob seiner Kamera-, Schnitt- und auch Tricktechnik von erstaunlichem Einfallsreichtum, der selbst nach 26 Jahren begeistern kann.
Aber dennoch spricht in diesem Falle ausnahmsweise nur herzlich wenig gegen eine Frischzellenkur. Nicht nur, was die Spezial-Effekte betrifft – sondern auch jenen ikonischen Bösewicht mit Filzhut und gestreiftem Pulli, der längst zu einem Teil der populären Kultur geworden ist: Freddy Krueger! Und man muss es eingestehen: so gut, ja geradezu überlebensgroß die Darstellung von Robert Englund auch sein mag, er wird nicht jünger. Und auch wenn er mit 63 Jahren alles andere als ein altes Eisen ist, so muss man eben doch an die Zukunft denken – gerade, wenn man ein Franchise neu beleben möchte!
Es spricht für Englunds Generosität (und für jene Leichtigkeit, die offenbar mit dem Alter einhergeht), dass der Kalifornier keinen Streit vom Zaun gebrochen hat, nachdem seine »Rolle des Lebens« von einem anderen besetzt worden war. Und, ganz ehrlich, gibt es auch keinen Grund dafür, da mit dem oscarnominierten Jackie Earle Haley ein mehr als guter Ersatz gefunden wurde.
Jackie wer? werden sich nun sicherlich nicht wenige fragen. Und jene Frage ist auch durchaus berechtigt, da der gute Mann bislang weniger in Großproduktionen geglänzt hat beziehungsweise in den weit zurückliegenden 70ern ein äußerst gefragter Kinderstar gewesen ist. Doch ein Film sollte die Karten neu mischen. Es war nämlich im Jahre 2009, als Regisseur Zack Snyder für seine Comic-Verfilmung des Alan Moore-Comics Watchmen die Rolle des, ähm, nun psychisch etwas wankelmütigen Superhelden Rorschach eben mit Haley besetzte. Und Haley enttäuschte nicht; weit gefehlt. Obwohl seine Züge fast gar nicht im Film zu sehen waren, hauchte er seinem Alter Ego Leben ein – und drehte unbewusst eine Art Bewerbungsvideo für das »Nightmare«-Remake.
So neu der Hauptdarsteller, so frisch ebenso Regisseur und Drehbuchautoren. Mit Samuel Bayer hat ein Mann auf dem Regiestuhl Platz genommen, der bislang eher durch Videoclips aufgefallen ist, denn durch abendfüllende Spielfilme. Gleiches lässt sich auch über zumindest einen Teil des Autorenduos sagen. Denn so erfahren der New Yorker Wesley Strick (u. a. Drehbücher zu Arachnophobia und leider auch Doom) auch sein mag, so relativ neu ist sein Kompagnon Eric Heisserer. Aber Unerfahrenheit muss ja nicht gleichbedeutend mit Minderwertig sein … oder?
Doch zunächst zur Story: Es ist eine weitere – scheinbar – ereignislose Nacht im Springwood Diner. Wäre da nicht jener ganz besondere Gast, der nahezu unbemerkt von den Angestellten und der Handvoll Kunden buchstäblich durch die Hölle geht. Dabei handelt es sich um Dean Russel (Kellan Lutz), einen eigentlich ganz gewöhnlichen Teenager, der jedoch nichts mehr fürchtet, als einzuschlafen. Seit über 72 Stunden hat er nun schon kein Auge zugetan, doch selbst die besten Wachmittel fangen an, wirkungslos zu werden. Schließlich, das Unvermeidbare: Dean kippt zusammen. Was folgt, ist jedoch ebenso unfassbar wie grausam. Scheinbar schlafwandelnd, greift der junge Mann zum Messer und schneidet sich eigenhändig die Kehle durch.
Was für die Behörden und die Bevölkerung als Suizid betrachtet wird, lässt Russels Ex, Kris Fowles (Katie Cassidy), keine Ruhe. Sie beginnt, Nachforschungen anzustellen – und wird parallel des nächstens von unvorstellbar grausamen Alpträumen heimgesucht. Das beides – Deans Tod und ihre Träume – miteinander verbunden sind, erfährt sie schließlich dank ihrer Schulkameraden Nancy Holbrook (Patricia Mara) und Quentin O’Grady (Kyle Gallner), die beide von den gleichen Schimären geplagt werden – und von einem unheimlichen, furchtbar entstellten Monstrum mit Krallenhänden. Doch wer ist der Verbrannte? Und warum taucht er lediglich in den Träumen von Kris, Nancy und Quentin auf?
Die Befragung der Eltern stellt sich als Enttäuschung aus. Und dennoch – sie scheinen mehr zu wissen, als sie vorzugeben scheinen. Doch was?
Da stößt Kris auf eine alte Aufnahme aus dem Jahre 1994 – und kommt der Wahrheit auf die Schliche. Offenbar hatte man ihr und den anderen jegliche Erinnerungen an die damalige Zeit ausradiert. Eine Vergangenheit, in der eine ganz bestimmte Person im Mittelpunkt steht: der kinderliebe Grundschulhausmeister Fred Krueger, der letztlich von einem tobenden Mob verfolgt und in einem Flammenmeer zur Strecke gebracht wurde. Ob unschuldig oder nicht – jetzt ist er zurückgekehrt und dürstet nach Rache!
Doch wie bekämpft man einen Alptraum? Wie erwehrt man sich gegen ein Ungetüm, das man nur im Schlaf auffinden kann?
Verzweifelt versucht das Trio, auf diese Fragen eine Antwort zu finden, als es ein weiteres Opfer zu beklagen gibt …
Sicher, der eigentliche Plot ist alles andere als innovativ. »Vertraut« trifft es wohl eher. Aber im Grunde macht es auch nichts, solange die Inszenierung der Vorlage und den Ansprüchen gerecht wird. Und ausgerechnet da fängt »A Nightmare on Elm Street« zu Wanken an. So solide und handwerklich einwandfrei der Stoff auch in Szene gesetzt wurde, so einfallslos und uninspiriert präsentiert sich die Neuauflage streckenweise. So wurden ganze Szenen teilweise 1:1 aus dem Original übernommen beziehungsweise imitiert. Schade! Denn gerade Freddys Traumwelt wäre perfekt gewesen, um neue, womöglich noch verstörendere Ansätze aufzuzeigen und die Serie um weitere Highlights zu ergänzen. So aber hält sich Regisseur Bayer traurigerweise an die Geschwindigkeitsbegrenzung, statt voll durchzustarten. Erst gegen Ende des zweiten Akts traut er sich zumindest ansatzweise aus seinem Schneckenhaus hervor und streut zumindest ein wenig eigene Ideen ein. Zu spät und leider auch nicht ausreichend, um einen überzeugenden Reboot zu fabrizieren. Darunter leidet auch die wirklich überzeugende Darstellung von Jackie Earle Haley, dessen Performance als Freddy Krueger in Sachen Bösartigkeit selbst dem Vorgänger das Wasser abgräbt. Zwar verzichtet er praktisch vollkommen auf den pechschwarzen Humor von Englund, wirkt aber dadurch nur noch diabolischer. Wobei man auch hier noch einiges hätte verbessern können. Weniger, was die eigentliche Darstellung anbelangt, als vielmehr Freddys Vergangenheit. Denn der Versuch, ihm eine Art hybride Vergangenheit zu verpassen, fruchtet einfach nicht. Vielleicht hätte sich das Drehbuchgespann mal mit Rob Zombies Neuinterpretation von Halloween befassen sollen, da hier eine wirkliche Weiterentwicklung stattgefunden hatte, die den Zuschauer auch bei Stange hielt.
Fazit:
Gut inszeniert, streckenweise durchaus unterhaltsam – aber letztlich dennoch einfach zu uninspiriert. Die Neuauflage hat durchaus das Potenzial zu Größerem gehabt, wird aber dank einem gerüttelt Maß von Einfallslosigkeit zu einem weiteren durchschnittlichen Remake. Sehr schade!