Rezension von Carmen Huber
Candy Quackenbush wohnt in Chickentown, der wohl langweiligsten Stadt der Welt, ihre Schule ist unausstehlich und obendrein gibt’s zu Hause auch noch Probleme mit ihrem arbeitslosen und alkoholabhängigen Vater. Als es in der Schule wieder einmal richtig Ärger gibt, haut Candy ab und streif ziellos durch das Grasland von Minnesota – wo sie zu ihrer Überraschung plötzlich Muscheln findet. Muscheln! Und dabei ist sie Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Meilen vom nächsten Meer entfernt!
Und dann begegnet sie plötzlich einem Mann, aus dessen Kopf ein gewaltiges Geweih mit sieben weiteren Köpfen sprießt – und alle davon sind lebendig und quatschen auch höchst aufgeregt durcheinander. Nur wenig später stellen sie sich als acht Brüder und Weltklassediebe vor, von denen John Mischief der Hauptbruder – also der, der auch einen Körper zu seinem Kopf besitzt – ist. Aber im Moment stecken die Brüder in ziemlich großen Schwierigkeiten: Sie sind auf der Flucht vor dem brutalen Mendelson Shape, einem Diener des Fürsten der Mitternacht, und der ist ihnen auch schon ziemlich knapp auf den Fersen. Verzweifelt bittet Mischief Candy um Hilfe, und unter Anleitung ihrer neuen Freunde gelingt es ihr, das Izabella-Meer zu rufen – ein Meer, das sie direkt zum Abarat bringt. Zusammen können sie Shape entkommen, und Candy beschließt ohne zu zögern, dass sie John Mischief nach Abarat begleiten und ihre alte, unerträgliche Heimat hinter sich lassen will.
Und so reisen die acht Brüder und Candy zum Abarat mit seinen 25 Inseln, von denen je eine für jede Stunde des Tages steht plus die fünfundzwanzigste Stunde, genannt Odoms Spitze, welche eine Zeit außerhalb der Zeit ist, in eine Welt voller Wunder und phantastischer Geschöpfe, aber auch voller ungeahnter Gefahren – denn schon bald ist der Fürst der Mitternacht hinter Candy her ...
„Abarat“ ist ein Kinder- und Jugendbuch und der erste Band von Clive Barkers neuer Buchreihe. Walt Disney hat für die Serie bereits die Filmrechte erworben und arbeitet schon an der Umsetzung von „Abarat“ – wobei es aber wahrscheinlich noch dauern wird, bis der Film in die Kinos kommt. Besonders bemerkenswert ist vor allem die Gestaltung, die für ein Taschenbuch außerordentlich schön gelungen ist: Ein edles und passendes Cover ziert die Vorderseite, und im Inneren findet man durchgehend witzige schwarz-weiß Zeichnungen, die meist genauso ausgefallen wie die Geschichte selbst sind. Zum Schluss gibt es auch noch einen Auszugs aus Klepps Almanach (so etwas wie ein Universallexikon von Abarat, das ungefähr gleich viel Wahrheit wie Erfundenes enthält), wo man auf 15 Seiten farbigem Papier noch eine Beschreibung der 25 Inseln findet – natürlich begleitet von bunten Zeichnungen. Jede Menge weiterer Informationen zu den Büchern, dem geplanten Film und dem Autor findet man auch unter www.thebooksofabarat.com – leider aber nur auf Englisch.
Abarat ist schon eine äußerst ungewöhnliche Geschichte: 24 Inseln für je eine Stunde des Tages, wo dann alles so ist, wie man es eben auch mit dieser Tageszeit verbindet: strahlender Sonnenschein und unvergleichliche Schönheit auf der Insel für die Mittagszeit, ausgelassene Feierabendstimmung auf sechs Uhr und auf der Insel für Mitternacht völlige Dunkelheit und albtraumhafte Geschöpfe. Jede Insel hat ihre Eigenheiten und Geheimnisse, doch die meisten sind noch recht unerforscht. Zwar erfährt man über diese Inseln im ersten Band noch ziemlich wenig, da auch Candy andauernd auf der Flucht ist und nur wenig Zeit für Entdeckungen hat, jedoch freue ich mich schon auf die Fortsetzung, wenn diese Welt dann mehr ihrer Geheimnisse enthüllt. Auch die Charaktere sind gut gelungen, und vor allem mit Candy hat Clive Barker eine äußerst sympathische, mutige und sehr neugierige Heldin geschaffen, die man auf Anhieb ins Herz schließt. Die Geschichte selbst ist spannend und amüsant, dabei aber auch ungewöhnlich fantasievoll und mitunter regelrecht ausgefallen – aber genau das ist die Besonderheit des Buches. So stürzt man an Candys Seite von einem phantastischen Abenteuer in das nächste, und stets pulsiert die Geschichte regelrecht vor Leben. Zum Schluss bleiben aber auch noch viele Fragen offen, sodass man auf die Fortsetzung schon gespannt sein darf.
Fazit: Äußerst fantasievolle Unterhaltung, wo nichts unmöglich ist!