Blech von Oliver Gasperlin
Erzählung - Übertragen aus dem Nichts
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Die Welt in einer post-apokalyptischen, aber keineswegs humorfreien Zukunft: Die gesamte Erdoberfläche ist mit einem Blechpanzer überzogen und so gut wie unbewohnbar geworden. Nur wenige trotzen hier der lebensfeindlichen Gluthitze des Tages, Stürmen und Überschwemmungen, vor denen das Blech keinerlei Schutz mehr bietet. Oliver Gasperlins visionäres Debüt ist der frech und mit lakonischem Witz erzählte Bericht einer haarsträubenden Odyssee, die einer der Blechbewohner während seiner Erkundungstouren über und unter dem Blech erlebt. Was wie eine dystopische Höllenfahrt beginnt, entwickelt sich schnell zu einer amüsanten Tour durch eine abstruse Welt, die von Gnomen, Sirupvertretern, geklonten Über-Menschen und durchfallgepeinigten Abenteurern bevölkert wird. Über allem steht jedoch die Frage, was sich eigentlich unter dem Blechmantel befindet.
Rezension:
Es gibt viele Wege, als Autor von Science Fiction zu debütieren. In Deutschland mag der Weg schwierig sein, dennoch gelingt es Jahr für Jahr immer wieder.
Der schönste Weg ist sicherlich, wenn ein ambitionierter Verlag das eigene Buch veröffentlicht.
Im Fall von Oliver Gasperlins Roman-Debüt Blech übernahm der Chaotic Revelry Verlag das Wagnis.
Die Aufmachung ist ungewöhnlich. Wann hat man schon mal Fraktur auf dem Cover aktueller SF? Zudem verheißt auch die Einbandfarbe keine klassische Weltraumutopie. Lesebändchen und gebundene Ausgabe verstärken den Eindruck einer sorgfältigen Edition und offenbaren eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Werk, wie sie die Großverlage nur sehr selten noch vollbringen.
Der Leser schreitet mit einer gewissen neugierigen Irritation zur Lektüre.
Inwändig sind die Kapitelüberschriften ebenfalls in Fraktur und wenn es dann zu Beginn auch noch um einen Führer geht, wird aus Irritation Aufmerksamkeit, und genau dies scheint Absicht gewesen zu sein.
Denn mitnichten ist »Blech« altmodisch oder gar irgendwie rechts angehaucht, der geneigte Leser kann beruhigt aufatmen und sich nun ganz in eine seltsame Welt stürzen.
Geschrieben in Präsenz und Ich-Perspektive, vermittelt der Erzähler den Eindruck sehr geringer Intelligenz. So stolpert er Forest Gump mäßig durch die Welt des Blechs, mal als Soldat in der irren Kulisse eines Ersten Weltkriegs (und hier vermutet man Bezüge zum Schwejk), mal als Brausevertreter im fünfziger Jahre Bundesland und dann wieder als unschuldiger Trottel im Dienst eines größenwahnsinnigen Wissenschaftlers, bis hin zu einer Queste, die zwar nicht zum Gral oder zur Weltenrettung führt, jedoch in eine Art esoterische Auflösung mündet.
Gasperlin mischt seine Szenarien wild zusammen. Immer wieder hat man das Gefühl, dass der Ich-Erzähler über seine eigentlich tumbe Perspektive hinauswächst, um im nächsten Augenblick dorthin zurückzufallen, vielleicht in seinen Schwingungen vergleichbar mit Der Irrtum des großen Zauberers der Brauns.
Der Weltenbau ist mindestens ebenso skurril, es gibt sowohl satirische Passagen, als auch eindeutig polemische Stellen, die sehr wohl als Zeitkommentar zu lesen sind. Geschrieben ist das alles sehr gedrechselt und so eilt man zügig und angeregt durch die Kapitel.
Fazit:
Das Debüt von Oliver Gasperlin bietet literarisch, als auch bibliophil hohe Qualität. Kein TAR (Titten, Aliens, Raumschiffe), aber erstaunlich schnuckelige deutsche SF.
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