Casus Belli herausgegeben von Torsten Scheib
Rezension von Olaf Kieser
Rezension:
Krieg ist wohl das Furchtbarste, was Menschen einander antun können. Krieg scheint aber auch zum Wesen der Menschen zu gehören. Wirft man einen Blick in die Geschichte so stellt man schnell fest, dass es schon immer Kriege gab und ein Ende ist nicht in Sicht. Natürlich ist Krieg auch Gegenstand von Literatur, wissenschaftlicher ebenso wie fiktionaler. Man denke nur an Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues, Ernst Jüngers In Stahlgewittern oder Insel der Verdammten von James Jones. Krieg hat auch seinen Platz in der phantastischen Literatur gefunden, vorwiegend im Bereich Science Fiction. Als Beispiel sei hier nur das Battle Tech-Universum erwähnt. Das Horror-Genre ist da schon seltener vertreten. Das mag an der Erfahrung der zwei Weltkriege liegen, in deren Entstehung Deutschland tief verstrickt war. Diese Tatsache baut wahrscheinlich einem allzu lockeren Umgang mit dem Thema Krieg vor.
Dennoch ging Torsten Scheib mit seiner Kriegsanthologie Casus Belli das Wagnis ein und sammelt Horror-Kurzgeschichten von 25 Autoren und Autorinnen, vorwiegend aus Deutschland, zum Thema Krieg. Ein Wagnis deshalb, weil einerseits durch das Auftreten von Zombies etc. der Thematik eine Verharmlosung drohen kann und andererseits gerade der Zweite Weltkrieg mit seinen von deutscher Seite begangenen Verbrechen immer ein heikles Thema für eine fiktionale Annäherung ist. Stellt sich die Frage, ob sich das Wagnis gelohnt hat?
Bei 25 Beiträgen gibt es zwangsläufig Schwankungen in der Qualität. Casus Belli kann man insgesamt ein solides bis gutes Niveau bescheinigen. Es gibt nur zwei Ausreißer nach unten, doch dazu später mehr. Den meisten Autoren gelingt es recht gut, den Schrecken des Krieges für Soldaten und Zivilisten nachvollziehbar zu machen, ebenso ihre jeweilige Horror-Vision.
Gleich zu Beginn führt Christian Weis den Leser in seiner Geschichte Grabenkämpfe, eine der stärksten des Bandes, unmittelbar in den erbitterten Abnutzungs- und Stellungskrieg an der Westfront der Jahre 1917 oder 18. Hier gelingt die Wendung ins Phantastische recht gut, wie auch in Hiroshima Falling von Weston Ochse, von dem die wohl beste Geschichte des Bandes stammt. Unmittelbar nach dem Atombombenabwurf versucht ein schwer verletzter Mann wieder nach Hause zu kommen. Er irrt durch die verheerte Stadt und macht dabei eine zutiefst verstörende Entdeckung. Das ist erschütternd beschrieben. Ochses Idee passt gut zu den realen Ereignissen und fügt der schrecklichen Historie eine grausige Note hinzu.
Einen gewissen Grad an schwarzem Humor kann man Eine Verkettung unglücklicher Umstände von Monika Niehaus nicht absprechen. Die Autorin erzählt darin ihre Version von dem Gelingen des Überraschungsangriffs der Japaner auf Pearl Habor.
Gelungen ist auch die Geschichte Helden deutscher Literatur von Lars Maria Maly. Darin geht es um zwei patriotische junge Männer, die von einer Karriere als Schriftsteller träumen. Der Erste Weltkrieg kommt ihnen da wie gerufen, denn da lässt sich bestimmt etwas erleben. Doch schon die Musterung entpuppt sich als unerwartet schwierig. In den anderen Geschichten stößt man unter Anderem auf Untote, heidnische Rituale, Walküren, Vampire und eine kleine Hommage an H. P. Lovecraft. Manchmal, aber nicht immer, ist das schon trashig, das hat der Herausgeber aber auch in seinem Vorwort angekündigt. Da Casus Belli stilistisch und inhaltlich sehr abwechslungsreich ist und so auch unterschiedlichen Geschmäckern etwas angeboten wird, ist das Buch ziemlich unterhaltsam.
Nun sollen aber noch ein paar Worte über die Ausreißer nach unten verloren werden. Hurra, hurra – wir leben noch! von Jörg Weigand kann man im weitesten Sinne als groteske Satire auf die Durchhalteparolen des NS-Regimes ansehen. Handlungsort ist dabei ein Sanatorium, in dem Kriegsinvaliden den unerschütterlichen Siegeswillen des Dritten Reiches demonstrieren sollen. Eine fanatische Krankenschwester führt dort ein drakonisches Regiment, bei dem sie richtiges Verhalten auch mal mit einem Blow-Job belohnt. Dann geht es noch um Fäkalien, so dass das eine insgesamt unappetitliche Sache wird.
Häschen in der Grube könnte man wohlwollend als provokant beschreiben. Und sicherlich war das eine Absicht von Autor Tobias Bachmann. Doch leider ist seine Geschichte um einen KZ-Leiter, den eine jüdische Gefangene in einen Zustand der Dauergeilheit versetzt und der die Frau unbedingt sexuell demütigen will, eher abstoßend und grotesk übersteigert. Der Zusammenhang von Gewalt, Macht und Sexualität mag noch einleuchten und nachvollziehbar sein und auch sexuelle Ausbeutung von KZ-Insassen hat es gegeben. Doch die Fantasien des Lagerleiters in einer nekrophilen Szene, bei der die Jüdin und einige Mitgefangene mit frisch ermordete Häftlingen Sex haben sollen, gipfeln zu lassen ist gelinde gesagt irritierend. Hier wäre weniger doch wohl mehr gewesen.
Fazit:
Mit Casus Belli ist der Herausgeber Torsten Scheib ein Wagnis eingegangen, denn die Verbindung von Krieg und Horror ist sicherlich eine ungewöhnliche. Aber es hat sich gelohnt, den die Anthologie mit ihren 25 Beiträgen hat dem geneigten Leser viele gute Geschichten zu bieten. Zumeist wird das Grauen des Krieges nicht banalisiert, sondern um eine weitere, unheimlich- phantastische Perspektive erweitert. Wenn man das Buch in die Finger kriegt sollte man unbedingt mal reinlesen.
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