Das Ewigkeitsprojekt (Autorin: Caroline Hofstätter)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Das Ewigkeitsprojekt von Caroline Hofstätter

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Als Dr. Sarah Berger an einem friedlichen Morgen vor die Tür ihres Hauses tritt, erkennt sie, dass Hills View nicht nur ruhig ist – es ist zu ruhig. Über Nacht sind alle Bewohner verschwunden. Aber wohin? Wie konnte eine ganze Stadt völlig lautlos evakuiert werden und warum haben die Bewohner ihre Häuser penibel aufgeräumt, bevor sie die Stadt verließen?

Die junge Ärztin beginnt zu entschlüsseln, was hinter den rätselhaften Ereignissen in Hills View steckt, doch sie befindet sich bereits mitten im Ewigkeitsprojekt. Daraus zu entkommen, wird mit aller wissenschaftlichen Logik nicht einfach, denn die Gesetze der Physik gelten nicht länger. Selbst eine Tasse Kaffee ist nicht, was sie zu sein scheint …

 

Rezension:

Die Österreicherin Caroline Hofstätter wählte für ihr Debüt ein hochaktuelles Science-Fiction-Thema: Der digitale Mensch.

 

Sarah Berger ist Professorin und eine Koryphäe in der medizinischen Forschung. Ein eigentlich ganz normaler Montagmorgen entwickelt sich jedoch zu einem Albtraum. Ihr Ehemann Nikolai ist verschwunden, aber auch der morgendliche Berufsverkehr fehlt. Bald erkennt sie, dass sie in ihrem Städtchen ganz allein ist und ein seltsamer Nebel über allem zu liegen scheint. Es sei denn, sie schaut aus dem Fenster ihrer Wohnung, von dort breitet sich vor ihr ein sonniger Frühlingstag aus. Punkt 9 Uhr erhält sie eine eMail mit einem Forschungsauftrag. Fassungslos fragt sie per Mail nach und erfährt, dass sie am Projekt ›Zukunftssicherung‹ auf freiwilliger Basis teilnimmt. Erinnerungsverluste seien beim ›Transfer‹ möglich …

 

Was zu Beginn wie ein klaustrophobischer Albtraum beginnt, entwickelt sich zu einem spannenden Überlebenskampf in einer virtuellen Umgebung. Die Protagonistin bleibt zwar die wissbegierige Forscherin, die ihrer virtuellen Labortätigkeit mit Begeisterung nachgeht, aber die Einsamkeit und das Gefühl eingesperrt zu sein, zehrt an ihrem Gemüt. Nur das Wissen, mit ihrer Arbeit Krankheiten besiegen zu können, hilft ihr, nicht durchzudrehen.

 

Wir erleben ihre Suche nach dem Sinn hinter ihrer Existenz aus der Ich-Perspektive. Dadurch erhalten wir auch einen Einblick in die inneren Abhängigkeiten denen sie in Kontakt mit dem ebenfalls ins Projekt ›Zukunftssicherung‹ Lennard Parker-Gibbons transferierten Architekten Lennard Parker-Gibbons entwickelt. Seiner dominanten Verführungskraft hat sie zunächst wenig entgegen zu setzen. Caroline Hofstätter beschreibt hier typische, männliche Vereinnahmungsprozesse, die mit fast schmerzhafter Unterdrückung Sarahs einhergehen.

 

Sarah ist aber nicht nur eine empfindsame Frau, sie ist auch eine eloquente Medizinerin, die die Verantwortung für das Leben ernst nimmt. Der finale Konflikt ist dann auch ein Kampf zwischen Humanismus und dem zerstörerischen Streben nach Macht.

 

An einigen Stellen, gerade zu Beginn des Romans, ist es schwer, Sarahs nur sehr langsames Begreifen ihrer neuen Existenz zu verstehen. Als LeserIn eines SF-Romans denkt man nach wenigen Seiten bereits daran, dass die Hauptfigur sich in einer Computerwelt befindet. Die hektischen und immer verzweifelteren Versuche Sarahs, ›herausgeholt‹ zu werden, sind wegen ihrer offensichtlichen Unmöglichkeit kaum nachvollziehbar. Man kann das vielleicht erklären durch einen Mangel an technischem Verständnis, aber selbst in ihrem ureigensten Metier, der Laborforschung hinterfragt die Protagonistin sehr wenig. Warum sie trotz des Gefühls, eine Gefangene zu sein, mitarbeitet, ist über ihre Forscherehre nur teilweise zu erklären. Immerhin wird später deutlich, dass Sarahs Existenz nicht an die Realzeit gebunden ist und wir daher nicht genau wissen, wie lange sie tatsächlich dem psychischen Stress der Situation ausgeliefert war.

 

Ein damit verbundener Nebenaspekt des Romans ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen virtueller und realer Welt. Die Schöpfer des Ewigkeitsprojekts versprachen den Transferierten ein Paradies. Doch sobald die Digitalisierung vollzogen war, sah man in ihnen nur noch Programme, die man beliebig stoppen, einschränken und dementsprechend auch empathielos behandeln kann. Obwohl Sarah sich als vollständige Person empfindet – sie fühlt, denkt und reflektiert sich selbst wie ein biologischer Mensch, streitet man ihr wesentliche Bedürfnisse ab. Sie wird nicht einmal mit der Höflichkeit einer Anrede in den Mails gewürdigt. Kein Dank für ihre Arbeit, keine persönlichen Worte. Dahinter verbirgt sich die Frage, wie wir mit künstlichen Intelligenzen oder eben mit digitalen Entitäten in Zukunft umgehen wollen. »Das Ewigkeitsprojekt« gibt hier eine sehr menschliche Antwort, indem es die Gefühle solch eines digitalen Wesens in das Zentrum der Handlung stellt und gleichzeitig vor den Gefahren warnt, die sich aus den Möglichkeiten ergeben, wenn auch Machtgier, Paranoia und Skrupellosigkeit in die digitale Welt Einzug halten.

 

Das Titelbild von Timo Kümmel besticht durch eine prägnante Verwendung von Blautönen, die in Verbindung mit dem idealisierten Antlitz einer Frau, an berühmte Szenenbilder aus Metropolis erinnern.

 

Fazit:

Mit ihrem Debüt liefert Caroline Hofstätter einen spannenden SF-Roman, der bis zur letzten Seite fesselt. Virtuelle Welten und Humanismus verbinden sich einfühlsam in einer kompakt erzählten Story und damit bietet »Das Ewigkeitsprojekt« ein weiteres Beispiel für die Agilität und Bandbreite der aktuellen deutschsprachigen Science-Fiction.

Nach oben

Platzhalter

Buch:

Das Ewigkeitsprojekt

Autorin: Caroline Hofstätter

Taschenbuch, 167 Seiten

Atlantis Verlag, Oktober 2019

Cover: Timo Kümmel

 

ISBN-10: 3864026768

ISBN-13: 978-3864026768

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B07TW1DB35

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 29.10.2019, zuletzt aktualisiert: 10.03.2024 18:58, 18019