Das Reich der Siqqusim von Brian Keene
enthält: Die Auferstehung; Stadt der Toten
Rezension von Christian Endres
Ein mehrfach mit dem Bram Stoker Award prämierter Horror-Autor und seine Werke über Zombies der etwas anderen Art, eine Reihe positiver Kritiken, eine schöne Aufmachung im dicken, großen Hardcover und natürlich das vielversprechende Logo des noch frischen und unverbrauchten Otherworld-Verlages brachten mich auf die Spur des Reichs der Siqqusim – und damit auf vorliegenden Sammelband mit den ersten beiden Teilen (im Original »The Rising« und »City of the Dead«) von Brian Keenes modern-modriger Zombie-Saga ...
Jim hat sein Leben satt – Frau verloren, Kind verloren, den Vorgarten voller Zombies. Da macht auch das halbwegs sichere »Leben« im Bunker keinen Spaß, zumal die Zukunftsperspektiven dann ja doch nicht zwingend die besten sind, wenn einen die verstorbene und wieder zum Leben erwachte Gattin jeden Abend ein Zombiegrinsen entgegenschleudert und einen zu sich und ihren neuen, dämonischen und vor allem untoten Freunden lockt. Jim entschließt sich dazu, aufzugeben und der Sache ein Ende zu bereiten – und fällt aus allen Wolken, als ihn auf dem Handy der Hilferuf seines kleinen Sohnes erreicht, den er unendlich lieb hat ...
Wie immer, wenn die Welt am Abgrund steht, gibt es auch in Keenes Geschichte Protagonisten und Supporting Cast zu Hauf – denn auch wenn die Erde von den Dämonenzombies bevölkert/entvölkert wird, so wehrt der Mensch sich doch immer irgendwie. Egal ob Hinterwäldler, Priester, Junkie, reumütiger Wissenschaftler oder abtrünnige Armee-Einheit – irgendwer nimmt immer den Kampf auf. Wenn diese Parteien dann aufeinander treffen, kann das ein gutes Bündnis im Kampf gegen zombiehafte Hirsche und Untote sein – aber eben auch fatal enden. Vor allem letzteres endet bei Keene dann auch meistens wirklich fatal: Er scheut sich nicht, Kannibalismus und Vergewaltigung in seine Story einfließen zu lassen, trifft hier glücklicherweise aber genau die richtige (sprich: sparsame) Dosierung.
Wenn die Zombies in Wahrheit Dämonen sind ...
So wirklich neu und unverbraucht und frisch ist die Idee, die Brian Keene mit »Auferstehung« und »Die Stadt der Toten« aufgegriffen hat, wahrscheinlich nicht mehr – aber in der Umsetzung von Keene hat sie durchaus ihren Reiz und macht dank genau der richtigen Mischung aus Pulp und Innovationen oder einfach nur Modernität großen Spaß. Die verschiedenen Handlungsstränge, Protagonisten und daraus resultierenden Erzählperspektiven geben dem Ganzen dann den letzten Schliff – und heben Keenes moderne Zombie-Saga über das Standing der üblichen Zombie-Lektüre hinaus, wo die umherwandelnden Toten in der Regel nur stöhnendes Kanonenfutter für die Waffen der Helden sind.
Doch auch das Traditionelle beherrscht Keene meisterhaft: Mit ähnlicher Finesse wie ein Robert Kirkman (The Walking Dead) erschafft er ein annähernd apokalyptisches Szenario und schreibt dabei in erster Linie ein Wort groß: Überleben.
Überleben möchte im zweiten Teil (also, Buch im Original, Teil in diesem Sammelband) auch der alte Milliardär Ramsey, der sich in seinem Scyscraper in New York vor den dämonenhaften Untoten verschanzt hat. Ob er damit aber wirklich glücklich wird oder überhaupt eine Chance gegen die unzähligen und gerissenen Zombies hat, muss sich erst noch herausstellen – vor allem, als auch Jim, Frankie & Co. im Anmarsch sind. Und eine Horde Zombiedämonen ...
Leider fällt die Handlung zum zweiten Teil hin ein wenig ab – was mitunter daran liegt, dass Keene im Vorgänger schon viel seines Pulvers verschossen hat und es ihm – im direkten Vergleich zum ersten Part – nur noch selten gelingt, seinen eigenen innovativen Ideen weiter Kontur und Form zu geben. Doch das soll die Autorenleistung nicht schmälern, denn in den muffigen Gruftgassen der Zombies weht definitiv wieder ein frischer Wind, der sich mitsamt der altbekannten Gerüche und Düfte zu einem guten Story-Cocktail vermischt ...
Die Aufmachung des Hardcovers überzeugt: Langer Lesespaß dank fairem, schönem Satz (von der Sorgfalt her ist hier vor allem auch eine Steigerung zur ersten Publikation des Otherworld-Verlages zu erkennen) sowie eine gelungene Hardcover-Ausstattung mit lackiertem Schutzumschlag, Lesebändchen, goldgeprägtem Titel und Rücken sowie zwei Innenillustrationen und einem Photo des Autors wissen zu überzeugen und sprechen vom Niveau her eine deutliche, kultivierte Sprache. Auch vom Format her lässt sich der dicke Zombie-Wälzer schön in die Hand nehmen und ist ungeachtet seines Volumens ein üppiges Etwas, das man gerne zum Lesen heran nimmt – egal ob am Tisch, im Bett oder im Bunker ...
Fazit: Zombies mit einem unglaublich gemeinen Verstand und einem annähernd mystischen, Lovecraftnesquen Hintergrund – wer mit diesem Setting etwas anfangen kann und auf moderne Horror-Romane steht, in denen auch mal vergewaltigt oder anderswie über die Stränge geschlagen wird, der kann mit den ersten beiden hier veröffentlichten Bänden von Brian Keenes Saga um das Reich der Siqqusim nur wenig falsch machen und ist bestens aufgehoben.
Die dämonischen Zombies in Keenes Werk sind intelligent – ihr Autor und seine Story ebenfalls. Der etwas andere Zombie-Roman, der vielleicht endlich einmal dabei hilft, die wandelnden Toten ebenso ins 21. Jahrhundert zu holen, wie andere Autoren das ja schon mehr oder weniger erfolgreich mit den Vampiren oder Werwölfen getan haben.
Trotz kleinerer Schwächen vor allem im zweiten Teil steht daher fest: Die Renaissance der wankenden »Wiedergeborenen« beginnt hier ...
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