Der Dunkle von Brandon Sanderson
Rezension von Ingo Gatzer
Brandon Sanderson gehört wahrscheinlich zu den interessantesten Fantasy-Autoren der Gegenwart. Mit Romanserien wie Nebelgeboren oder Die Sturmlicht-Chroniken entwarf der US-Amerikanerbereits mehrere faszinierende fantastische Welten und hatte zudem das Privileg, Robert Jordans Mega-Zyklus Das Rad der Zeit fortzusetzen. Nun wagt er sich mit Der Dunkle in die Welt der Comics. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Romanadaption, sondern um eine für das Medium exklusive Story, die aber dennoch (lose) in Sandersons Cosmere-Universum angesiedelt ist. Der erste Band des Zyklus ist jetzt bei Panini erschienen.
Paul Tanasin ist anders als die meisten Jungen seines Alters. Der 17-Jährige ist in psychologischer Behandlung und sieht nicht nur als Einziger ein geisterhaftes Mädchen, das behauptet seine Schwester zu sein. Dabei ist sich Paul sicher, keine Geschwister zu haben. Paul erblickt auch immer wieder krumme Türme und Blitze, die aus einer fremdartigen Welt zu stammen scheinen. Ist es das fantastische Mirandus, in dem das allmächtige Narrativ den zyklisch wiederkehrenden Kampf zwischen Licht und Dunkelheit bestimmt? Bald muss Paul um sein Leben rennen.
Der sonst eher auf klassische High Fantasy spezialisierte Brandon Sanderson verbindet in »Der Dunkle« High und Urban Fantasy miteinander. Dazu schafft er zwei Welten, die bald mehr als ursprünglich gedacht zusammenhängen. Solche kreativen Ansätze kennen Fans bisher etwa in Form der ausgefeilten magischen Systeme in seinen Romanen. Sanderson kreiert eine faszinierende Geschichte, die sich meistens fernab der meisten fantastischen Konventionen bewegt, sondern vielmehr mit diesen spielt. Denn hier geht es eben erfreulicherweise mehr als um den Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen bzw. Licht vs. Dunkel, bei dem ein jugendlicher Held das Gute/Licht zum Sieg führt und dabei gegen das Böse/Dunkel triumphiert. Einiges lässt sich in diesem Auftaktband allerdings erst erahnen. Zudem hat Sanderson für sein Lesepublikum einige Überraschungen parat. Darüber hinaus erschafft der Autor mit dem sogenannten Narrativ eine Meta-Ebene über das (fantastische) Erzählen selbst. Es ist allerdings auch erkennbar, dass Sanderson nicht originär für Comics schreibt, sondern Romanautor ist. Denn manche Seiten sind sehr textlastig geraten. Hier wäre an einigen Stellen etwas weniger mehr gewesen.
Die von Nathan Gooden gezeichneten Panels kontrastieren ansprechend Licht und Schatten miteinander. Dazu trägt auch die von Kurt Michael Russel gestaltete Farbgebung bei. Diese Gegensätze prägen zudem den schön gestalteten Einband. Godden gelingt es, die Emotionen der von ihm gestalteten Figuren sehr expressiv herauszuarbeiten. Das gilt vor allem für den Hauptcharakter Paul Tanasin, dessen Wandlung er auch optisch verdeutlicht. Allerdings hätten einige seiner Panels etwas detailreicher ausfallen dürfen. So verschenkt er etwa bei der Gegenüberstellung von lichter und dunkler Architektur einige Potenziale, die er leider nur recht kurz aufscheinen lässt. Zudem läuft er die Erzählung stark auf der Textebene ab, sodass die Bebilderung oft nur schmückendes Beiwerk bleibt.
Fazit:
»Der Dunkle« ist ein spannender und verheißungsvoller Auftakt, der mit klassischen Fantasy-Konventionen spielt und in dem bereits die Klasse von Brandon Sanderson aufblitzt.
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